Interview mit Excite-Mitbegründer Martin Reinfried

Von der Werbung zu Transaktionsdiensten

21.11.1997

CW: Suchmaschinen sind kostenlose Dienste für den User, in die viele Dollar-Millionen investiert werden. Wie rechnet sich das ?

Reinfried: Im Moment stammt der größte Umsatzanteil aus Werbeeinnahmen - Werbung ist ein Markt, der im Web unglaublich wächst.

Aber um uns nicht vollständig von Werbeeinnahmen abhängig zu machen, beginnen wir mit transaktionsorientierten Geschäften.

CW: Wie funktioniert das?

Reinfried: Über einen gewissen Zeitraum zahlen zum Beispiel Unternehmen wie Buchhandlungen oder Reisebüros dafür, daß sie auf allen oder bestimmten ausgewählten Kanälen genannt werden. Surfer können direkt im Web nicht nur Homepages anschauen, sondern direkt etwas bestellen. Langfristig möchten wir zu einem Umsatz-Mix aus Werbeeinnahmen, transaktionsorientierten Geschäften und Sponsorengeldern kommen.

CW: Hat sich die Einstellung der Werbetreibenden in den letzten Jahren verändert? Auch die Werbebudgets geraten unter Druck...

Reinfried: Die Begeisterung der Werbenden ist unverändert. Wir wollen ihnen aber präzisere Möglichkeiten der Kundenansprache bereitstellen. So verkaufen wir zum Beispiel die Belegung von "Keywords" mit Anzeigen. Dies ist eine Methode, um sehr zielgenau werben zu können.

Darüber hinaus haben wir verschiedene Spartenkanäle eingerichtet. Hier ergibt sich eine weitere Präzisierung der Zielgruppen. Über eine zunehmende Personalisierung unseres Angebotes wird es zudem immer leichter, den Werbenden eine große Zielgenauigkeit einzuräumen. Dies ist in traditionellen Medien in dieser Effizienz nicht möglich. Unsere Werbekunden wissen genau, wer wie oft ihre Anzeigen anklickt.

CW: Das klingt nach dem gläsernen Surfer.

Reinfried: In unserem Service gehen wir über ein Registrierungssystem für den Dienst. Hier werden Basisinfos abgefragt, aber auch freiwillige Auskünfte erhoben. Mit diesen Daten und Beobachtungen des Surfverhaltens haben wir ein sehr mächtiges Werkzeug, um Werbenden eine genaue Zielgruppe zu präsentieren. Gewisse Angaben sind, wie gesagt, freiwillig. Wir haben uns verpflichtet, diese Informationen auf Wunsch vertraulich zu behandeln.

CW: Gibt es hierfür irgendwelche Kontrollinstanzen?

Reinfried: Das ist eher eine Vertrauenssache.

CW: Welche Dienstleistungen liegen denn derzeit im Trend?

Reinfried: Die aktuellen Suchsysteme verfolgen derzeit ein Modell der kompletten Navigation. Dieses Modell ist stärker medienorientiert - anstelle einer übergreifenden Suchabfrage gibt es verschiedene Kanäle, die sich an Themen wie Sport oder Unterhaltung ausrichten. Dem werden noch Web-Dienstleistungen hinzugefügt wie Chat, vorgefertige Web-Touren oder die erwähnten Transaktionen mit Online-Shopping oder Reisebuchungen.

CW: Das klingt teuer. Ist Excite in der Lage, diese Investitionen selbst aufzubringen?

Reinfried: Die Investitionen sind in der Tat hoch. Excite hat zur Mitte dieses Jahrzehnts Venture-Kapital bekommen. Das brauchten wir, um durchzustarten und zu wachsen. Zwischenzeitlich haben wir über den Gang an die Börse und verschiedene Transaktionen mit Investoren wie AOL oder Tribune Kapitalzuflüsse erhalten.

CW: Investoren wollen Gewinne, Gewinne sind nur über Erfolg möglich. Wie beeinflußt die Technologie den Wettbewerb zwischen den Anbietern von Search Engines?

Reinfried: Es gibt nur drei oder vier sogenannte Major Players in den USA. Yahoo ist vom Aufbau her eher eine Katalogsuche in Seiten, die besucht und zugeordnet wurden. Die anderen Systeme wie Excite und Lycos starteten als reine Suchsysteme. Eine Spyder-Technologie durchforstet das Netz automatisch. Die Verfolgung von Links ist darauf ausgelegt, so viele Informationen zu sammeln wie möglich. Ein Algorithmus indiziert dann die Seiten. Abgesehen von der Qualität hat der Surfer eine größere Möglichkeit, auch hochspezialisierte Inhalte zu finden.

CW: Wird es Nischenspezialisierungen geben - Sport, Esoterik bei den einen, Politik und Wirtschaft bei den anderen?

Reinfried: Es gibt sicherlich Bereiche im Netz, in denen die Suchmaschinen versuchen, Vorreiterrollen einzunehmen. Der Erste zu sein hilft. Was aber alle verfolgen, ist die Darstellung eines umfassenden Bildes vom Netz - die Spartenkanäle werden entsprechend der Nachfrage weiter ausgebaut.

CW: Und wie sieht es bei den jetzt im Trend liegenden nationalen Suchseiten aus?

Reinfried: Anhand der Länderkennungen können wir feststellen, in welchem Land sich wie viele Seitenanbieter tummeln und welche Nachfragen aus diesen Ländern kommen. Daraufhin entscheiden wir, welche nationalen Suchmaschinen wir entwickeln. Wir haben jetzt Japan und Europa - speziell mit Deutschland und Frankreich als Hauptorientierungspunkten - im Programm. Anhand dieser Statistik entscheiden wir, was als nächstes folgt.

CW: Wie tief wird die Regionalisierung gehen - wird es bald eine bayerische und eine norddeutsche Suchmaschine geben?

Reinfried: Es existieren bereits diverse Städte-Yahoos in den Vereinigten Staaten. Wir werden sehen, wohin die Entwicklung steuert.

CW: Wird das Netz ähnlich wie das Fernsehen irgendwann alle Interessenten erreicht haben, so daß der Markt gesättigt ist?

Reinfried: Das Radio hat ungefähr 15 Jahre bis zu einer guten Durchdringungsrate benötigt, das Fernsehen nur noch zehn Jahre und Prognosen besagen, daß das Web in fünf bis sechs Jahren ähnlich häufig in den Haushalten vorhanden sein wird. Die Wachstumsrate ist nach wie vor extrem hoch - eine Sättigung wird sicherlich in den USA schneller erreicht sein als in anderen Ländern, aber in zehn Jahren wird das Netz ein sehr globales Medium sein.