"Mühsam nährt sich das Eichhörnchen":

Von einem der auszog, seinen PC um DTP zu erweitern

15.04.1988

MÜNCHEN - Unverdrossen schwelgt die DV-Branche im Desktop-Publishing-Fieber. Doch Probleme bei Installation, Anwendung und Bedienung gibt's zuhauf. Kritisch wird es vor allem, wenn sich DTP-interessierte Anwender nicht ein komplettes DTP-Paket einschließlich PC anschaffen wollen, sondern die bereits vorhandenen PCs um das Desktop-Publishing-System zu erweitern beabsichtigen.

Als Revolution in der Herstellung gedruckter Medien ist Desktop Publishing in aller Munde. Anbieter berufen sich auf einen "Siegeszug von DTP, der nicht zu stoppen ist" und beeilen sich, immer wieder die Vorteile eines solchen Systems hervorzuheben. Da ist von Zeiteinsparung und leichter Erlern- und Bedienbarkeit die Rede. Strapaziert wird auch gerne die Kosteneinsparung, da unter anderem die Herstellung von Druckerzeugnissen über PCs und Peripherie erfolgt, die oft in wesentlichen Teilen schon vorhanden sind.

Gerade die Nutzung von bereits vorhandenen PCs für Desktop Publishing ist jedoch keineswegs so leicht, wie mancher Anwender glaubt - beziehungsweise manche Anbieter glauben machen wollen. Diese bittere Erfahrung mußte auch Ulrich Siebe machen. Der Geschäftsführer der Penflex Elektronik in Bad Essen nahe Osnabrück hatte sich im September 1987 entschlossen, seinen Commodore-PC mit Desktop Publishing auszurüsten, um so Handbücher, Preislisten, Broschüren schneller produzieren zu können. Schon ab Januar, so Siebes Berechnung, sollte das System installiert und voll funktionsfähig sein.

Von einem voll funktionierenden DTP-System kann Siebe jedoch bis zum heutigen Tag nur träumen. So lassen sich die gewünschten Drucksachen nur in geringer Auflage (etwa zwei oder drei Stück) produzieren Publikationen aber, die eine höhere Auflage erfordern, müssen die Penflex-Leute in eine Druckerei geben, denn laut Siebe ist "die Wahrscheinlichkeit groß, daß der Drucker nicht durchhält und abstürzt". Doch nicht nur der Auflage sind Grenzen gesetzt; auch die Anzahl der Seiten ist eingeschränkt. Grund: Der Druckertreiber arbeitet fehlerhaft, so daß maximal nur 20 Seiten gedruckt werden können.

Systemabstürze sind einkalkuliert

Inzwischen haben sich die Bad Essener nicht nur an die Einschränkungen gewöhnt, sondern auch daran, daß das System regelmäßig ein- bis zweimal in der Woche seinen Dienst versagt. "Dies ist gemessen an den letzten Monaten aber schon ein riesiger Fortschritt", frotzelt Siebe. "Da nämlich stürzte das System ein- bis zweimal pro Tag ab." Man habe jedoch mittlerweile aus den USA, wo dieser Fehler auch erkannt wurde, eine neue Treiberversion erhalten. Dadurch könne man jetzt wenigstens "einigermaßen mit DTP arbeiten". Wann die Schwierigkeiten endgültig behoben sein werden, steht allerdings in den Sternen. Siebe mit Galgenhumor: "Mühsam nährt sich das Eichhörnchen."

Doch der Druckertreiber ist nur ein Problem von vielen, mit denen sich die Niedersachsen bei ihrem DTP-Abenteuer auseinandersetzen mußten. Betont Siebe: "Wir haben in der Tat eine wahre Odysee hinter uns; und das, obwohl wir genau wissen, wie man eine solche Systemerweiterung angeht. Schließlich sind wir auch aus der DV-Branche, erstellen Software und bauen Rechner."

Mangelnden Sachverstand oder Sorgfalt bei der Auswahl von Software und Druckern kann man der Penflex-Mannschaft denn auch nicht vorwerfen. Zuerst wurde eine genaue Marktstudie der angebotenen Systeme vorgenommen. Damals mußte Siebe bereits feststellen, daß die meisten Händler, an die er sich wandte, "keine Ahnung hatten". So wurde ihm zum Beispiel für die Gestaltung seiner Handbücher Pagemaker empfohlen. Berichtet Siebe: "Ich habe jedoch in Erfahrung gebracht, daß Pagemaker pro Seite ein Megabyte braucht. Als ich den Händler fragte, wo ich denn bei einem Handbuch von 30 Seiten die Daten aufbewahren soll, war seine lakonische Antwort, dann müsse ich eben eine zweite Platte installieren. Auf meinen Einwand, daß ich dann ja einen Kleiderschrank voll Platten benötigte, um meine Dokumentation zu speichern, kam der Rat, ich könne ein Tape-Sub-System einsetzen."

Die Penflex-Mitarbeiter entschieden sich schließlich für den Ventura Publisher und schafften zudem Laserdrucker und Scanner von Canon die Scanner-Software "Halo DPE", eine Speichererweiterung mit Software von Tall Tree sowie einen Direktanschluß des Druckers an den PC an. Die Odysee begann. Siebe: "Kaum war der Laserdrucker laut beigefügtem Handbuch vorschriftsmäßig eingestellt, konnte er vom DTP-System nicht mehr angesprochen werden." Fieberhaft begab man sich auf Fehlersuche, die jedoch erfolglos blieb. So tauschte man aus: die Speichererweiterung, die Druckeranschluß-Elektronik und schließlich den Drucker.

Seufzt der Penflex-Chef: "Leider haben wir den Drucker zuletzt ausgewechselt, denn da saß der Fehler. Bei dem Canon-Drucker darf ein Parameter nämlich nicht in Null gesetzt werden - dies steht aber nicht im Handbuch. Auch die Canon-Mitarbeiter in München wußten es nicht. Klarheit brachte erst ein Anruf in Japan." Die Beseitigung dieses Fehlers kostete viel Zeit - 14 Tage mit etlichen Telefonaten und zahlreichen Berichten, die zu schreiben waren.

"Der Benutzer hat das Nachsehen"

Als nächstes bereitete die auf dem PC eingesetzte Textverarbeitung "Symphony" Probleme, die als Texterfassungssystem herangezogen werden sollte. Die Bad Essener mußten feststellen, daß sich die Symphony-Textdateien nicht ohne Vorbearbeitung in das DTP-System übernehmen lassen. Zwar wurde laut Siebe ein Konvertierungsprogramm mitgeliefert, doch dieses Programm setzte bestimmte ASCII-Kombinationen falsch um. "Die Folge ist", so Siebe, "daß das DTP-System verwirrt den Geist aufgibt, wenn es zum Beispiel das Gradzeichen aus Symphony verarbeiten soll." Die Essener mußten ein eigenes Umsetzungsprogramm schreiben, was inklusive aller Tests einen Zeitaufwand von etwa zehn Manntagen bedeutete.

Schließlich stellte Siebe fest, daß der Scanner "vertrackterweise auf der rechten Randseite immer mehrere Millimeter zu wenig einscannte". Auf Anfrage bei Canon erfuhr er, daß dafür der Softwarelieferant des "Halo DPE"-Programms zuständig sei, nämlich die Firma CCP. Diese jedoch verwies den Kunden wieder an Canon. "Die Reaktion der Münchener war, daß wir dann den Scanner einschicken müßten, schildert Siebe die Querelen mit den Anbietern. Und er ergänzt: "Die Lieferanten schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Der Benutzer hat das Nachsehen."