Frankfurt holt als IuK-Standort auf

Von der Banker-City zum Internet-Knoten

24.10.2000
Von Helga Ballauf
Eine Stadt pflegt ihr Image: Banker-City - Mainhattan - Frankfurt. Geldinstitute, Börse, Messe und Flughafen prägen das traditionelle Bild der hessischen Kommune. Günstig gelegen im Zentrum Europas hat sich Frankfurt am Main außerdem einen Namen als IuK-Standort gemacht.

Sitz von über 8200 Unternehmen der Kommunikations- und Informationswirtschaft, deutscher Internet-Knoten, Niederlassungen aller wichtigen internationalen Telekommunikationsfirmen, 400 Werbe- und PR-Agenturen, 400 Verlage, Firmenzentralen aller Anbieter von Börsen- und Finanzinformationen. Frankfurt ist nicht mehr nur Bankenmetropole, sondern auch auf dem Weg zum profilierten Informations-, Kommunikations- und Medienstandort.

Natürlich wirbt die Stadt mit den guten Noten, die sie im alljährlichen Vergleich europäischer Städte des Maklerbüros Healey & Baker erhält.

Tradition und Moderne

Quelle: Presseamt Frankfurt/Main

Aus Sicht der befragten Unternehmen sind dabei der Marktzugang, die Transportmöglichkeiten und das TK-Angebot die entscheidenden Standortfaktoren. Das Internet ist das Symbol für virtuelle Geschäftsbeziehungen. Raum und Zeit scheinen bedeutungslos, wenn es darum geht, mit Hilfe dieses Mediums Informationen zu suchen, Waren und Dienstleistungen anzubieten oder zu verkaufen. Weit gefehlt. Frankfurt hat den Zuschlag als zentraler deutscher Internet-Knoten DE-CIX (Deutscher Commercial Internet Exchance) gerade deshalb erhalten, weil es bereits als führender Handelsplatz für TK- und Internet-Dienste gilt. Umgekehrt werben Frankfurter Internet-Provider nun mit ihrer Nähe zum DE-CIX-Knoten: So funktioniere die Datenübertragung schneller, sicherer und besser.

Tatsächlich ist der von der Firma Interxion Telecom betriebene Austauschknoten so etwas wie ein Hochsicherheitstrakt: ein leistungsfähiges Rechenzentrum mit eigener ausfallsicheren Stromversorgung, Klimatisierung, umfangreichen Zutrittssicherungen und einer Rund-um-die-Uhr-Überwachung. Der Verband der deutschen Internet-Wirtschaft, Electronic Commerce Forum (eco) will den Frankfurter Knoten in den kommenden Jahren "zur größten Internet-Drehscheibe in Europa ausbauen." Was die Qualität der TK-Systeme angeht, ist Frankfurt im European Cities Monitor von Healey & Baker mittlerweile sogar auf Platz zwei vorgerückt.

Zweifelsohne verfügt die Stadt über eine stattliche Anzahl von TK-Anbietern: Von den 153 Firmen, die Ende November 1999 eine Lizenz "zur Erbringung von Sprachtelefondienst auf der Basis selbst betriebener Telekommunikationsnetze" hatten, haben 22 ihren Sitz in Frankfurt, von den 54 bundesweit nutzbaren Anbietern sind allein 15 in der Mainmetropole beheimatet. Ähnlich sieht es bei den Lizenzen für die Übertragungswege aus: von 14 bundesweit agierenden Firmen haben sechs ihre Zentrale in Frankfurt. Mannesmann Arcor gehört zu den wichtigen TK-Anbietern im Rhein-Main-Gebiet. "Die Banken- und Dienstleistungsmetropole Frankfurt hat einen besonders hohen Bedarf an innovativen TK-Lösungen", betont Arcor-Sprecher Thomas Rompczyk. Gefragt sind vor allem Nachrichtentechniker, Informatiker, Wirtschaftswissenschaftler und Juristen - gesucht wird bundesweit.

Arcor beschäftigt rund 2000 Mitarbeiter in Frankfurt und Eschborn. Den Bewerbern sollte klar sein, so der Firmensprecher, "dass Telekommunikation eine Dienstleistung ist. Diese Mentalität müssen künftige Mitarbeiter besitzen, ganz abgesehen von der Fachkompetenz." Welche Firmen im Frankfurter Raum suchen IT-Mitarbeiter? Nach einer stichprobenartigen Untersuchung des Stellenmarktes sind dies Fluggesellschaften, Banken und ihre selbständigen IT-Abteilungen, die Messe, TK-Anbieter, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater, Call Center und Informationsaufbereiter - aus den Bereichen Medizin und Sprache.

Quelle: Presseamt Frankfurt/Main

Im Europavergleich von Healey & Baker erreicht die Stadt am Main zwischen Taunus und Odenwald beim Thema Personal jedoch keine guten Noten. Das liegt nicht nur an den - im Vergleich etwa zu Lissabon oder Dublin - hohen Löhnen, die in Frankfurt zu zahlen sind. Ansiedlungswillige Firmen glauben auch, dass es nicht leicht ist, geeignete Mitarbeiter zu finden. Ein wichtiger Grund: Die Lebensqualität der Stadt schätzen sie als nicht sehr hoch ein. An diesem Negativ-Image können auch Verweise auf die 1200-jährige Geschichte, auf den berühmten Sohn Goethe und auf die Tradition als Buch- und Literaturmetropole nicht rütteln.

Paulskirche

Quelle: Presseamt Frankfurt/Main

Frankfurt gilt vor allem als Zentrum der Arbeit. Nicht ohne Grund: Die Stadt hat 652 000 Einwohner, beschäftigt jedoch 560 000 Erwerbstätige. Für dieses Missverhältnis sind die zahlreichen Pendler verantwortlich, die nur der Job in die Bankercity führt und die teilweise sogar in Stuttgart wohnen. Wer im Raum Frankfurt IT-Personal sucht, hat es nicht leicht. Damit sich die Situation in Zukunft entspannt, setzt die Region auf informationstechnische Aus- und Weiterbildung. Die Fachhochschule Darmstadt startete im Herbst 1999 ein Bachelor-Studium für Informatiker. An der Frankfurter FH sind das Institut für Automatisierungstechnik und Integrierte Produktionstechnik sowie das Hessische Zentrum für Qualitätssicherung und -management angesiedelt. Neben den Studiengängen für Informatik und Ingenieursinformatik bietet die Hochschule eine berufliche

Weiterbildung in Technischer Dokumentation an.

Das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) prognostiziert eine Zunahme der Arbeitsplätze in der Rhein-Main-Region. "Motor des Beschäftigungswachstums" sind  kleine Dienstleistungsfirmen. In den Augen von Hans-Joachim Reinhardt von der IHK In Frankfurt ist das keine neue Entwicklung. Seit Jahren unterstützt die Kammer Klein- und Mittelunternehmen im Umgang mit IT und Multimedia. Reinhardt ist überzeugt davon, dass nicht nur der Geschäftserfolg der Newcomer, sondern auch die Zukunft des alteingesessenen Mittelstandes maßgeblich von Innovationen in diesem Bereich abhängt. Die IHK unterstützt die Firmen bei der Hard- und Softwareauswahl und auf dem Weg zum E-Commerce.

Twinwave-Geschäftsführerin Gläsener-Cipollone nutzt die Mitarbeit in IHK-Ausschüssen fürs "persönliche Networking". Der Aufbau eines dichten Netzes von Ansprechpartnern sei in der Branche ein zentraler Erfolgsfaktor. Aufgrund eigener Erfahrungen bei der Suche nach Investitionshilfe wünscht sie sich, "dass kleine Firmen in Nischenmärkten leichter an Venture Capital herankommen. Da haben es Jungunternehmer in München viel leichter als in Frankfurt." Noch von der alten SPD-Regierung wurde die Landesinitiative "Hessen-media" gestartet. Der Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) führt sie fort: "Die Rhein-Main-Region ist einer der stärksten und attrakivsten Medien- und Kommunikationsstandorte in Deutschland und Europa. Hessen hat auch gute Voraussetzungen, um im Zukunftsmarkt Multimedia vorn mitzuwirken."

Ein Beispiel ist die Informationsinfrastruktur rund um die Börse. Xetra als Handelsplattform für Online-Broking mache zwar dem traditionellen Aktiengeschäft auf dem Börsenparkett starke Konkurrenz, sagt Posch. Andererseits siedelten sich diverse multimediale Börseninfo-Dienste und Fernsehsender wie Bloomberg TV oder Reuters TV neu an. Diese Entwicklung und die zunehmende Bedeutung des Internet können nach Ansicht des hessischen Wirtschaftsministers über kurz oder lang zu einer Situation wie in den USA führen, wo sich Verlage, Multimediahäuser, Film- und Fernsehgesellschaften und Computerfirmen zu international opiererenden Allianzen zusammen finden.

Ganz in diesem Sinn will "Hessen-media" die einheimischen Firmen im globalen Wettbewerb stärken. Eine der Aktivitäten heißt "Hessen-software". Die Initiative "will die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Softwareproduzenten und- dienstleister in Hessen verbessern und einen Beitrag leisten, gerade die kleinen und mittleren Unternehmen dieser aufstrebenden Branche beim Auf- und Ausbau ihrer Marktposition zu unterstützen", so die Selbstdarstellung. Mehr als 1700 Softwarefirmen im Land sind erfasst. Viele von ihnen sind Zulieferer der Automobilindustrie und von Maschinenbauunternehmen, der Medienwirtschaft sowie der Chemie- und Pharmabranche. Die Initiative bietet neben einer Firmendatenbank im Internet ein Kennzahlen gestütztes Finanz- und Projektcontrolling an. Hintergrund: Viele kleine und mittlere Softwareunternehmen sind bereits wieder vom Markt verschwunden, weil die kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse

fehlten.

Quelle: Presseamt Frankfurt/Main

Ein Branchenvergleich mit Hilfe der Kennzahlen soll helfen, rechtzeitig die wunden Punkte im eigenen Betrieb zu erkennen. Schließlich bemüht sich die Hessische Technologiestiftung auf diesem Weg, branchenspezifische Kompetenznetze aufzubauen, um Erfahrungsaustausch und Kooperationen zwischen den Softwarespezialisten anzuregen. Last, but not least, soll die "Stellenbörse" unter www.hessen-software.de den Firmen bei der Suche nach qualifiziertem Personal helfen und umgekehrt.