Vom Benchmarking bis zur Exit-Strategie

02.12.2011
Um einen Outsourcing-Vertrag möglichst sicher zu gestalten, reicht es nicht aus, nur die erwarteten Leistungen und den zu zahlenden Preis festzulegen.

Ausschreibung, Vergabe, Leistungsbeschreibung, Service-Level-Agreements und Vergütung - diese in der COMPUTERWOCHE-Ausgabe 47/2011 beschriebenen Aspekte gehören in jedes Outsourcing-Vertragswerk. In diesem Beitrag kommen wir zu vier weiteren Details, die ebenfalls in keinem Vertrag fehlen dürfen.

Benchmarking - nicht nur für längere Laufzeiten

Vor allem in Verträgen über langfristige Outsourcing-Projekte ist es wichtig, die Leistung und das Entgelt regelmäßig mit dem am Markt verfügbaren Angebot zu vergleichen. Aus diesem Grund ist eine Benchmarking-Klausel unverzichtbar.

Der Begriff Benchmarking bezeichnet ein standardisiertes Verfahren, um die Vertragsbedingungen mit den sich verändernden Marktgegebenheiten abzugleichen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Auf diese Weise lässt sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der vereinbarten Leistung über einen längeren Zeitraum sicherstellen. Die wichtigsten Fragen, die aus Kundensicht zu stellen sind, lauten:

• Regelt die Klausel Form, Bedingungen und Zeitpunkt des Benchmarkings?

• Legt sie die Folgen des Benchmarkings für Leistungen und Vergütung fest?

• Gibt sie an, welche Leistungen Gegenstand der Überprüfung sein sollen?

• Trifft sie Regelungen darüber, mit welchen Vergleichsparametern und Vergleichsgruppen das Benchmarking vorgenommen werden soll?

• Ordnet sie Verantwortungen und Kostenlast eindeutig zu?

• Sieht sie auch ein Verfahren zur Streitbeilegung vor?

Die hochsensiblen Fragen der Haftung

Die Haftung ist ein besonders kritischer und sensibler Punkt in der Verhandlung eines IT-Outsourcing-Vertrags. Der Provider will sein unternehmerisches Risiko verringern und wird deshalb regelmäßig darauf drängen, Beschränkungen oder gar Ausschlüsse der Haftung im Outsourcing-Vertrag durchzusetzen. Die Interessen des beauftragenden Unternehmens sind entgegengesetzt.

Aufgrund dieser einander zuwiderlaufenden Interessen ist Fingerspitzengefühl gefragt. Das Verhandlungsziel sollte ein Interessenausgleich sein, der für beide Seiten akzeptable Haftungsbeschränkungen vorsieht. Damit es später nicht zum Streit kommt, sollten die folgenden Fragen beantwortet werden:

• Enthält die Haftungsbeschränkung klare Ausnahmen - mindestens für Vorsatz, Personenschäden, Verletzung geistiger Eigentumsrechte sowie Geheimhaltungspflichten?

• Entspricht das Haftungsregime den gängigen Industriestandards? In aller Regel wird eine summenmäßige Haftungsbegrenzung vereinbart, die üblicherweise über einen Prozentsatz des Auftragswerts abgebildet ist. Wie hoch dieser Prozentsatz ausfällt, ist Sache des Verhandlungsgeschicks.

• Sieht das Haftungsregime Freistellungsansprüche des Auftraggebers für die Verletzung geistiger Eigentumsrechte oder der Geheimhaltungspflichten vor?

• Sind Mitwirkungs- und Benachrichtigungspflichten des Anbieters als Voraussetzung für eine eventuelle Haftungsfreistellung geregelt?

• Entspricht die Haftungsklausel den Anforderungen des auf den Vertrag anwendbaren Gesetzesrechts? Zum Beispiel unterscheidet sich das Haftungsregime nach anglo-amerikanischem Recht substanziell von deutschem Haftungsrecht.

Nutzungsrechte und Schutz des geistiges Eigentums

Der Outsourcing-Vertrag sollte die bestehenden geistigen Eigentumsrechte (Urheberrechte, Markenrechte, Patente etc.) vor einer unbeabsichtigten Übertragung schützen. Die Vertragsparteien müssen demzufolge sicherstellen, dass die gegenseitig eingeräumten Rechte nicht über das zur Vertragserfüllung erforderliche Maß hinausgehen. Gleichzeitig ist es aber notwendig, gewisse Nutzungsrechte einzuräumen, ohne die eine Vertragserfüllung nicht möglich ist; wichtig sind hier insbesondere Nutzungsrechte an Software.

Welche Rechte im Einzelnen eingeräumt werden müssen, hängt vom konkreten Nutzungsbedarf ab. Auf jeden Fall sind Regelungen zum inhaltlichen (wie darf die Software genutzt werden und durch wen?), zeitlichen (wie lange darf sie genutzt werden?) und räumlichen (Deutschland, Europa, weltweit?) Nutzungsumfang zu treffen. Vor allem Cloud-Betreiber müssen unter Umständen gewährleisten, dass sie tatsächlich berechtigt sind, eine bestimmte Software in allen Ländern anzubieten, in denen die Cloud zum Einsatz kommt. Folgende Fragen sind zu klären:

• Sind die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden geistigen Eigentumsrechte ausreichend vor unbeabsichtigter Übertragung geschützt?

• Wird im Rahmen der Leistungserbringung von dem Provider entwickeltes geis-tiges Eigentum auf das Kundenunternehmen übertragen oder lizenziert?

• Gewährleistet der Anbieter, dass er befugt ist, solche Rechte im Rahmen des Vertrags einzuräumen? Und stellt er das Unternehmen von Verletzungen der Eigentumsrechte Dritter umfassend frei?

• Decken die Nutzungsrechte die inhaltlichen, zeitlichen und räumlichen Bedürfnisse des Unternehmens ab?

Eine wichtige Anmerkung dazu macht der Unternehmensberater Karsten Leclerque, Principal Consultant Outsourcing & Cloud bei Pierre Audoin Consultants (PAC) in München: "Angesichts des besonders strikten deutschen und europäischen Datenschutzgesetzes sollte nicht nur das geistige Eigentum geschützt, sondern auch genau beachtet werden, welche Art von Daten im Sinne der Auftragsdatenverarbeitung an einen externen Provider übermittelt werden und welchen spezifischen gesetzlichen Regelungen diese eventuell unterliegen."

Wie Leclerque erläutert, muss geklärt werden, wo die Daten geografisch verarbeitet werden und wie die Zugriffsrechte geregelt sind. Das gelte vor allem bei der Verarbeitung personenbezogener oder persönlicher Daten, etwa von Mitarbeitern, Kunden oder Lieferanten.

Exit-Management: Schon zu Beginn ans Ende denken

Eine gute Planung berücksichtigt bereits zu Anfang eines Projekts dessen Ende. Gerade im Zusammenhang mit Cloud-Services ist es unverzichtbar, Rechte und Pflichten der Parteien im Fall einer Vertragsbeendigung - sei es durch Zeitablauf oder Kündigung - detailliert zu regeln.

Um dem auslagernden Unternehmen eine reibungslose Übertragung der Leistungen auf einen anderen Anbieter oder eine Rückführung in den eigenen Betrieb zu ermöglichen, muss der Provider "Unterstützungsleistungen" erbringen. Die jeweiligen Verantwortlichkeiten beider Parteien im Zusammenhang mit der Vertragsabwicklung sollten in einem Exit-Plan festgehalten werden, der folgende Fragen beantwortet:

• Enthält der Plan eine Beschreibung der Exit-Leistungen, beispielsweise die Verpflichtung, mit einem neuen Anbieter zusammenzuarbeiten, Unterlagen zur Verfügung zu stellen, Trainings für das Personal des Kunden oder des neuen Anbieters zu veranstalten, Nutzungsrechte über das Vertragsende hinaus einzuräumen oder benötigte Verträge mit Subunternehmern zu übertragen?

• Sieht der Exit-Plan ein ausreichendes Kontingent an Projekttagen für unvorhersehbare Szenarien vor?

• Regelt der Plan, ob beziehungsweise welche Exit-Leistungen gesondert zu vergüten sind?

• Ordnet er die Verantwortlichkeiten den Parteien eindeutig zu?

• Führt er die zu übertragenden Assets (Maschinen, Verträge mit Subunternehmern etc.) einzeln auf?

• Berücksichtigt er die gesetzlichen Regelungen zum Betriebsübergang gemäß Paragraf 613a BGB?

Wie Leclerque aus Sicht des Unternehmensberaters ergänzt, sollte ein Exit-Plan neben dem Szenario des Anbieterwechsels auch eine Insolvenz des Providers oder dessen Übernahme durch ein anderes Unternehmen berücksichtigen. (qua)

Dr. Thomas Jansen ist Partner bei DLA Piper, Britta Hinzpeter arbeitet dort als Rechtsanwältin.

Vertragsstrategien (Teil 2)

• Outsourcing-Verträge wasserdicht zu machen ist eine Aufgabe, die den meis-ten Anwendern einiges abverlangt.

• Das Vertragswerk setzt bereits bei der Ausschreibung und Vergabe an.

• Neben Leistungsbeschreibung und Vergütung behandelt es auch das Thema Service-Level-Agreements.

• Diese fünf Aspekte wurden in der vorletzten COMPUTERWOCHE-Ausgabe 47/2011 behandelt.

• Im zweiten Teil folgen nun die Aspekte Benchmarking, Haftung, Nutzungsrechte und Schutz des geistigen Eigentums sowie Exit-Management, das in keinem Vertragsverwerk fehlen sollte.