Interview mit Rüdiger Spies, IDC

Von BI zum Information Management

14.05.2007
Rüdiger Spies ist als Independent Vice President Enterprise Applications bei IDC spezialisiert auf die Themengebiete erweiterte Enterprise Applications wie ERP, CRM, SCM, Data Warehouse/Analytics, EAI, Anwendungsarchitekturen, Intellectual Property Management und Open Source.

Verändert die Übernahme von Hyperion durch Oracle den deutschen BI-Markt?

Es ist in Zeichen dafür, dass Oracle erneute Anstrengungen unternimmt, um im deutschen Application-Markt Fuß zu fassen. Bisher war Oracle gegen die SAP-Übermacht in Deutschland ja wenig erfolgreich. Hyperion hingegen hat im deutschsprachigen Raum eine gute Verbreitung, gerade weil in vielen Unternehmen die Hyperion-Software zusätzlich zu SAP eingesetzt wird, um den Finanzabteilungen die Möglichkeit zu schaffen, mit anderen Tools als dem transaktionsbasierten SAP ihrer Controlling-Funktion nachzukommen. Insofern bringt sich Oracle bei solchen Kunden ins Gesrpäch, die SAP im Einsatz haben. Und zwar auf einer Unternehmensebene weit weg von der eigentlichen IT.

Wird das Kalkül von Oracle aufgehen?

Das hängt davon ab, wie geschickt Oracle mit dieser neuen Trumpfkarte umgeht. Natürlich ist nicht zu erwarten, dass Unternehmen jetzt plötzlich ihre SAP-Landschaft durch Oracle-Applications ersetzen. Aber gerade im Zuge von SOA und der Flexibilisierung der Applikationsarchitekturen wird es einfacher,Teile unterschiedlicher Applikationen miteinander zu verbinden.Die Auflösung von monolithischen Anwendungsblöcken wird ja sowohl von SAP als auch von IBM und Oracle betrieben.

Aber die Übernahme ist ein weiteres Signal für den sich konsolidierenden BI-Markt?

Auf jeden Fall. Die Anzahl der Anbieter geht weiter zurück, und es gruppiert sich alles um die großen ERP-Anbieter herum. IBM hat im letzten Jahr mit dem Integration-Server ein Zeichen gesetzt, dass sie sich verstärkt in diesem Bereich positionieren wollen.Bisher noch weitgehend unbemerkt, unternimmt HP große Anstrengungen, um in diesem Feld mitzumischen. Zwar verfügt HP über keine eigene BI-Software für End-User, doch HP hat eine eigene Mannschaft für BI-Services aufgebaut.

Wie sehen Sie die Entwicklung im BI-Markt?

Hier eröffnet sich vor allem mit der Integration unstrukturierter Daten ein neues Feld. Das führt dann in Bereiche wie Information Management, Knowlegde Management oder Enterprise Content Management. Es bleibt für mich eine Frage, wie lange die großen unabhängigen BI-Anbieter wie Cognos oder Business Objects ihre Unabhängigkeit noch bewahren können. Die BI-Spezialisten sind zunehmend attraktiv für große Applikationsanbieter, weil sie über funktionstüchtige und erprobte Data-Warehouse-Plattformen verfügen. Ich bin überzeugt, dass das Thema Information Management nach SOA zum nächsten großen Trend in der IT wird.

Lässt sich das aus der Strategie der großen Anbieter ablesen?

Es gibt bisher weder eine einheitliche Plattform noch eine definierte Architektur. Aber bei den großen Applikationsanbietern sieht man deutliche Zeichen in diese Richtung: IBM hat sich durch den ECM-Anbieter Filenet verstärkt, Oracle hatte schon vor Hyperion den Spezialisten für Dokumenten-Management, Stellent, übernommen. Microsoft ist mit dem Sharepoint-Server 2007 auf dem gleichen Weg, HP hat eine eigene Mannschaft für BI-Services aufgebaut, und SAP ist mit dem eigenen Enterprise-Search-Produkt – mit der Betonung auf Knowledge-Management oder Knowledge-Capital – in diese Richtung unterwegs.

Also Information Management statt BI?

Der Erfolg der Anbieter wird von der Vollständigkeit der Plattform und der Integration der einzelnen Funktionen und Module abhängen. Denn der Zukauf von Spezialanbietern bringt nicht automatisch eine homogene Plattform – da ist viel Integrationsarbeit nötig. Zukünftig wird es vermehrt um Workflow-Komponenten gehen. Ich sehe die Tendenz, dass, häufig getrieben durch CRM, ein wenig Abstand genommen wird von der reinen Lehre der Trennung von dispositiven und operativen Daten. Denn beim CRM wird die zeitliche Lücke zwischen aktuellen Applikationsdaten und Data-Warehouse-Daten besonders deutlich. Um das zu beheben, wurden sowohl EAI-Methoden als auch ETL-Tools eingesetzt. Dabei zeigte sich, dass sie sich von der grundsätzlichen Technologie her doch nicht so weitgehend unterscheiden. Der Trend geht in Richtung umfassender Plattformen, die strukturierte und unstrukturierte Daten integrieren und mit Workflow-Komponenten kombinieren, sodass ein unternehmensweites Information Management möglich wird. Die klassischen BI-Funktionen bilden dabei einen zentralen Baustein.