Kolumne

Vom Würfel besessen?

19.01.2001
Christoph Witte, Chefredakteur CW

Als Apple-Chef Steven Jobs im Januar 2000 endlich aufhörte, sich als Interims-CEO zu bezeichnen, haben Analysten und Anwender aufgeatmet. Mit den bunten Imacs und dem Traum aller designbewussten Karrierefrauen, dem I-Book, bewies er den richtigen Riecher. Außerdem schaffte er Ordnung in Produktion und Vertrieb, straffte die Produktpalette und brachte den Lagerbestand auf Werte, die mit denen von Dell vergleichbar waren. Er führe das Unternehmen, schrieb die "Business Week" im Januar 2000, wie "ein Startup", sprich: Er mischte sich überall ein, und praktisch alles gelang. Bis zum dritten Quartal letzten Jahres: Umsatz- und Gewinnwarnung. Schlimmer noch, Jobs musste eingestehen, dass die Absatzzahlen des neuen Vorzeigeproduktes Apple Cube weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben waren.

Als auch eine drastische Preissenkung die Zahlen im vierten Quartal nicht verbesserte, sondern Apple sogar vor Verlusten warnte, holte Jobs zum vermeintlichen Befreiungsschlag aus und kündigte Anfang Januar auf der Macworld in San Franzisko Hardware an. Für Schlagzeilen sorgte vor allem der neue Powermac G4 mit hochgetaktetem Power-PC-Chip und einem Superdrive genannten Laufwerk, in dem sowohl CDs als auch DVDs abgespielt und gebrannt werden können. Außerdem wurde ein neues Highend-Laptop angekündigt, das dank Titan-Gehäuse wunderschön aussieht, dessen Leistungen aber keineswegs einzigartig sind. Hier wiederholt Jobs den Fehler, den er bereits beim Cube gemacht hat: Die Rechner weisen alles auf, was das Techno-Herz eines Apple-Fans begehrt, aber sie sind teuer und nehmen kaum Rücksicht auf die installierte Wirklichkeit außerhalb der Apple-Welt. Der Aufwand, vom PC auf Apple umzusteigen, wäre aufgrund hoher Investitionen in Software und Schulung enorm, wobei die ursprünglichen Vorteile der besseren Handhabbarkeit und Benutzerführung weiter an Bedeutung verlieren.

Hier liegt der eigentliche Grund, warum Apple keine Marktanteile gewinnen und seinen Rechnerabsatz nicht in benötigtem Maße erhöhen kann. Die Rechner sind bestens geeignet für eine relativ kleine Nische im Publishing-Segment, in anderen Bereichen sind sie als inkompatibel stigmatisiert. Ein Defizit, das durch den Apple-Nimbus immer weniger wettgemacht werden kann.