Rationalisierung der Betriebsorganisation und EDV im Versicherungsunthernehmen

Von Einar Scholz

03.11.1978

Die meisten Versicherungsunternehmen stehen heute in ihren Abteilungen Betriebsorganisation und EDV vor großen internen Problemen.

Man kann derzeit eine extreme Laststeigerung in den einzelnen Rechenzentren beobachten.

Wenn die EDV-Abwicklung hauptsächlich auf manuellen Methoden basiert, kann dieses überproportionale Wachstum kaum verkraftet werden. Es ist zu beobachten, daß die Kontrolltätigkeiten im EDV-Bereich mehr und mehr vernachlässigt werden, so daß sich Fehler ergeben.

Hier bieten maschinelle Methoden eine ganz gezielte Entlasung. Als Beispiele möchte ich etwa die Einführung automatischer Bandverwaltungssysteme oder maschinell gestützte Dokumentationssysteme nennen.

Vernachlässigung des methodischen Bereichs

In Versicherungsunternehmen sind die Rationalisierungsreserven mit Hilfe der EDV sehr hoch. Dies führt dazu, daß die einzelnen Fachbereiche entsprechende Anträge an den Bereich BO/EDV stellen.

Falls die Geschäftsleitung keine klaren Zielvorgaben für diesen Bereich macht und nicht entscheidet, welche Projekte abzuwickeln sind, führt das in kürzester Zeit dazu, daß der Bereich BO/ EDV extrem unter Druck gesetzt wird.

Daraus ergibt sich fast automatisch eine mehr oder weniger starke Vernachlässigung der methodischen Aspekte, so daß Sicherheits- und Revisionsaspekte vernachlässigt werden.

Praktikern braucht man nicht zu sagen, daß die terminliche Überforderung der BO/EDV in erster Linie dazu führt, daß ordnungsgemäße Dokumentation nicht mehr gewährleistet ist. Dies wird jedoch vermieden, wenn die Gesamtheit aller Dokumentationsverfahren möglichst vollmaschinell unterstützt wird.

Das Übel vieler BO/EDV-Bereiche liegt speziell in Versicherungsunternehmen darin, daß sie unter dem überdimensionalen Änderungsdienst fast ersticken. Je mehr Macht hier den einzelnen Fachbereichen zugestanden wird um so schlimmer wirkt sich dies im BO/EDV-Bereich aus. Wenn der BO/EDV-Bereich kein Veto-Recht gegen Systembeziehungsweise Programmänderungen hat beziehungsweise hier keine Unterstützung von seiten der Geschäftsleitung erhält, wird sich dies in kürzester Zeit rächen.

Der Bereich BO/EDV sollte als Partner und nicht als bloße Dienstleistungsstelle gesehen werden. Hier liegt leider sehr viel im argen. In besonderem Maße gilt dies für Versicherungsunternehmen, wo sich die EDV aus der konventionellen EDV entwickelt hat.

Aufwand: deutlich über zehn Mannjahre

Iaterne Rationalisierungsprojekte der Betriebsorganisation und EDV liegen je nach Größe des Bereichs und je nach Organisationsstand in einem Aufwandsbereich zwischen 5 und 25 Mannjahren, wobei sich in den allermeisten Fällen ein Aufwand ergibt, welcher deutlich über 10 Mannjahren liegt.

Zur Erstellung eines Gesamtkonzeptes der wünschenswerten Rationalisierungsmaßnahmen des BO/EDV-Bereiches ist es erforderlich, zunächst eine genaue Erhebung der Gegebenheiten durchzuführen. Hierfür ist ein Fragenkatalog zu entwerfen, der sicherstellt, daß möglichst alle Schwachstellen erfaßt werden damit anschließend eine gesamthafte Bewertung vorgenommen werden kann. Der Aufbau eines derartigen Fragenkataloges ist sehr aufwendig.

Mit Hilfe dieses Fragebogenkatalogs führen Sie dann gezielte Interviews durch oder stellen detaillierte Untersuchungen an, so daß Sie nach und nach Klarheit über Ihre Situation erzielen. Diese Ergebnisse sollten Sie mit den Beteiligten abstimmen, damit Sie siecher sind, daß Sie auch tatsächlich richtig liegen.

Nach Erfassung des Ist-Zustandes sollten Sie die möglichen Maßnahmen der Rationalisierung bestimmen.

Zur Verbesserung der Übersicht sollten Sie alle vorgeschlagenen Maßnahmen in einer Matrix darstellen. Danach sollten Sie die Abhängigkeiten der jeweiligen Maßnahmen voneinander prüfen, damit Sie für das gesamte Projekt einen Netzplan erstellen können, der dabei behilflich ist, die richtige Ablauffolge Ihrer Rationalisierungsmaßnahmen zu bestimmen.

Ziele der Rationalisierung der BO/EDV in VU

Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Zielsetzungen der BO/EDV. Sie sollten anhand eines (..)kataloges diejenigen auswählen, die Ihnen in Ihrem Hause erstrebenswert erscheinen.

Es geht beim Problem der Beschleunigung der Projektrealisierung darum, daß BO/EDV-intern alle Reibungsverluste ausgeschaltet werden. In den meisten Fällen ist eine unglückliche Strukturorganisation der BO/EDV die Ursache für Verzögerungen. Immer dann, wenn eine strenge Gewaltentrennung zwischen BO und EDV vorliegt, sind terminliche Konsequenzen zu befürchten.

Schneller Änderungsdienst für Programme

Der Änderungsdienst von Programmen wird für viele Unternehmen immer problematischer. Ein optimales Hilfsmittel ist hier die Online-Programmierung. Die erhöhte Geschwindigkeit soll dazu beitragen, daß mehr Zeit für die Neuentwicklug von

Programmen gewonnen wird.

Es ist keine Seltenheit, daß innerhalb eines Jahres die Computerlast auf das, Doppelte ansteigt. Derartige Laststeigerungen müssen aber auch EDV-intern verkraftet werden.

Es kommt daher darauf an, daß Verfahren entwickelt werden, die auf Belastung ausgelegt sind. Maschinelle Terminplanung, computergestützte Dokumentation, maschinelle Bandverwaltungsysteme sind nur einige der Teilsysteme, die sich auch für kleine und mittlere Systeme lohnen, weil sieh mit deren Hilfe auch beträchtliches Wachstum leicht verkraften läßt.

Man sollte sich davor hüten, zunächst eine manuelle Hilfslösung zu suchen, um ein anstehendes Problem kurzfristig lösen zu können. Es ist in fast allen Fällen besser, gleich den maschinellen Weg zu gehen, ehe man unnötig in eine manuelle Zwischenlösung investiert.

Wirkungsvolle Kontrollsysteme

Verfahren der Termin- und Aufwandskontrolle sind meistens gegeben. Was jedoch erhebliche Pobleme bereitet, sind die Dokumentations- und Richtlinienkontrollen.

Je größer Ihr BO/EDV-Bereich ist und (..)o stärker er in den nächsten Jahren wachsen wird, um so mehr sollten Sie die Tendenz verfolgen, daß die Dokumentationskontrollen vom EDV-System selbst vorgenommen werden. Hier bietet es sich immer mehr an, ein maschinell gestütztes System für alle operierenden Verfahren der Job- oder auch RZ-Dokumentation einzuführen. Dadurch lassen sieh folgende Vorteile erzielen:

- Bei der Übergabe neuer Systeme kann das EDV-System selbst die Vollständigkeit der übergebenen Unterlagen prüfen.

- Bei Änderungen von Programmen können die Veränderungen optimal dann über das EDV-System geführt werden, wenn eine TP-Eingabe für die einzelnen operierenden Verfahren der EDV-Dokumentation gegeben ist.

- Das EDV-System selbst kann nicht bestochen werden. Per Prozedur oder Routine des Job-Exits kann vor Anlaufen des Jobs geprüft werden, ob bestimmte Vorschriften eingehalten wor(..) sind oder nicht. Im negativen Fall und der Job einfach abgebrochen.

Flexible RZ-Abwicklung

Viele RZ-Leiter stöhnen darüber, daß sich ihr Terminplan ständig ändert. Sie ärgern sieh über Sonderläufe zu unmöglichen Terminen.

Je mehr umfangreiche Dialogsysteme eingeführt werden, um so schwieriger wird die Vorausplanung der Computerlast. Ad-hoc-Wünsche werden aber zunehmen, weil sie programmiertechnisch weniger problematisch werden. Dementsprechend müssen in einem gewissen Umfang Vorkehrungen für das Abarbeiten von Sonderwünschen getroffen werden. Hierauf muß man sich einfach einstellen.

Zusammenarbeit mit Fachbereichen

Was die Probleme der Zusammenarbeit mit den Fachbereichen anbelangt, möchte ich mich hier auf folgende Fragen beschränken:

1. Wer bestimmt die Prioritäten der jewiligen Organisations- und EDV-Aufgaben?

2. Wie erfolgt eine sinnvolle Koordination?

3. Wie kann das Änderungsproblem gelöst werden?

ad 1: Prioritäten

Es ist Aufgabe der Geschäftsleitung, die Prioritäten ganz klar abzustecken. Dies ist im Einzelfall natürlich sehr schwer und für ein Mitglied der Geschäftsleitung allein nicht lösbar. Es gibt daher nur einen Weg, dieser heißt: "Es ist eine Gesamtkonzeption aller zu realisierenden Wünsche aufzubauen."

Die Vorgehensweise erfordert von seiten der Geschäftsleitung den Mut, sich mit den Problemen der Organisation und EDV zu identifizieren und aktiv Ziele zu setzen.

Die Geschäftsleitung muß unmißverständlich bestimmen, was zu organisieren ist und welche Ziele dabei erreicht werden sollen.

ad 2: Koordination

Koordination muß man bewußt wollen. Wenn man möchte, daß eine Betriebsorganisation wirklich koordinieren soll, muß man ihr ein Vetorecht gegen Lösungen einräumen, die nicht im Interesse des gesamten Unternehmens sind. Dies kann so weit gehen, daß man ihr die Kompetenz einräumt, offensichtlich unwirtschaftliche oder nicht genügend begründete Projektwünsche einfach zurückzuweisen.

ad 3: Änderungsprobleme

Dieses Problem bekommt man nur dann in den Griff, wenn klare Richtlinien bestehen. Wenn Fachbereiche völlig selbständig an organisatorischen Komplexen herumändern können, entsteht in kürzester Zeit ein Chaos.

Ganz schrecklich wird es dann, wenn Progammänderungen nicht mehr detailliert begründet werden, dann werden die ursprünglichen Kostenansätze des Projekte bei weitem überschritten. Man sollte deshalb den Fachbereichen unmißverständlich erklären, daß Änderungen nach Projektende nicht mehr akzeptiert werden können.

Zusammenarbeit mit dem Management

Das Management sollte die Betriebsorganisation als ein Instrument sehen, dessen es sich ständig bedient. Dies wiederum bedingt, daß es die Betriebsorganisation auch in seine langfristigen Planungen einweiht. Viele Insellösungen könnten vermieden werden, wenn die BO besser informiert wäre.

Den Betriebsorganisatoren könnte man hingegen empfehlen, daß sie nicht nur Ja-Nein-Entscheidungen vom Management erwarten sollen. Die Betriebsorganisation ist dafür zuständig, daß Alternativen zur Entscheidung vorgeschlagen werden, so daß auch wirklich eine Entscheidung vom Management getroffen werden kann.

Verbesserung der Motivation BO/EDV-intern

Organisatoren und Programmierer sind am besten dann zu motivieren, wenn sie interessante Aufgaben mit einer gewissen Selbständigkeit übernehmen können. Wenn dann noch die Kasse stimmt, sind bestmögliche Voraussetzungen gegeben.

Man sollte aber auch darauf achten, daß die Organisatoren in Entscheidungsprozesse weitgehend mit einbezogen werden.

Verbesserung der Sicherheit im Rechenzentrum

Man kann sich darüber streiten, ob Sicherheit ein Ziel der Rationalisierung ist. Betrachtet man jedoch Sicherheit auch als Bais für eine geordnete Arbeit, so muß man doch wohl der Meinung sein, daß die Verbesserung der Sicherheit im Rechenzentrum mit Rationalisierung zu tun hat.

Man sollte sich davor hüten, immer erst dann Sicherheitsmaßnahmen anzuweisen, wenn etwas passiert ist.

Kostengünstige Verfahren der Projektrealisierung

Budgetsysteme wie in Industriebetrieben gibt es nur selten in Versicherungsunternehmen.

Deshalb wird kein allzu großer Druck dahingehend ausgeübt, die Kosten der Projektabwicklung zu erfassen, auszuwerten und auf die Fachbereiche zu verteilen.

Es wird zunächst höchste Zeit, sich um die Kosten der EDV gezielt zu kümmern. Es kommt darauf an, daß die EDV-Kosten auf die Fachbereiche verrechnet werden. Dies ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn die Fachbereiche ihrerseits Rechenschaft die von ihnen verursachten Kosten ablegen müssen.

Die Motivation zur Senkung Projektkosten ist dementsprechend in vielen Versicherungsunternehmen für den BO/EDV-Bereich nicht gegeben. Dies fürt dazu, daß Rationalisierungsreserven im Bereich der Projektabwicklung nicht ausgeschöpft sind. Die EDV-Leute ärgern sich hierüber am meisten.

Solange Wünsche an die EDV stark emotional entschieden werden, wird sich keine Senkung der Projektkosten ergeben. Der BO/EDV-Leiter resigniert nach kurzer Zeit und wählt den bequemeren Weg, indem er die Wünsche der Fachbereiche einfach realisiert. Für jeden Industriebetrieb wäre diese Strategie absolut tödlich.

Die Rationalisierung innerhalb des BO/EDV-Bereichs kann sich durchaus auf die Verbesserung der Sicherheit beziehungsweise Revidierbarkeit ausrichten. Diese Zielsetzung ist im EDV-Bereich zwar bekannt. Damit lassen sich jedoch gegenüber den Fachbereichen zunächst keine Erfolge erzielen.

*Einar Scholz ist Unternehmensberater in Krefeld

*Der Autor hat einen solchen Fragebogenkatalog entwickelt. Er ist für 4800 Mark als "System EDV-Check" bei der Firma Infosoft, Talblick 9, 8502 Weiherhof, Zirndorf, zu beziehen.

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