Vom Wohl und Wehe der Online-Werbung

11.05.2007
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Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Das Geschäft mit der Online-Werbung boomt wie nie zuvor. Zielgruppengerichtete Anzeigen und andere neuartige Ausformungen digitaler Kaufempfehlungen erobern den Markt. Die Aufmerksamkeit für klassische Werbebanner geht indes zurück.

Allein im vergangenen Jahr investierten deutsche Unternehmen über 1,9 Milliarden Euro in Online-Werbung. Herkömmliche Display-Anzeigen wie Banner (900 Millionen Euro) sind zwar weiter beliebt, spielen aber nicht mehr lange die führende Rolle. Immer häufiger geben Keyword Advertising und andere zielgruppengerichtete Werbeformen den Ton an (Anteil: 850 Millionen Euro Ausgaben). Erstmals sind laut einer aktuellen Studie von ARD und ZDF mit 40 Millionen Anwendern mehr als die Hälfte aller Deutschen im Netz, das Internet macht mittlerweile mehr als 20 Prozent der gesamten Mediennutzung aus. Suchmaschinen und Webkataloge sind zum zweitbeliebtesten Weg der Informationsbeschaffung nach dem Fernsehen aufgestiegen. Kein Wunder also, dass Keyword Advertising gerade in Suchmaschinen wie Google immer beliebter wird.

Daniel Grözinger, Gründer des von Syzygy übernommenen Online-Marketingunternehmens GFEH, hält das klassische Display Advertising dennoch auch in Zukunft für sinnvoll: "Es ist die ideale Maßnahme, um komplexere Botschaften zu transportieren und Markenbekanntheit zu erzeugen". Zielgruppen- und Suchwort-abhängige Anzeigenformen sprächen den Nutzer dagegen direkt an und zwar genau in dem Moment, in dem er Informationen haben wolle und sich in einer Entscheidungsphase befinde. Einen Konkurrenzkampf zwischen beiden Werbeformen gebe es nicht, da mit der richtigen Mischung Kunden in allen Lagen angesprochen werden könnten, so Grözinger.

Offizielle Zahlen belegen seine These: Eine vom Atlas Institut durchgeführte Studie ermittelte eine Steigerung der Konversionsrate der werbenden Unternehmen um 22 Prozent bei einem kombinierten Einsatz beider Werbeformen. Analysten erwarten, dass diese Werte in Zukunft weiter steigen werden. Nur Werbekonzepte, die alle Kanäle gleichermaßen abdecken, können demnach langfristig gute Erfolge erzielen.

Klassische Online-Anzeigen verlieren an Durchschlagskraft

Videowerbung wird gut geklickt, klassische Banner dagegen nicht – so die Ergebnisse der aktuellen AdTech-Studie (Mai 2007) über die Klickraten bei verschiedenen Online-Werbeformen im europäischen Vergleich.
Videowerbung wird gut geklickt, klassische Banner dagegen nicht – so die Ergebnisse der aktuellen AdTech-Studie (Mai 2007) über die Klickraten bei verschiedenen Online-Werbeformen im europäischen Vergleich.
Foto: AdTech

Gerade die althergebrachten Display-Anzeigenformen haben aber auch Kehrseiten, die immer mehr zu Tage treten: Die ursprünglichste aller Online-Anzeigen - das Banner - wird immer seltener angeklickt. Das Frankfurter Unternehmen AdTech, ein weltweit agierender Anbieter von Servertechnik für Anzeigenvermarktung, ermittelte in einer neuen Marktanalyse einen Rekord-Tiefstand in den Aufrufen von Online-Werbung. Lediglich 0,18 Prozent aller angezeigten Werbe-Elemente würden von europäischen Anwendern noch angeklickt. Nur aufdringlichere Formen wie Pop-up-Fenster und Video-Anzeigen werden im gesamten europäischen Raum noch häufiger abgerufen - klassische horizontale oder vertikale Banner ignorieren die Surfer zusehends. Wie oft eine Werbung geklickt wird, hängt nach den Ergebnissen der Erhebung auch vom Herkunftsland des Nutzers ab. Skandinavische Anwender scheinen wesentlich werberesistenter zu sein als Südeuropäer: Etwas mehr als zwei von 1000 Franzosen und Italiener klicken auf Online-Werbung, hingegen ruft nur einer von 1000 Dänen und Finnen Anzeigen auf. Deutschland liegt mit 0,17 Prozent im europäischen Mittelfeld.

Kreative Gesamt-Werbekonzepte sind gefragt

"Die fallenden Werbe-Klick-Raten sind auf die Gewöhnung der Anwender an die Anzeigen zurückzuführen. Banner sind nichts Besonderes mehr, der Nutzer nimmt sie oft gar nicht mehr richtig wahr", so AdTech-CEO Dirk Freytag. Es seien ganz neue Werbeformen nötig, um Interesse zu wecken und Klicks zu erzeugen. Einen guten Anfang stellten direkt in die Seiten eingebundene Videoclips dar. Zielgruppengerichtete Anzeigen und schwer zu blockende Flash-Layer-Werbung erzielten dazu auch weit über das Netz hinaus große Wirkung auf die Kunden, sagt Freytag. Dennoch belegt die AdTech-Studie, dass auch "Leaderboard" - Werbeanzeigen, die den Interessen der Besucher angepasst werden - nur niedrige Klickraten aufweisen. Durch die zielgruppengerichtete Platzierung und das damit einhergehende größere Interesse der Kunden relativiert sich dieses Verhältnis aber wieder.

Auch neuartige Banner-Formate wie überdimensionierte "Skryscraper"-Anzeigen konnten sich unter den Anwendern in punkto Klicks nicht behaupten. Umso wichtiger ist es für die Unternehmen, die per Banner geschalteten Werbebotschaften direkt in der Anzeige unterzubringen, sodass eine nähere Betrachtung via Klick gar nicht erst notwendig wird.

Um den aktuellen Boom der Online-Werbung fortsetzen zu können, sind also immer wieder neue kreative Gesamtkonzepte gefragt. Keyword-gerichtete Werbung für mobile Suchdienste scheint da nur der Anfang zu sein.