VS-Hersteller muß eventuell Schutz unter "Chapter eleven" suchen

Vor Debakel: Keine Finanzhilfe von IBM für angeschlagene Wang

21.08.1992

BOSTON (CW) - Ein offizieller Vertreter der IBM Corp. läutete am Montag eine neue, womöglich aber die letzte Runde im Überlebenskampf der Wang Laboratories Inc. ein. Er erklärte gegenüber dem "Wall Street journal", die IBM werde, den VS-Hersteller nicht, anders als noch im vergangenen Jahr beabsichtigt, mit einer neuerlichen Geldspritze stärken.

Damit versiegt für Wang-CEO Richard Miller eine der letzten möglichen Finanzquellen.

Als die IBM im Juni vergangenen Jahres Wang-Wandelschuldverschreibungen in Höhe von 25 Millionen Dollar zeichnete und den Mini-Hersteller so als Vertriebspartner für ihre Produktreihen RS/6000, PS/2 und AS/400 gewinnen konnte, stellte sie weitere 75 Millionen Dollar in Aussicht.

Diese zusätzliche Finanzhilfe war allerdings an ein bestimintes Umsatzvolumen geknüpft, das Wang bisher jedoch offensichtlich nicht erreichen konnte. "Wir haben erwartet, daß Wang im zweiten und dritten Jahr des Abkommens IBM-Equipment im Wert von mehreren 100 Millionen Dollar installieren würde, aber das wird wohl nicht passieren", meinte besagter IBM-Manager gegenüber dem "Wall Street Journal".

Deshalb sei der Plan, im Januar 1993 zusätzlich 40 Millionen und im darauffolgenden Jahr weitere 35 Millionen Dollar zu investieren, auf Eis gelegt worden. Bestätigt werden diese Aussagen von der IBM nicht.

Weil Wang bisher noch kein Ergebnis des zum 30. Juni 1992 abgelaufenen Geschäftsjahres vorgelegt hat, fürchten die Investoren nun um die Existenz des Herstellers. Sie glauben, Wang werde schon bald beim zuständigen Konkursgericht mit "Chapter eleven" den zeitweisen Schutz vor Gläubigern beantragen. Denn offenbar waren Millers Bemühungen um zusätzliche Finanzmittel nicht erfolgreich. Analysten erwarten jetzt hohe Verluste, die den Wert des Unternehmens unter Null abrutschen lassen könnten. Tritt das ein, könnten Vertragsklauseln wirksam werden, die die sofortige Rückzahlung bestimmter Kredite nach sich ziehen.

Mitarbeiter bei Wang fürchten um ihre Jobs

Analysten hatten für Wang frühestens im September dieses Jahres mit finanziellen Problemen gerechnet, weil dann ein kurzfristig angelegtes Finanzierungsabkommen auslaufe. Andererseits sei es möglich, vermuten einige Gläubiger, daß Miller die Angst vor einem drohenden Konkurs als Druckmittel einsetze, um die Rückzahlungsfristen für laufende Verpflichtungen zu verlängern. Die Schulden des Mini-Herstellers belaufen sich trotz drastischer Reduktionsmaßnahmen durch Verkauf von Unternehmensbestandteilen und Entlassungen von Mitarbeitern auf immerhin 540,8 Millionen Dollar. Davon werden 70 Millionen Dollar im September diesesjahres fällig.

Um die langanhaltende Krise doch noch bewältigen zu können, hatte Wang bereits angekündigt, daß im vierten Quartal des abgelaufenen Geschäftsjahres nochmals eine außerordentliche Belastung in Höhe von 30 Millionen Dollar in Kauf genommen werde, um die Mitarbeiterschaft um weitere 1000 auf 12 500 Angestellte zu reduzieren. Allerdings fürchten auch die noch verbleibenden Arbeitskräfte um ihre Jobs. Die unerwartete - weil zwei -Tage zu früh stattfindende - Ausgabe der Lohnschecks bestätigte sie in ihren Vermutungen. Das werteten viele als den Versuch, die Mitarbeiterinteressen im Falle eines Konkursverfahrens zu schützen. Ein Wang-Sprecher erklärte dagegen, es handele sich um einen ganz normale Zahlung, die wegen eines Fehlers in der Lohnbuchhaltungs-Software lediglich etwas früher als sonst getätigt worden sei.

Zu den Auswirkungen der Finanzkrise und dem Rückzieher der IBM wollten weder die deutsche Tochter noch die Wang Laboratories selbst bis Redaktionsschluß Stellung nehmen.