Kolumne

"Von Silberstreifen und Hoffnungsschimmern"

25.10.2002
Christoph Witte Chefredakteur CW

Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig letztlich ausreicht, um die Stimmung in einem Markt zu verändern. Bevor eine bessere Stimmung um sich greifen kann, sollten allerdings einige Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst einmal müssen für eine gewisse Zeit alle branchenrelevanten Ereignisse negativ bewertet worden sein, und zweitens müssen die Marktteilnehmer, also Käufer und Verkäufer, dieser schlechten Nachrichten absolut überdrüssig sein.

Im IT-Markt ist das schon lange der Fall. Seit fast anderthalb Jahren müssen schlechte Nachrichten verdaut werden. Niemand mag sie mehr schlucken. Folgerichtig formulieren Prognostiker und Analysten anders. Sie sagen nicht mehr den Untergang der gesamten Branche voraus. Seit wenigen Wochen bauen sie "Silberstreifen", "Hoffnungsschimmer", "Lichtblicke" und ähnlich hoffnungsstiftende Substantive in ihre Marktbewertungen ein.

Damit das Gesundbeten aber zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden kann, ist noch eine dritte Voraussetzung zu erfüllen: Die Erwartungen der Marktteilnehmer müssen gegen null tendieren. An der vergangenen Freitag zu Ende gegangenen Systems lässt sich erkennen, wie der Markt dann funktionieren könnte. Trotz geringerer Ausstellerzahl und fast einem Drittel weniger Besucher zeigten sich nicht nur die Veranstalter, sondern auch die Verbände und selbst die Aussteller zufrieden. Sie hatten wohl noch Schlimmeres erwartet (siehe Seite 12).

Wenn diese drei Dinge, eine schier endlose Kette schlechter Nachrichten, Überdruss, sie weiter zu ertragen, und eine sehr geringe Erwartungshaltung zusammenkommen, ist die Talsohle ganz offensichtlich erreicht. Leider hören deshalb Hersteller nicht auf, schlechte Ergebnisse zu erzielen, und Anwender geben nicht plötzlich wieder mit vollen Händen Geld für IT aus. Aber der Fokus der Betrachtung ändert sich. Plötzlich werden wieder positive Nachrichten wahrgenommen. Sie gelten nicht mehr als Ausnahmen von der Regel, sondern werden als Indizien für einen Stimmungsumschwung aneinander gereiht wie Perlen auf eine Schnur.

Noch sind es erst ein paar kleine Perlen: Der europäische PC-Markt hat sich im dritten Quartal leicht erholt. Und einige erfreuliche Quartalszahlen lassen ebenfalls hoffen. Microsoft ist gewachsen - selbst wenn man Monopolrendite und Sondereffekte aufgrund der geänderten Lizenzpolitik außer Acht lässt. Das Ergebnis der IBM wurde trotz leichter Gewinneinbußen wegen der gestiegenen Umsätze in der Servicesparte günstig bewertet. Ähnliches gilt für SAP. Die Walldorfer verweigern zwar die Prognose für das Gesamtjahr, haben aber zumindest im dritten Quartal zulegen können.

Für eine Trendwende reicht das zugegeben noch nicht aus, zumal einige der positiven Ergebnisse eher durch Spareffekte denn durch Wachstum zustande gekommen sind. Aber die Tür des Kellers, in den die IT-Branche abgerutscht ist, hat sich wieder einen Spalt breit geöffnet.