IT in der Baubranche/High-Tech-Gebäude verbindet Ökologie mit Komfort

Von der zeitplanorientierten Steuerung zur Bedarfsorientierung

27.03.1998

Ein intelligentes Gebäude, dem die Düsseldorfer schnell die Bezeichnung "Stadttor" gegeben haben und das sich auf einem Grundriß in Form eines Parallelogramms mit den Kantenlängen 66 und 50 Meter erhebt, hat in Europa bereits einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Mit seinen Zwillingstürmen ist es ein Bauwerk, das auch hinsichtlich ökologischer Prinzipien und intelligenter Automation Maßstäbe setzen kann. Bei der Planung war nicht allein die Verringerung des Heizenergiebedarfs wichtig, sondern auch eine ganzheitliche Lösung, die die Verwendung reproduzierbarer Primärenergien, die Nutzung von Tageslicht und natürlicher Be- und Entlüftung ebenso wie ökonomische Gesichtspunkte einbezieht. Kurz: ein gewerkeübergreifendes Gebäude-Management.

Zwei Hauptziele wurden bei der Projektierung des High-Tech-Stadttors verfolgt:

- die Senkung des Energieverbrauchs und der Betriebskosten bei gleichzeitiger Nutzung regenerierbarer Primärenergien und der natürlichen Be- und Entlüftung sowie

- die Erhöhung von Komfort und Nutzungswert des Gebäudes.

Das Problem war, daß diese Anforderungen nur durch ein Gebäude-Automationssystem zu realisieren waren, das einzelne Systeme verschiedener Hersteller auf mehreren hierarchischen Ebenen integrieren konnte. Ziel war das Zusammenspiel mehrerer Komponeten und Gewerke verschiedener Hersteller, die gemeinsam über ein Protokoll kommunizieren können. Im Wettbewerb wurde dem von Johnson Controls, Milwaukee/Wisconsin, entwickelten DDC-/GLT-Konzept auf der Basis des Metasys-Systems der Vorzug gegeben, da die Architektur von der Feld-Bus- bis zur Management-Ebene eben diese Anforderungen erfüllte.

Der modulare Aufbau erlaubt den Zuschnitt auf die jeweiligen Anforderungen und Erweiterungen für zusätzliche Aufgaben. Zur Integration der einzelnen Gewerke zu einem Gesamtsystem kamen Standards wie Ethernet, TCP/IP und LON Works (Local Operating Network) zum Einsatz (siehe Kasten). Auf dezentrale Intelligenz wurde konsequent verzichtet.

Der hohe Standardisierungsgrad und die Struktur der eingesetzten Technologien erlauben die Integration unterschiedlicher Lösungen aus verschiedenen Bereichen des technischen, infrastrukturellen und kaufmännischen Gebäude-Managements bis hin zum Facility-Management.

Zur Senkung des Energieverbrauchs wurden isolierte Doppelglasfassaden sowie Heiz- und Kühldecken eingesetzt, die im Zusammenspiel mit den Heizungs- und Klimagewerken, den Temperatursensoren und der Fenster- und Jalousienautomatik arbeiten. Die Doppelfassadenarchitektur erzeugt einen Wintergarteneffekt, der in Kombination mit den Heizungs- und Klimasystemen sowie den Systemen zur automatischen Fenster- und Lüftungskästenöffnung die automatische Nutzung natürlicher Wärme und Belüftung ermöglicht. Gleichzeitig dämmt die isolierte Luftschicht zwischen den beiden Glasfassaden das Gebäude. Durch die Kommunikation von Lichtsensoren mit der Jalousiensteuerung läßt sich eine bessere Ausnutzung des Tageslichts und damit eine Senkung des Stromverbrauchs erreichen.

An dieser Stelle tritt die Einbeziehung von Partnersystemen in den Vordergrund. Im Rahmen des technischen Gebäude-Managements wurde zum Beispiel der Europäischen Installations-Bus (EIB) zur Beeinflussung und Überwachung der Elektro- und Jalousienanlagen eingebunden.

Zur Steigerung des Komforts bieten die mehr als tausend frei parametrierbaren Einzelraumregelungen in unterschiedlichen Raumtypen den Nutzern eine individuelle Steuerbarkeit durch Klima- und Temperaturvorgaben. Automatisch werden Jalousien ein- und ausgefahren, Innenfenster zur Nutzung der erwärmten Luft durch den Wintergarteneffekt geöffnet und Heizungen heruntergefahren. Gleichzeitig wird die Aktivierung der Heiz- oder Kühldecken gesteuert.

Es konnte insgesamt also ein Wandel vom bisher zeitplanorientierten Einsatz der Geräte zum bedarfsorientierten Einsatz erreicht werden. Gemeint ist damit ein zeitunabhängiger Einsatz von Heizung, Klimaanlage und Jalousien, der dennoch automatisch vollzogen wird - je nach Anforderung, gemessen durch Sensoren und Thermostaten.

Zur Überwachung der Raumregelkreise werden ständig Daten an ein zentrales Diagnoseprogramm geliefert. Fehlfunktionen, die den Komfort beeinflussen, werden umgehend an die Gebäudeleittechnik gemeldet. Ausgesuchte Daten werden an das kaufmännische Gebäude-Management übermittelt. So sind eine zeitnahe Verbrauchszuordnung und Kostenabrechnung möglich.

Zur Verbrauchserfassung der Mietbereiche wurde unter Einbindung des M-Bus-Systems eine SQL-Datenbank eingerichtet. Sie übernimmt die Aufbereitung und Bereitstellung der Betriebsdaten sowie deren Auswertung durch tabellarische oder grafische Reports für die Betriebs- und Schwachstellenkontrolle..

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Die LON-Technologie (Local Operating Network) setzt einen intelligenten Mikroprozessor ein, den Neuron, der als Embedded-System für Türsteuerungen, Thermostate, Videoüberwachung oder Rauchmelder verwendet wird. Die Übertragungswege können ganz unterschiedlich sein. Bisher engagieren sich bis zu 200 Anbieter von Lösungen innerhalb der LON-Mark-Interoperability Association. Sie versucht einen weltweiten Normungsanspruch durchzusetzen und definiert Richtlinien, die es erlauben, verschiedene Geräte von einem oder mehreren Herstellern in einem Netzwerk zu integrieren, ohne Gateways entwickeln zu müssen, die Protokolle übersetzen. Die deutsche Abteilung ist die LON Nutzer Organisation e.V.(LNO) in Aachen, ihr Präsident Wilhelm Schluckebier (JCI, Regelungstechnik GmbH, Essen).

*Ernst Joachim Müller ist Projektleiter der Engel Projektentwicklung GmbH + Co. KG in Düsseldorf.