Online-Recruiting

Von der Datenbank zum Karriereportal

02.02.2001
Die bloße Stellenanzeige im Web reicht längst nicht mehr aus, um Personalexperten und Bewerber gleichermaßen zu begeistern. Die Großen der Branche möchten sich zum Karriereportal weiterentwickeln und vom Image einer Datenbank im Netz distanzieren. CW-Mitarbeiterin Ingrid Weidner beleuchtet die virtuelle Jobszene.

Jobbörsen im Internet gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Schätzungsweise 700 Adressen sollen um die Gunst von Bewerbern und Personalexperten buhlen. Neben unabhängigen Anbietern stellt jedes größere Unternehmen seine eigenen Stellenangebote mittlerweile auf der eigenen Homepage ins Netz und bietet einen Online-Bewerbungsbogen dazu an. Verlage, die beim schwindenden Print-Stellenmarkt mithalten möchten, etablieren eigene virtuelle Jobbörsen. Dazu gehören so unterschiedliche Offerten wie das internationale Angebot von Jobuniverse des IDG-Verlags oder der bewährte Zeit-Robot der gleichnamigen Wochenzeitung aus Hamburg. Von speziellen Angeboten beispielsweise für Akademiker oder IT-Experten bis zum Stellenmarkt für jedermann bietet das Web jede Menge Datenbanken zur Wahl an.

Allerdings erhöht sich die Qualität nicht automatisch mit dem Überangebot. Soll das Angebot für Bewerber und Firmen attraktiv sein, müssen die Erwartungen an die technischen Anforderungen und gewünschten Serviceleistungen hoch sein. Gleichzeitig nutzen immer mehr Onliner die Angebote. Der Bundesverband der Personalvermittlung e.V. (BPV) befragte Ende vergangenen Jahres seine Mitglieder nach deren Nutzungsgewohnheiten von Jobbörsen bei der Personalvermittlung. Die BPV-Studie ergab, dass 86 Prozent aller Verbandsmitglieder mit einer eigenen Homepage online sind. Bei den Unternehmen schreiben nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelstags (DIHT) dagegen erst 60 Prozent ihre offenen Stellen im Netz aus.

Elektronische Stellenmärkte gehören mittlerweile zum festen Bestandteil des Personal-Recruitings. Firmen nutzen meistens mehrere Möglichkeiten gleichzeitig, um ihre offenen Stellen zu besetzen. Allerdings steckt das E-Recruitment noch in den Kinderschuhen. Das belegen auch die Ergebnisse der BPV-Studie: Nur 3,6 Prozent sind mit der Qualität der Online-Bewerbungen sehr zufrieden; zirka sieben Prozent zeigen sich mit der formalen Qualität der elektronisch eingegangenen Unterlagen unzufrieden. Gut die Hälfte der Befragten schätzten die Bewerbungsunterlagen allerdings als gut ein.

Schnelligkeit gehört zu den wichtigsten Argumenten für die virtuellen Stellenmärkte. Zwar lassen sich die freien Positionen schnell über das Web publizieren, doch wächst gleichzeitig der Druck, ebenso schnell auf die Anfragen der Interessenten zu antworten. Die Young Professionals sind mit dem nächsten Klick möglicherweise schon auf der Site des Konkurrenten und verschicken durch die einfache Handhabung und aufgrund der niedrigen Kosten meistens mehrere Bewerbungen gleichzeitig. Wer das Rennen um die klugen Köpfe gewinnen möchte, sollte als Personaler wesentlich schneller reagieren als bei einer schriftlichen Bewerbung. Sind dort zwei Wochen eine durchaus übliche Zeitspanne bis zur ersten Antwort, erwarten Bewerber bei einer Anfrage oder Bewerbung per E-Mail nach 24 Stunden eine Antwort oder zumindest einen Zwischenbescheid.

Konkurrenz um den besten ServiceIm Wettbewerb um die attraktivsten Positionen auf dem Stellenmarkt zeichnen sich seit dem vergangenen Jahr interessante Trends ab: Neben der internationalen Präsenz setzen die Anbieter auf zahlreiche zusätzliche Serviceangebote für Firmenkunden und Bewerber. Dazu gehören beispielsweise Bewerberprofile. Firmen oder Headhunter können in den hinterlegten Lebensläufen recherchieren und direkt mit Interessenten in Kontakt treten. Bewerber vereinfachen die eigene Jobsuche durch den anonymisierten Lebenslauf, indem sie sich beim Eingang einer passenden Stellenanzeige per E-Mail oder SMS benachrichtigen lassen.

"Die Kunden wollen die Leute auf dem Silbertablett präsentiert bekommen", so Stephan Lindenfeld, Unternehmenssprecher der Jobs & Adverts AG, Anbieter der Karriereplattform Jobpilot. Das 1995 gegründete Unternehmen wagte im April vergangenen Jahres den Börsengang. Allerdings rutschte der Aktienkurs mittlerweile vom Ausgabepreis von 23 Euro auf zirka 16 Euro ab.

Unternehmensgründer Roland Metzger hat im Gegensatz zur Konkurrenz aus den USA in erster Linie den kontinentalen Markt im Auge. Mit Tochtergesellschaften in 14 europäischen Ländern und drei weiteren in Asien setzt die Bad Homburger Aktiengesellschaft auf Expansionskurs. Nach den inhaltlichen Strategien befragt, erklärt Lindenfeld: "Wir bauen ein Karriereportal auf. Interessenten sollen unsere Site besuchen, wenn sie sich über Karrierechancen informieren möchten und nicht nur, wenn sie einen neuen Job suchen." Mit der Informationsplattform möchte Jobpilot das Vertrauen von Bewerbern und Firmen gleichermaßen gewinnen - eine wichtige Voraussetzung, um mit der virtuellen Plattform Geld zu verdienen. Denn Unternehmen sind durchaus bereit, für die Vermittlung geeigneter Kandidaten viel Geld auszugeben.

Mit der Übernahme des britischen Unternehmens Virtual Village kaufte die Jobs Adverts AG einen Anbieter von Workflow-Programmen zur Personalrekrutierung auf. Mit dieser Internet-gestützten Software soll den Personalern im Unternehmen die Arbeit erleichtert werden. Die Internet-basierende Software stellt das Unternehmen den Kunden als ASP (Application Service Providing) zur Verfügung. Recruiter können mit ihr Verwaltungsabläufe vereinfachen und den eigenen Stellenmarkt der Homepage zusammen mit den extern publizierten Angeboten verwalten.

Inzwischen gehören Zukäufe bei den Jobbörsen zur Tagesordnung. Hohe technische Anforderungen und personalintensiver Vertrieb erfordern viele Mitarbeiter. Service hat seinen Preis. Mit einem breiten, den ganzen Kontinent umfassenden Angebot wollen die Anbieter in die Gewinnzone vorrücken. Stepstone wurde 1996 in Oslo gegründet und ist ebenfalls europaweit aufgestellt. 1999 fusionierte der Internet-Jobanbieter mit Careernet und fasste in Deutschland Fuß. Gerade beschäftigt sich das Unternehmen mit der Integration des neuesten Zukaufs, des IT-Stellenmarkts DV-Job. In Zukunft tritt das Berliner Unternehmen nicht mehr als eigene Site auf, sondern unter dem Dach von Stepstone. Die Integration ist keine leichte Aufgabe für die Techniker. Attraktiv am Zukauf ist das von DV-Job entwickelte Tool "Smart Recherche", das bald den Kunden von Stepstone zur Verfügung stehen soll. Mit Hilfe eines Fragen-Pools möchte die Software das Anforderungsprofil des Jobs und geeignete Bewerber besser aufeinander abstimmen, um den möglichen Kandidaten schneller zu finden.

Geld verdienen mit LebensläufenAls dritter Big Player mischt seit Juni 2000 der US-Anbieter monster.com in Deutschland mit einer lokalen Site mit. Die Datenbanktechnik und das Corporate Design des Web-Auftritts des deutschen Ablegers in Wiesbaden entstehen ausschließlich in den USA. Lediglich Inhalte und Adaption an die lokalen Anforderungen werden vor Ort generiert. Deshalb kommt die deutsche Niederlassung mit vergleichsweise wenig eigenem Personal aus. "Der Fokus liegt für uns bei den Stellenangeboten und den Profilen von Bewerbern. Beim Content arbeiten wir mit Partnern", erklärt Gunther Batzke, Geschäftsführer von monster.de. Bei der internationalen Ausrichtung profitiert das Unternehmen von seiner starken Position in den USA. Von den zirka 15,2 Millionen Zugriffen weltweit träumt so mancher Anbieter.

Die Verwaltung der offenen Stellenangebote hat monster.de mithilfe eines Software-Tools komplett an seine Kunden ausgelagert. Personaler verwalten die offenen Stellen direkt mit eigenem Passwort und nehmen ein Angebot aus dem Netz, wenn der Job vergeben ist. Firmenkunden zahlen nur für den Zugang zur Datenbank, nicht für die erfolgreiche Vermittlung.

Allerdings wird heute keine Stellenbörse mit dem Verkauf elektronischer Anzeigen reich. Die inflationäre Menge an virtuellen Angeboten lässt die Preise fallen. Anders als bei Print-Anzeigen purzeln sie munter in den Keller. Die Zukunft soll attraktiven Lebensläufen gehören. Mit ihnen möchten die Stellenbörsen gut verdienen und sich ein weiteres Standbein aufbauen. Da talentierte Bewerber knapp sind, sammelt auch Monster fleißig Bewerberprofile, um den Firmen den Zugang zur Datenbank zu verkaufen. Die Bewerber entscheiden, welche Informationen sie anonymisieren und wie viel sie von ihrem Lebenslauf preisgeben wollen. Die beiden Mitbewerber Stepstone und Jobpilot versuchen ebenfalls, mit besseren Recherchemöglichkeiten und Lebensläufen von potenziellen Bewerbern neue Einnahmequellen zu erschließen.

Allerdings sagt die Menge der Lebensläufe in der Datenbank noch nichts über deren Qualität aus. Sind viele wichtige Informationen anonymisiert, sinkt die Aussagekraft der Profile weiter ab. Gerade Spitzenpositionen auf der Führungsebene dürften seltener über virtuelle Arbeitsmärkte vergeben werden, denn selbst wenn ein Bewerber Name und Alter nicht nennt, lässt sich anhand der Ausbildung und der letzten Arbeitgeber relativ schnell recherchieren, um wen es sich handelt. Trotzdem sehen die Jobbörsen in den hinterlegten Bewerberprofilen ein lukratives neues Geschäftsfeld. Fraglich ist allerdings, ob die Profile hochwertig und für die Firmen brauchbar sind. "Niemand bewirbt sich just for fun", glaubt Nicole Göttlicher, Unternehmenssprecherin von Stepstone, zu wissen. Schließlich gibt es für die Bewerber keine Prämie für einen hinterlegten Lebenslauf.

Die Stern-Studie "Trendprofile 12/00" zum Thema Online-Stellenbörsen nahm die tatsächlichen Nutzer der virtuellen Jobmärkte im Netz näher unter die Lupe. Angesichts der Zahlen macht sich erst einmal Ernüchterung breit: Bisher nutzen erst 14 Prozent der Online-User ihren Internet-Zugang, um in Stellenmärkten zu stöbern. Optimistisch dagegen klingen die Pläne von weiteren zwölf Prozent, die sich in den nächsten sechs Monaten damit beschäftigen möchten. 79 Prozent der Nutzer kommt es auf eine ausführliche Beschreibung der Jobs an, und 78 Prozent schätzen eine komfortable Suchfunktion, so dieUntersuchung.

Ernüchternd dürfte trotz intensiver Marketing-Aktionen so mancher Jobbörse das Ergebnis der Studie sein, wonach nur sechs der elf erhobenen Jobbörsen-Marken einen Bekanntheitsgrad von mehr als 30 Prozent besitzen. Dagegen kennen fast alle Nutzer die ein wenig antiquierte, dafür aber lang bewährte Adresse www.arbeitsamt.de. Nach der Stern-Studie ist der typische Jobbörsen-Nutzer zwischen 20 und 29 Jahre alt, befindet sich in Ausbildung oder arbeitet als leitender Angestellter. Insgesamt verfügen die User virtueller Stellenbörsen über ein hohes Bildungsniveau.

Im November vergangenen Jahres untersuchte die GfK Nürnberg im Auftrag von monster.de den neuen Wettbewerber im Umfeld der Hauptkonkurrenten Stepstone.de und Jobpilot.de. Die Marktforscher befragten Nutzer von Stellenbörsen mit Hilfe einer Surfübung. Personal-Recruiter und Stellensuchende im Alter von 21 bis 40 Jahren, die zwar mit dem Internet vertraut waren, aber über wenige Erfahrung mit Stellenbörsen verfügten, nahmen an der Untersuchung teil.

Nachdem monster.de die Ergebnisse nicht in einer Schublade verschwinden ließ, sondern stolz auf seiner Website publizierte, fiel das Ergebnis durchaus im Sinne des Auftraggebers aus. Eine kleine Überraschung bot der deutsche Markt dann doch für das durchweg freche, aus den USA stammende Design: Einige der deutschen Testsurfer bezeichneten das Layout zwar mit durchaus positiven Adjektiven wie "witzig" oder "attraktiv", aber ein anderer Teil der Probenutzer beschrieb die Site mit Begriffen wie "kindisch" und "unpassend für eine Stellenbörse".