Marktanalyse aktiver Data Dictionaries - 16 Systeme im Vergleich (Teil 1):

Vom Optimum noch weit entfernt

04.10.1985

Ein Data Dictionary/Directory System (DD/DS) ist das entscheidende Werkzeug zur Dokumentation und Kontrolle von betrieblichen Informationssystemen (IS) - insbesondere solchen, die auf Datenbankbasis arbeiten. Wolfgang Zillessen nahm 16 gängige Produkte dieser Weichware-Spezies unter die Lupe. Die Untersuchung zeigte, daß auch hier noch einiges im argen liegt: Zwar existieren durchaus leistungsfähige Systeme, die selbst hochgesteckten Ansprüchen genügen, doch konnte bei näherem Hinsehen offenbar keines der untersuchten Software-Erzeugnisse sämtliche Anforderungen vollständig erfüllen.

Ein DD/DS enthält zum einen vornehmlich vollständige Beschreibungen (sogenannte Meta-Daten) über die in einer Datenbank abgebildeten Datenelemente sowie deren logische Strukturierung und zum anderen Informationen über die physische Repräsentation dieser Daten auf den jeweiligen Speichermedien [1].

Umfaßt das DD/DS zusätzlich alle programmierten und manuellen betrieblichen Abläufe, werden alle weiteren, zur vollständigen Abbildung eines IS wesentlichen Objekte und Objektstrukturen (Benutzer, Organisationsstrukturen, Kommunikationswege, ...) beschrieben. Sind dabei auch die zugehörigen programmierbaren Kontrollen (Plausibilitätsprüfungen, Zugriffskontrollen, Konsistenz- und Referenzdefinitionen) eingeschlossen, so ist ein DD/DS nicht nur für die DV-Seite einer Unternehmung (Anwendungs- und Systemprogrammierung, RZ-Produktionsbetrieb) von wesentlicher Bedeutung.

Auch für Controlling- und Organisationsabteilungen sowie unternehmensinterne und -externe Revisoren ist es ein wichtiges Instrument zur Unterstützung ihrer täglichen Arbeit; ja es wird zum Teil sogar unabdingbare Voraussetzung für deren ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung

Damit ein DD/DS ein solches Instrument sein kann, muß es idealerweise als aktive Quelle der benötigten Datenbank-Beschreibungen arbeiten, möglichst sämtliche zur Beschreibung eines betrieblichen Informationssystems benötigten Objekte und die dazugehörigen Kontrollen abbilden, aus den gespeicherten Informationen leistungsfähige Berichte generieren sowie den gesamten Systemlebenszyklus (der Komponenten) eines Informationssystems unterstützen. Um feststellen zu können, inwieweit die zur Zeit verfügbaren DD/DS diese noch weiter zu detaillierenden Anforderungen erfüllen, werden im folgenden 16 verschiedene Systeme untersucht. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben [2].

Grundvoraussetzung für die intensive Nutzung eines DD/DS ist dessen aktiver Charakter, das heißt, aus den Meta-Daten des DD/DS können jene Dateibeschreibungen (DB-Schemata und -Mappings) generiert werden, die ein Datenbankmanagementsystem (DBMS) zur Transformation von Datenbankzugriffen auf die Ebene der physischen Speicherung benötigt. Nur so kann ein DD/DS eine Vielzahl von Kontroll- und Steuerungsfunktionen übernehmen.

Im Gegensatz dazu stehen die Inhalte passiver Systeme in keinem nachprüfbaren Zusammenhang zu den tatsächlich wirksamen Datenbeschreibungen, so daß passive Data Dictionaries regelmäßig nur als "Nachdokumentationssysteme" eingesetzt werden. Passive Systeme sind daher unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle eines datenbankgestützten Informationssystems kaum von Bedeutung, und die Identität zwischen der Dokumentation und dem täglichen Produktionsbetrieb ist nur schwer zu beurteilen.

Die 16 hier analysierten DD/DS sind daher ausschließlich aktiver Natur. Bei jedem dieser Systeme ist nun vermerkt, welches DBMS konkret durch Generierung von Dateibeschreibungen unterstützt werden kann. Dabei besitzen die meisten DD/DS nur eine Schnittstelle zu einem einzigen DBMS; sie werden daher auch als "abhängige" Systeme bezeichnet, im Gegensatz zu jenen "unabhängigen" DD/DS, die für mehrere verschiedene Datenbanksysteme Datendefinitionen bereitstellen können.

Während die unabhängigen Systeme stets - wie auch die meisten abhängigen Systeme - "nicht-integrierte" Data Dictionaries sind, das heißt, DD/DS und DBMS verfügen jeweils über eine gesonderte Meta-Datenbasis und Dateidefinitionen, können aus dem DD/DS nur en bloc und explizit per Generierungsfunktion erzeugt werden, bieten einige Hersteller von Datenbanksystemen neuerer Generation vollständig integrierte Data Dictionaries an. Bei derart integrierten DD/DS arbeitet das Data Dictionary stets aktiv im Hintergrund und liefert immer nur die gerade aktuell benötigten Zugriffs- und Transformationsregeln.

Welcher DD/DS-Typus zu bevorzugen ist, läßt sich letztlich nur am konkreten Einzelfall beurteilen. Werden in einer Unternehmung verschiedene Datenbanksysteme parallel eingesetzt, so kann es kaum sinnvoll sein, entsprechend mehrere abhängige DD/DS zu installieren, da dies erheblichen zusätzlichen Wartungsaufwand und entsprechendes Know-how erfordern und die konsistente Abbildung eines einheitlichen, unternehmensweiten Datenmodells unmöglich machen würde. In solchen Situationen kommt wohl nur ein unabhängiges DD/DS in Frage.

Besteht jedoch die Möglichkeit, sich auf ein bestimmtes DBMS zu beschränken, so überwiegen meist die Vorteile abhängiger Data Dictionaries, wenn deren Funktionsumfang ausreichend ist. Sie bieten dem Benutzer regelmäßig einen höheren Komfort, weil sowohl deren Funktionen als auch deren Beschreibungstiefe exakt auf das entsprechende DBMS zugeschnitten sind.

Innerhalb der abhängigen, aktiven DD/DS überwiegt derzeit das Angebot der nicht-integrierten Systeme, da diese zeitlich betrachtet meist später als das entsprechende DBMS entwickelt worden sind, daher nur noch als "Nachrüstung" angeboten werden konnten und nicht mehr vollständig integrierbar waren. Grundsätzlich dürften jedoch integrierte DD/DS unter den genannten Voraussetzungen am besten geeignet sein, umfassende Dokumentations-, Kontroll- und Steuerungsfunktionen zu übernehmen, da hier nur mit einer einzigen Meta-Datenbasis gearbeitet wird, geänderte Dateidefinitionen ohne Zeitverzug unverzüglich wirksam werden und bestimmte Kontrollfunktionen erst auf diese Weise sinnvoll durch ein DD/DS ausgeübt werden können.

Allerdings ist die Frage nach dem Einsatz eines integrierten oder nicht-integrierten DD/DS im Normalfall keine echte Wahlentscheidung, sondern hängt natürlich direkt vom bereits eingesetzten DBMS ab. Erst bei einem beabsichtigten Generationenwechsel hinsichtlich des eingesetzten Datenbanksystems kommt in der Praxis der Qualität verfügbarer Data Dictionaries eine entscheidende Bedeutung zu.

Im übrigen sind integrierte Systeme häufig mit einem hohen organisatorischen Aufwand verbunden, da sie von Beginn an eine umfassende, konsistente Systementwicklung auf DD/DS-Basis erfordern.

Literaturhinweise:

[1] Vgl. zu Zielsetzung und Aufgaben vor Data Dictionaries Leong-Hong/Plagman: Data Dictionary/Directory Systems, New York 1982.

[2] Vgl. ausfrührlich Zillessen: Systemprüfung datenbankgestützter Informationssysteme, Berlin 1985, Erich Schmidt-Verlag.

Wolfgang Zillissen ist Systemanalytiker, Hamburg-Neu Wulmstorf

Vom Optimum noch weit entfernt

Wie die Übersichtstabelle zeigt, kann - wie nicht anders zu erwarten - derzeit keines

der untersuchten Data Dictionaries/Directory Systeme sämtliche der formulierte Anforderungen vollständig erfüllen. Gerade die kontrollierten Funktionen sowie eine leistungsfähige Versionsverwaltung sind meist sehr unzureichend ausgeprägt.

Auch bieten nur maximal 50 Prozent aller DD/DS die Möglichkeit, betriebliche Informationssysteme umfassend zu beschrieben, wobei der Bereich der Meta-Kommunikation-Objekte sowie der Umfang verfügbarer nicht DBMS-orientiert Attribute häufig sehr zu wünschen übrig läßt.

Andererseits existieren insbesondere im Bereich der Reportgenerierung schon sehr leistungsfähige Produkte, die auch anspruchsvollen Anforderungen genügen. Der Aussagegehalt der erzeugten Berichte ist natürlich vom Umfang der zugelassenen Meta-Objekte direkt abhängig.

Kennzeichnend für das momentane Angebot scheint daneben auch die zunehmende Verfügbarkeit echt aktiver, vollständig integrierter DD/DS zu sein, die ausschließlich auf die Beschreibung eines konkreten DBMS abgestimmt sind, keiner Generierungsfunktion im herkömmlichen Sinne mehr bedürfen und daher ein Datenbanksystem stets laufend kontrollieren können. Diese Systeme befinden sich allerdings zum Teil noch in einem längerfristigen Entwicklungsprozeß bis hin zu vollständig ausgereiften Produkten. Sie weisen derzeit immer dann große Lücken auf, wenn eine Beschreibung des betrieblichen Informationssystems außerhalb der reinen DBMS-Umgebung gefordert ist.

Tatsache ist aber auch, daß es für Unternehmen mit mehreren Datenbanksystemen mit den Data Dictionaries von TSI (Data Catalogue 2), MSP (Datamanager) und möglicherweise auch noch Una-Dat (Doku-2000) nur wenige echte Alternativen gibt. Hier ist zusätzlich noch zu berücksichtigen, daß von den Hardwarevoraussetzungen her gesehen sowieso nur IBM- und Siemens-Anwender die Möglichkeit haben, zwischen Data Dictionaries verschiedener Anbieter "auszuwählen".