Ausstellern fehlt der Mut zur klaren Entscheidung:

Vom CeBIT-Karussell mag noch keiner abspringen

27.03.1987

Flau präsentierte sich die diesjährige CeBIT am ersten Veranstaltungstag. Schon munkelten einige Zyniker von einem allgemeinen Fehlschlag, da ließ ein reger Besucherstrom am Donnerstag und Freitag das Stimmungsbarometer bei den Ausstellern rapide ansteigen. In den Chor der Jubilanten mischen sich jedoch auch gedämpfte Stimmen: Äußerst unzufrieden äußerten sich bei Messehalbzeit immerhin rund 20 Prozent der befragten Unternehmen, während nur etwa 50 von hundert zufrieden waren.

Unter keinem guten Stern stand dieses Jahr der Beginn der Hannover-Messe CeBIT: Nicht nur der Aschermittwochskater machte Ausstellern und Besuchern zu schaffen. Auch der Wettergott war der Stadt an der Leine nicht hold: Eis und Schnee ließen so manchen Interessenten vor dem Trip zum großen DV-Spektakel zunächst zurückschrecken. Wer es trotzdem wagte, fühlte sich wie auf einer Polarexpedition.

Grund genug für viele zur Untätigkeit verurteilte Standmitarbeiter, diesen "widrigen äußeren Umständen" den alleinigen Schwarzen Peter für die gähnende Leere in den Messehallen zuzuschreiben. Manche Firmen verzeichneten im Vergleich zum Folgetag lediglich ein Fünftel an Interessenten.

Ein deutlicher Aufwärtstrend am Donnerstag und Freitag versöhnte die derart Gebeultelten jedoch wieder mit ihrem Schicksal, zumal die Qualifikation der Besucher vielfach höher eingeschätzt wurde als im Vorjahr. Allerdings: Die Entscheider selbst fühlten sich kaum motiviert, dem Ruf in die Leibnitz-Stadt zu folgen. Weniger als ein Fünftel der Besucher auf den Ständen durfte sich zum Management zählen.

Die Delegation des Messebesuchs an einen Mitarbeiter war den Erfahrungen vieler Standbetreuer zufolge ein beliebtes Spiel, und so machte sich der am Wochenende schon seit jeher traditionelle "Familienausflug nach Hannover" auch an den anderen Messetagen bemerkbar.

Negativpunkte verteilten auch viele Aussteller, die auf ein breites internationales Interesse gehofft hatten. Am Stand der General Electric Deutschland beispielsweise kamen als ausländische Besucher vorwiegend Skandinavier vorbei; Briten und Amerikaner hingegen glänzten weitgehend durch Abwesenheit, erklärte ein Unternehmenssprecher.

Diese Kritik findet auch in der Image-Bewertung der CeBIT ihren Niederschlag: Auf der weitgespannten Skala mit den beiden Extrempunkten "Internationale Verbundmesse" und "Nord-Büromesse" pegelt sich das Barometer auf dem Mittelwert "Überregionale Fachmesse'' ein (knapp die Hälfte der Antworten). Der branchenübergreifende Charakter der "alten" Hannover-Messe, so heißt es vielfach, sei durch nichts zu ersetzen; außerdem habe die starke Spezialisierung der abgespaltenen CeBIT das "traditionelle" Flair des DV-Happenings zerstört.

Traditionelles Flair zerstört

Profit aus dieser Situation ziehen nach Ansicht vieler Befragter die Städte München und Köln: "Systems" und "Orgatechnik" verbuchen zunehmend mehr Sympathien für sich; im Durchschnitt wird der Herbstveranstaltung in der bayerischen Landeshauptstadt zumindest dieselbe Bedeutung beigemessen wie der abgespaltenen CeBlT. Dazu Dieter Göbel, Vertriebsleiter Deutschland bei Applied Data Research (ADR): "Nachdem eine Zusammenlegung der Industriemesse und der CeBIT nicht mehr möglich ist, wäre zu überlegen, die CeBIT mit der Systems auf einen Zweijahresturnus zu bringen."

Herbe Kritik auch bei den Ausstellern, die mit ihren Exponaten vor allem kleinere und mittlere Unternehmen ansprechen wollten. Da diese Zielgruppe der CeBIT vorwiegend ferngeblieben war, kamen die auf diesem Bereich spezialisierten Anbieter nicht auf ihre (Erfolgs-)Kosten. Um so höher schlugen denn auch die in die Messebeteiligung getätigten Investitionen ein. Lapidarer Kommentar eines Betroffenen: "Wir sind gerade noch mal davongekommen."

Jedoch nicht nur Exoten, auch im bundesdeutschen DV-Markt durchaus etablierte Hersteller und Anbieter überlegen zunehmend, ob sich eine derart kostenintensive Imagepflege überhaupt noch auszahlt. Gerade Unternehmen, die auch auf der Industrie-Messe vertreten sind und im Herbst mit Stand und Fachpersonal zur "Systems" ziehen, sehen sich in einer Art Teufelskreis gefangen.

Zwar wird mancherorts der Absprung von diesem sich immer schneller drehenden Karussell zumindest angedacht; die Präsenz der Konkurrenten, so ist vielfach zu hören, mache einen generellen Ausstieg aus dem Messe-Tourneezirkus unmöglich und lasse auch kaum eine Selektion der Aktivitäten zu - die Furcht vor einem Negativ-lmage ist bei der Majorität der Betroffenen einfach zu groß. Kommentiert eine Mitarbeiterin der Dortmunder mbp Software & Systems GmbH: "An der gegenwärtigen Situation wird sich so schnell bestimmt nichts ändern Schuld daran ist nicht zuletzt die Halbherzigkeit der Aussteller selbst. Die haben nämlich vielfach keinen Mut zu klaren Entscheidungen."