Von Master-Slave zu Client-Server

22.10.1993

In der DV gibt es eine Krise - uneinig ist man sich nur darueber, ob es sich um eine Technologie- oder eine Strategiekrise handelt. Das Naheliegendste ist richtig: In der DV gibt es eine Produktionskrise. Es ist kein Hirngespinst, dass man bei sachgerechter Organisation der Datenverarbeitungsprozesse mit einem geringeren Mitteleinsatz auskommen koennte - was noch nichts ueber seinen Wirkungsgrad aussagt. Finanzchefs in mittleren und grossen Anwenderunternehmen fuehlen sich ermuntert, ueber die Alternative Outsourcing nachzudenken - sicher der einfachste Weg, freilich der falsche, wenn es auf flexibles Informations- Management ankommt.

Es geht auch anders. Die Loesung heisst Client-Server. Wir hoeren schon den Aufschrei der Anwender: "Das letzte, was wir brauchen, sind Mythen, Maetzchen und Modelle - auf Marketing-Tricks fallen wir nicht mehr herein!" Wer Client-Server so verkaufen will, wird in der Tat sein blaues Wunder erleben. Die Anwender sind es leid, sich die Architektur-Erguesse der Anbieter anzuhoeren.

Aber was will uns die Client-Server-Werbung sagen? Besser: Fuer was sollte man sie halten? Fuer einen Schmarrn? Nichts einfacher als eine Aussage wie diese. Doch ein solches Urteil entspraenge Effekthascherei. Haetten die Hersteller und die Anwender in der Vergangenheit keine Fehler gemacht, muessten wir uns heute ueber die Client-Server-Definition nicht streiten.

Die Anwendungen den Anwendern: Auf diese Formel laesst sich das DV- Verteilungsproblem bringen. In der Master-Slave-DV der IBM-370- Systeme, der Mainframe-Datenbanken, der 3270-Protokolle und dummen Terminals war das nicht der Fall - ein organisatorischer Rueckschritt, der lange Zeit, zu lange, toleriert wurde. Die Geduld der Anwender ist zu Ende. Die Loesung heisst Sanierung der vorhandenen Altsysteme, wobei die Palette vom Re-Engineering bis zur vollstaendigen Neugestaltung reicht. Eines geht nicht mehr - da haben die Outsourcing-Befuerworter den Nerv getroffen: die zentralistische Mainframe-DV wie bisher weiterzubetreiben.

Mit dem Meinungsstreit (siehe Schmarrn) hat dies immerhin so viel zu tun, als sich die Gewichte verlagert haben - technologisch wie organisatorisch: von Master-Slave zu Client-Server.

Haetten die grossen Hersteller freilich noch das Sagen, dann waere in den Computer-Zeitschriften zu lesen, der DV/Org.-Bereich muesse die Budgets erhoehen, um seine Aufgaben erfuellen zu koennen. Das ist nicht ironisch gemeint: Ueber einen langen Zeitraum hinweg bestimmte die DV-Industrie, was ihre Kunden zu wollen hatten - traurig genug, aber Schuldzuweisungen im nachhinein bringen nichts. Aergerlich waere es, wenn sich mit Client-Server falsche Vorstellungen verbinden wuerden: dass die Umstellung einfach sei - von den Kostenvorteilen gar nicht zu reden. Client-Server wird das Normale sein. Der Weg dahin ist steinig. Die Anwender haben den "point of no return" ueberschritten.