Chief Information Officer, Chief Digital Officer

Vom CIO zum CDO

19.01.2016
Von  und
Jan Appl ist Associated Partner bei der Management- und IT-Beratung MHP - A Porsche Company. Als Associated Partner leitet der Diplom-Informatiker den Bereich CIO Excellence.
Dr. Oliver Oswald ist Partner bei der Management- und IT-Beratung MHP - A Porsche Company. Der promovierte Ingenieur leitet den Bereich CIO-Advisory & Technology bei der Porsche-Tochter.
Unternehmen wollen und müssen die digitale Transformation angehen. Verantwortlich dafür soll künftig der Chief Digital Officer (CDO) sein. Doch noch ist nicht ganz klar, wie die neue Rolle des CDO ausgestaltet sein soll.
  • Mit dem CDO entsteht eine neue Rolle im Unternehmen - in einigen Fällen wird er parallel zum CIO agieren, in anderen wird er die Aufgaben des CIO übernehmen.
  • Während der CIO als "Herr der Systeme" waltet, herrscht der CDO als "Meister des Geschäfts".
  • Bleibt die Frage, auf welcher Hierarchieebene welche Funktion am besten anzusiedeln ist.

Für eine ganze Zeit lang herrschte im Management von vielen Unternehmen eine bemerkenswerte Realitätsverweigerung: Der Einzelhandel, Zeitungen und Zeitschriften oder Musikverlage - sie alle werden durch die Digitalisierung bis in die Grundfesten erschüttert. Dennoch hielt sich der Glaube, dass für das eigene Geschäftsmodell aber keine Gefahr bestünde, für eine intensive Auseinandersetzung mit neuen Technologien und sich wandelnden Anforderungen der Kunden kein Anlass gegeben sei. Diese negierende Haltung haben mittlerweile die meisten Verantwortlichen aufgegeben. Stattdessen erkennen sie an, dass sie ihr Unternehmen in einer durchdigitalisierten Welt neu positionieren müssen.

Die Rolle des Chief Digital Officers bildet sich immer weiter heraus.
Die Rolle des Chief Digital Officers bildet sich immer weiter heraus.
Foto: www.shutterstock.com - Suwanon Wongsaphan

Aber was genau muss sich ändern? Als sichere Basis können lediglich zwei Annahmen gelten: Evident ist, dass die Technologie immens an Bedeutung gewinnt - nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Sie entwickelt sich vom Mittel zum Zweck. Zudem wird die Digitalisierung die Unternehmen zwingen, fachbereichsübergreifend zu denken.

Beides legt eine Folgerung nahe: Die Bedeutung der IT-Abteilung wird immens zunehmen. Erstens, weil technologische Themen hier per se angesiedelt sind. Und zweitens, weil die IT als Querschnittsfunktion schon heute Fachbereichsgrenzen überbrückt. Allerdings muss sich die IT-Abteilung erheblich weiterentwickeln. Impulsgeber für diese Neu-Ausrichtung der IT und für die Digitalisierung des Unternehmens überhaupt soll der Chief Digital Officer sein.

Mit dem CDO entsteht also eine neue Rolle im Unternehmen - in einigen Fällen wird er parallel zum CIO agieren, in anderen wird er die Aufgaben des CIO übernehmen. Welche Anforderungen im Einzelnen an einen CDO zu stellen sind und inwieweit sein Profil sich von dem eines CIO unterscheidet, ist momentan noch nicht exakt beschrieben. Die folgende Abgrenzung soll dabei helfen.

CIO: Herr der Systeme

Auch wenn CIOs seit Jahren dazu angehalten sind, ihre Entscheidungen zur IT-Infrastruktur auf Basis von fachlichen Erfordernissen zu treffen (Stichworte sind Business-IT-Alignment und Enterprise Architecture Management), liegt ihr Fokus nach wie vor auf den technologischen Spezifikationen - das entspricht auch dem Selbstverständnis der CIOs. Ihre wesentliche Aufgabe besteht bislang darin, IT zur Verfügung zu stellen und am Laufen zu halten, sodass die eigentlich wertschöpfenden Prozesse im Unternehmen optimal unterstützt sind.

Die Aufgaben im Überblick:

  • CIOs sind verantwortlich für die gesamte IT-Infrastruktur: von den Servern im Rechenzentrum und den Netzwerken über die Datenbanken bis zu den einzelnen Anwendungen. Das umfasst auch IT-Security und IT-Support.

  • CIOs entwickeln die IT-Infrastruktur mit dem Ziel weiter, Business Continuity sicherzustellen - hier geht es also beispielsweise um neue Releases bestehender Lösungen.

  • CIOs sind für die Analyse und das Design von Geschäftsprozessen zuständig, um diese IT-seitig abbilden zu können.

  • CIOs sind verantwortlich für das reaktive Demand Management. Sie nehmen Anforderungen aus den Fachbereichen auf, kanalisieren und harmonisieren sie.

  • CIOs entwickeln die IT-Infrastruktur weiter, um sämtliche Geschäftsprozesse kontinuierlich zu optimieren und zu automatisieren und um die fachlichen Anforderungen zu erfüllen - hier geht es auch um Best-of-Breed-Lösungen, die sehr spezifische Anforderungen adressieren.

  • CIOs führen die Teamleiter aus den Bereichen IT-Entwicklung, technische Administration und technischer Support.

  • CIOs sind für die Qualitätssicherung und das Projektmanagement verantwortlich.

  • CIOs sind verantwortlich für die Definition und die Umsetzung der Investitionen im IT-Bereich samt dem IT-Support für interne Anwender.

  • Aus diesen spezifischen Anforderungen resultiert ein typisches Profil, das CIOs in der Regel erfüllen:

  • CIOs haben ein Studium der Informatik oder Wirtschaftsinformatik erfolgreich abgeschlossen.

  • CIOs greifen auf eine mehrjährige Berufserfahrung in der IT-Entwicklung oder der IT-Governance zurück - inklusive Führungserfahrung.

  • CIOs verfügen über fundierte IT-Fachkenntnisse und praktische Erfahrung im Bereich Netzwerktechnik.

  • CIOs besitzen umfangreiche Programmiererfahrung.

  • CIOs verfügen über sehr gute analytische und kommunikative Fähigkeiten, Umsetzungsstärke und Eigeninitiative.

  • CIOs haben sehr gute Projektmanagementfähigkeiten und Erfahrung im Bereich Change Management.

CDO: Meister des Geschäfts

Anders als der CIO ist der CDO deutlich aktiver in die Entwicklung des Unternehmens eingebunden. Er soll die digitale Transformation maßgeblich gestalten - und zwar auf Ebene der Organisation, der Prozesse und der Technologie. Dafür muss er die Entwicklungen am Markt und die Wünsche der Kunden im Blick behalten und diese verstehen, um daraus die richtigen Schlüsse für die Produkte und Services des Unternehmens zu ziehen. Gleichzeitig muss er die Konsequenzen bedenken, die sich daraus für das Unternehmen und die IT-Infrastruktur ergeben.

Die Aufgaben im Überblick:

  • CDOs analysieren stetig alle zeitlich relevanten Aspekte, sie behalten die Dynamik und Beständigkeit von Trends und Veränderungen im Unternehmensumfeld im Blick.

  • CDOs bewerten und priorisieren die Marktanforderungen kritisch.

  • CDOs sind verantwortlich für die Definition und Umsetzung von digitalen Trends, neuen Geschäftsmodellen und unternehmensweiten Strategieveränderungen.

  • CDOs sind verantwortlich für das aktive Demand Management. Sie führen Machbarkeits- und Trend-/Marktanalysen durch und schlagen den Fachbereichen neue Anforderungen vor.

  • CDOs entwickeln die Unternehmensarchitektur kontinuierlich weiter.

  • CDOs erstellen Transformationspläne, kontrollieren deren Umsetzung und greifen bei Bedarf ein.

  • CDOs koordinieren die Digital Executives aus den einzelnen Fachbereichen.

  • CDOs bilden die Schnittstelle zum Chief Information Officer, Chief Finance Officer, Chief Operating Officer und dem Chief Execution Officer.

  • Auch aus diesem Aufgabenspektrum lässt sich ein typisches Profil ableiten:

  • CDOs haben ein Studium der Wirtschaftsinformatik, der BWL, des Ingenieurwesens oder eines vergleichbaren Bereichs erfolgreich abgeschlossen.

  • CDOs greifen auf eine mehrjährige Berufserfahrung im Bereich Entwicklungs- und Innovationsmanagement zurück - inklusive Führungserfahrung.

  • CDOs verfügen über die Fähigkeit, wirtschaftliche Erwägungen mit technologischen Möglichkeiten zusammenzudenken, sie kombinieren ein Bewusstsein für Innovationen mit realistischen Einschätzungen.

  • CDOs besitzen Erfahrungen in den Bereichen Projektmanagement und Changemanagement sowie bei der Leitung von Teams - idealerweise in einem Transformationskontext.

  • CDOs sind im höchsten Maße kommunikations- und verhandlungssicher und können ihre Vorstellungen durchsetzen.

Stabsstelle, Transformationsinstanz oder Teil der Hierarchie

Wenn die neue Rolle des CDO in einem Unternehmen eingeführt wird, stellt sich die Frage, wo sie in der Organisation anzusiedeln ist. Denkbar wäre zum Beispiel, sie als Stabsstelle anzulegen. Der CDO wäre dann direkt dem CEO unterstellt und gegenüber den übrigen CxO-Rollen grundsätzlich weisungsbefugt. Damit verfügt er zwar über eine formal sehr starke Position, die Akzeptanz dürfte auf der nachgeordneten Ebene aber sehr gering ausfallen. Konflikte sind da sehr wahrscheinlich.

Hinzukommt, dass die Verantwortung des CEO erheblich in Frage gestellt wird. Dies wäre im geringeren Maße der Fall, wenn der CEO weiterhin für alle operativen Aspekte verantwortlich ist und der CDO lediglich in Fragen der digitalen Transformation für die CxO-Positionen die verbindliche Instanz darstellt. Hier besteht aber die Gefahr, dass der CDO kaum noch den Rahmen für die gesamte Entwicklung des Unternehmens setzen kann - was aber eigentlich zu seinen wichtigsten Aufgaben zählt.

Aus unserer Sicht ist daher der beste Weg, den CDO in die bestehende Hierarchie neben CFO, CMO und COO zu integrieren. Wäre der CDO auf einem Level darunter angesiedelt, wäre er kaum in der Lage, die erforderlichen Veränderungen durchzusetzen. (sh)