Vom Server- zum Service-Provider

04.07.2006
Von Heinz-Joachim Schmitz 
Wie die Virtualisierung die Grundlage für zukunftsweisende IT-Konzepte legt.
Virtualisierung fasst bislang isolierte Ressourcen in Pools zusammen, um ihren Nutzungsgrad zu erhöhen.
Virtualisierung fasst bislang isolierte Ressourcen in Pools zusammen, um ihren Nutzungsgrad zu erhöhen.

Mehr Effizienz, mehr Leistung, mehr Flexibilität - so lässt sich kurz gefasst der Wunschtraum vieler CIOs beschreiben. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel ist die Virtualisierung. Während bislang meist nur einzelne Komponenten wie Server oder Speichersysteme virtualisiert wurden, geht die Entwicklung dahin, die gesamte Infrastruktur einzubeziehen - von den Servern über die Speichersysteme bis hin zum Netzwerk. Das Ergebnis ist nicht nur eine bessere Auslastung der IT, sondern es ergeben sich auch neue Möglichkeiten für das IT-Service-Management. Da alle für den Betrieb von Applikationen notwendigen Komponenten flexibel verfügbar sind, kann sich die IT-Abteilung vom "Server-Provider" zum "Service-Provider" entwickeln.

Virtualisierung als Kostenkiller

Das SAP Hochschul-Competence-Center (HCC) der Universität Magdeburg setzt eine Service-orientierte Virtualisierungslösung bereits produktiv ein. Beim SAP HCC in Magdeburg handelt es sich um eines der größten universitären Rechenzentren in ganz Deutschland. Es bedient über 100 Hochschulen, Institute, Fachhochschulen und andere akademische Einrichtungen als Application Service Provider mit SAP-Anwendungen. Rund 40 000 User beziehen vom HCC die Mysap Business Suite "aus der Steckdose".

"Die Virtualisierung ermöglicht uns, Spitzenlasten auf weniger stark genutzte Systeme effizient zu verlagern - etwa auf SAP-Entwicklungssysteme mit noch freien Ressourcen. So können wir vereinbarte Service-Levels selbst in Ausnahmesituationen uneingeschränkt einhalten", erklärt HCC-Direktor Claus Rautenstrauch. "Ein weiterer Effekt sind niedrigere Betriebskosten und eine Flexibilisierung in puncto IT-Management. Unterm Strich sparen wir bei den Betriebskosten zwischen 30 und 40 Prozent ein.

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Doch Virtualisierung ist nicht gleich Virtualisierung. Experten unterscheiden häufig zwischen drei verschiedenen Ebenen: der Element-Virtualisierung, der integrierten sowie der vollständigen Virtualisierung der IT (Complete IT-Utility). Dabei gilt die Faustregel: Je höher der Grad der Virtualisierung, desto mehr geschäftliche Vorteile ergeben sich für das Unternehmen.

Bescheidene Anfänge

Die Element-Virtualisierung bezieht sich lediglich auf einzelne Komponenten wie zum Beispiel Server oder Speichersysteme oder auf Gruppen gleicher Geräte. Zum Beispiel lassen sich in einer - nach Möglichkeit konsolidierten - Umgebung einzelne oder mehrere Rechner durch Partitionierung in eine Vielzahl virtueller Server unterteilen. Dadurch können Administratoren mehrere Applikationen auf einem einzigen physikalischen Rechner parallel ausführen. Ebenso ist dadurch der Einsatz unterschiedlicher Betriebssysteme auf einem Server möglich.

Die Aufteilung in mehrere virtuelle Server lässt sich auf zwei verschiedene Arten erreichen: per Firmware oder per Software. So lassen sich manche Server über ihre integrierte Firmware virtualisieren. Diese ermöglicht die Verteilung der Rechenkapazitäten in prozentualen Schritten der Prozessorleistung jeder einzelnen CPU.

Auch bei Storage-Lösungen greift die Element-Virtualisierung: Hier werden den einzelnen Anwendungen über virtuelle Verbindungspfade die benötigten Speicherkapazitäten zur Verfügung gestellt.

Integrierte Erweiterung

Mit Lösungen für eine integrierte Virtualisierung gehen Virtualisierungskonzepte über die reine Geräteebene hinaus und sind auf die Optimierung von ganzen IT-Infrastrukturen für Anwendungsumgebungen und Geschäftsprozesse abgestimmt. Hier wird erfasst, welche IT-Komponenten zum Beispiel für den Betrieb eines Mail- oder SAP-Systems notwendig sind. Virtualisierungslösungen registrieren den Ressourcenbedarf der jeweiligen Applikation und die Auslastung der verwendeten Systeme.

Entsprechend definierten Regeln weisen sie bei Bedarf zusätzliche Server-, Speicher- oder Netzwerkressourcen zu. Die dafür notwendigen Informationen über die Auslastung der einzelnen IT-Komponenten erhalten sie über die ohnehin von den Systemen bereitgestellten Daten. Zusätzliche Software für deren Erfassung muss daher auf den einzelnen Komponenten nicht installiert werden. Generell ist jedoch der Einsatz von Systemen vorteilhaft, die auf Industriestandards basieren. Dies erleichtert die Integration und eine einheitliche Verwaltung.

Zum Service-Level-Agreement

Während in vielen Rechenzentren bislang Server, Speicher und Netzwerk - wenn überhaupt - separat virtualisiert werden, ist dies bei der integrierten Virtualisierung nicht der Fall. Wachsen zum Beispiel die Anforderungen eines SAP-Systems, bekommt es entsprechend definierten Regeln und Prioritäten automatisch mehr Rechenleistung, mehr Speicherplatz und gleichzeitig höhere Bandbreite im Netzwerk eingeräumt, um die größere Datenmenge auch schnell übertragen zu können. Durch diese umfassende Betrachtung sind Unternehmen auch in der Lage, Service-Level-Agreements (SLAs) automatisch einzuhalten.

Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Priorisierung: So erhalten unternehmenskritische Anwendungen eine höhere Präferenz bei der Ressourcenvergabe als andere. Benötigt zum Beispiel ein SAP-System kurzfristig mehr Rechenleistung oder Bandbreite im Netzwerk, stehen anderen Aufgaben wie etwa Datenübertragungen für das Backup vorübergehend geringere Kapazitäten zur Verfügung.

Anbieter von Virtualisierungs-Lösungen arbeiten darüber hinaus bereits an der vollständigen IT-Virtualisierung (Complete IT-Utility). Im Rechenzentrum der nächsten Generation stehen alle heterogenen Ressourcen in Echtzeit zur Verfügung. Eine solche Infrastruktur zeichnet sich durch einen hohen Servicegrad und maximale Flexibilität aus. Vordefinierte IT-Utilities, die sehr einfach an die individuellen Anforderungen des Kunden angepasst werden können, erleichtern die Einführung einer solchen Umgebung. Bereits heute verfügbare Utilities sind zum Beispiel eine Shared Infrastructure Utility für Test- und Entwicklungsumgebungen oder eine Messaging Utility. Diese verfügen über einen hohen Automationsgrad und über ausgefeilte Management- und Reporting-Mechanismen.

Das Service-Management

Auf dem Weg zur Virtualisierung ändert sich jedoch nicht nur die IT. Auch die Betriebsführung und die Verwaltung müssen sich weiterentwickeln. Die Tendenz geht dabei weg vom herkömmlichen Ressourcen-Management hin zum IT-Service-Management und Business-Management - hier variieren die im Markt dafür verwendeten Begriffe. Während das Ressourcen-Management einen sicheren IT-Betrieb gewährleistet und hochwertige IT-Services sicherstellt, steuert das Service-Management unterstützt durch SLAs die IT-Prioritäten durch optimal abgestimmte IT Prozesse.

Auf der IT Infrastructure Library (Itil) basierende Best Practices helfen, die Servicequalität weiter zu verbessern. Das Business-Management verknüpft die geschäftlichen Metriken (KPIs) der Geschäftsprozesse mit den existierenden Service-Levels und erlaubt somit eine geschäftsorientierte Betrachtung der IT zum Beispiel in Form eines CIO-Dashboards. So werden beispielsweise Abhängigkeiten zwischen Geschäftsprozessen und IT-Ressourcen abgebildet und bei Veränderungen in der IT die Auswirkungen auf das Geschäft analysiert.

Neue Rolle der IT-Abteilung

Ein Trend geht dabei zu umfassenden Angeboten für typische Einsatz- und Anwendungsszenarien. So bietet HP zum Beispiel mit den Virtualized Infrastructure Solutions eine Lösung für den SAP-Betrieb in einer virtualisierten Umgebung. Kunden können damit von einer zentralen Stelle aus (Single Point of Control) dynamisch Computerleistungen, Speicher- sowie Netzkapazitäten bedarfsgerecht bereitstellen. Die Zuteilung erfolgt über definierte Regeln, die Prioritäten entsprechend vereinbarten SLAs setzen und einen stabilen Betrieb unternehmenswichtiger Applikationen und Prozesse sicherstellen.

Weitreichende Virtualisierungskonzepte verändern auch die Rolle der IT-Abteilung: Anstatt lediglich Server-Kapazitäten, Speicherressourcen und Netzbandbreiten bereitzustellen, sind sie dadurch besser in der Lage, als Service-Provider für die Fachabteilungen zu fungieren. Administratoren können Auslastungen besser steuern, schneller auf neue Anforderungen reagierenund SLAs leichter einhalten. Entscheidend für den unternehmerischen Erfolg ist die Verknüpfung der Geschäftsanforderungen mit den Regeln, nach denen die Kapazitäten einer virtualisierten IT verteilt werden. Denn durch diese Verknüpfungen kommen die Vorteile auch zum Tragen. Und zwar ganz real und nicht nur virtuell. (ls)