Vom Tekki zum Mekki

13.02.2007
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Die IT-Welt verlangt zunehmend nach Mitarbeiter mit Beratungskompetenz. Sie sollen sich nicht nur um die technische Umsetzung, sondern um das Kerngeschäft kümmern und die IT entsprechend mitgestalten.

Die Anforderungen an die IT-Mitarbeiter haben sich verändert. Der Trend, so die einhellige Meinung von CIOs, die sich Ende vergangenen Jahres im Rahmen der "CIO Agenda 2007" der computerwoche zu Arbeitsgruppen trafen, geht in Anwenderunternehmen weg vom Techniker und hin zum Berater. So erklärte Martin Urban, Leiter der Geschäftseinheit IT bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben: "Viele Mitarbeiter müssen sich entscheiden zwischen einem Job als Tekki oder als Mekki." (Anmerkung der Redaktion: Mekki gilt als Assoziation für McKinsey-Berater).

Hier lesen Sie ...

  • wie sich der IT-Arbeitsmarkt wandelt;

  • welche Aufgaben der neue Mitarbeitertypus übernimmt;

  • wo der Wandel bereits Einzug gehalten hat.

Dass sich die Anforderungen geändert haben, ist dem Branchenverband Bitkom nicht verborgen geblieben: "Die Zeiten, in denen IT-Fachkräfte ausschließlich technische Fertigkeiten mitbringen mussten, sind definitiv vorbei", bekräftigt denn auch dessen Arbeitsmarktexperte Stephan Pfisterer. Fachliches Wissen werde erst durch entsprechendes Know-how über Geschäftsprozesse, Kundenanforderungen und vorhandene IT-Infrastrukturen produktiv. Der Bitkom-Mann: "Jedes IT-Projekt ist auch ein Beratungsprojekt und dient der Organisations- und Geschäftsprozess-Entwicklung."

Lernen für die globale Welt

Stephan Pfisterer, Bitkom: "Jedes IT-Projekt ist auch ein Beratungsprojekt."
Stephan Pfisterer, Bitkom: "Jedes IT-Projekt ist auch ein Beratungsprojekt."
Foto: Stephan Pfisterer

Allerdings stehen laut Pfisterer nicht alle Computerfachleute dieser Entwicklung aufgeschlossen gegenüber. Schließlich würden sich die Kompetenzprofile von "Nur-Technologen" (Tekki) und prozessorientierten Informatikern (Mekkis) sehr voneinander unterscheiden. Pfisterer: "Ob die IT-Profis es mögen oder nicht: Sie sollten sich auf alle Fälle darauf einstellen."

Der Bitkom-Experte empfiehlt, bereits während des Studiums entsprechende Schwerpunkte zu setzen. Sowohl betriebswirtschaftliches Wissen als auch diverse Praktika sind seiner Meinung nach für das spätere Berufsleben von großem Vorteil. "Die IT-Branche vermisst im Hochschullehrplan eine stärkere Berücksichtigung von IT-Servicethemen", so Pfisterer. Der Bitkom führt derzeit mit einer Reihe von Hochschulen Gespräche, um diese Kompetenzen in den IT-Studiengängen gezielt zu fördern.

Christoph Niewerth, Münchner Niederlassungsleiter des Personaldienstleisters Hays, beobachtet die veränderten Bedürfnisse der Kunden sehr genau: "Auf der Prioritätenliste ganz oben stehen zurzeit die so genannten Mekkis. Diese IT-Profis werden benötigt, um Offshoring- und Outsourcing-Projekte zu planen, zu koordinieren, zu integrieren und zu steuern. Dafür müssen sie technisch und vor allem organisatorisch fit sein." Schließlich würden in der globalen Welt nicht nur etliche Programmier-Jobs ins Ausland verlagert, sondern hierzulande gleichzeitig neue, hoch qualifizierte Aufgaben entstehen. Während in Offshore-Projekten zumeist Integratoren gefragt seien, müssten im Outsourcing nicht selten "Ausputzer" Vorhaben in Schieflage retten. Eine wichtige Rolle spielen seiner Meinung nach qualifizierte Computerfachleute bei Mergern und Fusionen. Niewerth: "Wenn nach einem Zusammenschluss die IT-Welten der Unternehmen koordiniert und zusammengelegt werden müssen, sind Experten gefragt, die über Branchenwissen verfügen und vor allem sozial kompetent sind. Schließlich kommen die Mitarbeiter aus verschiedenen Unternehmenskulturen - was nicht selten den Einsatz eines Supervisors erfordert."

Anwendersprache verstehen

Werner Scherer, Döhler-Gruppe: "Einige IT-Profis waren nicht an Prozessen, sondern nur am Codieren interessiert."
Werner Scherer, Döhler-Gruppe: "Einige IT-Profis waren nicht an Prozessen, sondern nur am Codieren interessiert."
Foto: Werner Scherer

Dass der reine Codierer auf dem deutschen Arbeitsmarkt in naher Zukunft Probleme bekommen wird, davon ist der Hays-Manager überzeugt. Allerdings könne die jetzige gute Konjunktur leicht dazu führen, diese Gefahr zu verdrängen. Niewerth: "Hightech-Profis sollten sich von der Aufbruchstimmung auf keinen Fall in Sicherheit wiegen lassen, sondern sich permanent weiterbilden. Das ist der einzige Garant, in schlechteren Zeiten nicht zu den Verlierern zu gehören." Für die Informatiker beispielsweise sei es wichtig, bereits während der Ausbildung über den IT-Tellerrand zu schauen. Neben diversen Praktika empfiehlt Niewerth, sich in einer studentischen Unternehmensberatung oder einem Verein zu engagieren: "Jede Aktivität außerhalb der reinen IT zahlt sich erfahrungsgemäß im Berufsleben aus."

Bei der Döhler Gruppe in Darmstadt gehören Schnelligkeit und Wandel schon längst zum beruflichen Alltag. Wer permanent Grundstoffe und Ingredienzien für die Getränkeindustrie produziert, muss fit sein. CIO Werner Scherer: "Computerfachleute und IT-Abteilungen, die bestehen wollen, müssen sich wandeln. Aus dem Techniker wird der Organisator und Consultant, der die Geschäftsprozesse kennt und den Nutzen der IT im Unternehmen steigert." Um hier erfolgreich zu agieren, sei es wichtig, die Sprache der Anwender zu lernen und diese dazu zu bringen, über ihre tatsächlichen Probleme und Wünsche zu sprechen. Scherer: "IT-Profis sollten sich allerdings nicht auf eine technische Diskussion einlassen. Zu Hause einen PC stehen zu haben heißt nicht zu wissen, wie SAP-Software konfiguriert wird." Er vergleicht seine Anwender mit Autofahrern: "Nicht jeder, der ins Auto steigt, muss gleich alle technischen Details kennen. Er muss allerdings wissen, wo er hinfahren will."

Der CIO ist gefragt

Der Wandel vom Tekki zum Mekki hat in der IT-Abteilung der Döhler-Gruppe in den letzten Jahren eine größere Fluktuation zur Folge gehabt. Scherer: "Einige der IT-Profis waren nicht an Prozessen, sondern am reinen Codieren interessiert. Also haben sie sich beruflich anders orientiert." So seien viele bei SAP oder anderen großen Unternehmen untergekommen. Zu der Umstellung haben sich laut Scherer immerhin um die 50 Prozent der IT-Profis bereit erklärt. Allerdings sei der Wandel nicht einfach und müsse durch ständige Fortbildung inklusive Coaching unterstützt werden. Der IT-Verantwortliche: "Hier ist auf jeden Fall der CIO gefragt. Am besten wirkt er an den Prozess-Diskussionen zwischen IT- und Fachabteilung mit und verhindert, dass die Gespräche zu technisch werden. Wenn die Potenziale in den Geschäftsprozessen besprochen werden, wird der größte Schulungseffekt erreicht."

Bindeglied Process Manager

Für die Qualifizierung neuer Mitarbeiter stehen im Unternehmen Berater oder ein Senior bereit. Die Vorreiterrolle der Döhler Gruppe in puncto Organisation hat sich mittlerweile herumgesprochen. "Offenbar haben wir den Wandel ganz gut hinbekommen. Warum sonst kommen so viele Kollegen aus anderen Firmen, um sich bei uns umzuschauen", so Scherer stolz. Vor allem die Funktion des Process Managers, der in der Fachabteilung als treibende Kraft eingesetzt wird, erregt seiner Meinung nach großes Interesse. Trotz aller Fortschritte steht für den CIO fest, dass der Wandel in der IT in seinem Unternehmen noch längst nicht beendet ist.

Ulrich Vollert, KKH: "Die IT muss sich stärker um die Frage des Nutzens für das Unternehmen beschäftigen."
Ulrich Vollert, KKH: "Die IT muss sich stärker um die Frage des Nutzens für das Unternehmen beschäftigen."
Foto: Ulrich Vollert

Ulrich Vollert, IT-Hauptabteilungsleiter bei der Kaufmännischen Krankenkasse, erwartet für die IT nicht nur im Zuge der Gesundheitsreform große Veränderungen. Die "Roadmap 2001", in der die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) ihre Strategie festschrieb, stellt den IT-Hauptabteilungsleiter vor die Aufgabe, Systeme und Mannschaft so aufzustellen, dass die IT alle künftigen Anforderungen erfüllen kann. Um das zu erreichen, plädiert Vollert ebenfalls für Veränderungen: "Dazu gehört allerdings mehr als der Wandel vom Tekki zum Mekki. Die IT selbst muss sich stärker mit der Frage ihres Nutzens für das Unternehmen beschäftigen." Gleichzeitig braucht sie eine stärkere technologische Spezialisierung. Die Internet-Welt bietet für Vollert ein gutes Beispiel: "Hier werden vor allem Web-Designer und Architekten benötigt - also technische Spezialisten par excellence." Für den IT-Verantwortlichen steht fest, dass es zunehmend wichtiger wird, unterschiedliche Komponenten zusammenzubinden. Dafür seien Mitarbeiter mit BWL-Know-how, aber auch Kollegen mit IT-Architektur-Wissen erforderlich.

Ein anderes Beispiel für die Spezialisierung ist nach Vollerts Meinung das Thema SOA: "Auch hier benötigen wir IT-Fachleute, die architektonisch denken und über eine konzeptionelle Weitsicht verfügen." Der "Universalentwickler", davon ist der KKH-Manager überzeugt, hat in der IT-Welt ausgedient. Die Zukunft gehöre den Mekkis und den IT-Profis mit Spezial-Know-how. In den neuen Entwicklungsprojekten der KKH hat der Wandel bereits Einzug gehalten. Vollert: "Die Rollen sind stärker ausgeprägt. Es gibt Architekten, Business-Analysten, Implementierer und Technologiespezialisten - ihr Einsatz wird vom Projektleiter orchestriert und gesteuert." Früher sei der Projektleiter oft der beste technische Fachmann gewesen; heute dagegen benötigen diese Personen Projekt-Management-Know-how, Organisationstalent und Weitblick.