Prüfliste für Basissoftware:

Vollständigkeit nicht garantiert

05.09.1980

BERLIN - Die Frage nach der Softwarequalität, insbesondere auf dem Gebiet der Applikationsprogramme, macht jedem Anwender Kopfzerbrechen. Im Zuge der Beratertätigkeit für mittelständische Unternehmen ist ein Kriterienkalog zur Bewertung von Fertigungssteuerungspaketen für die Basisdatenverarbeitung entstanden, aufgrund dessen bereits einige Standard-Produkte beurteilt wurden, darunter MAS von IBM, "Fertigungsorganisation" von Philips, IMMAC I von NCR, MIACS von Honeywell Bull sowie INFOS von Nixdorf. Die Hintergründe der Katalogerstellung sind im folgenden geschildert.

Bei der Beurteilung von Softwareprodukten besteht für den Anwender die Schwierigkeit, Funktionsbereiche, die bei traditionellen Anwendungsgebieten - wie etwa der Material- und Zeitwirtschaft - vollständig von den betreffenden Modularprogrammen abgedeckt sind, detailliert in Einzelfunktionen zu zerlegen und zu bewerten.

Grundsätzlich sollte vom Anwender dazu ein Organisationskonzept entwickelt werden, in dem die wichtigsten Verfahren zur Disposition und Verwaltung festgelegt sind. Daraus leiten sich spezifizierbare Anforderungen an ein Programmsystem ab.

Andererseits eröffnen die angebotenen Programmsysteme Möglichkeiten, die die Gestaltung des Organisationskonzepts wesentlich beeinflussen. Aus dieser Wechselbeziehung entsteht ein Prozeß, an dessen Ende eine ausgereifte Organisationslösung und die Systemauswahl stehen sollten.

Werkzeug für Berater

Der entwickelte Kriterienkatalog soll den Anwender in diesem Prozeß unterstützen. Der Anwender erhält ein Instrument, mit dem er eine Tiefe der Funktionsgliederung erreicht, in der er kritische Merkmale erkennen, differenziert beurteilen und als Anforderung an ein Fertigungssteuerungssystem festlegen kann.

Konzipiert wurde die Kriterienliste zunächst für EDV-Berater, da diese vor der Schwierigkeit stehen, den aktuellen, sich ständig ausweitenden Softwaremarkt zu beobachten und zu analysieren. Diese Prüfliste, die bereits auf eine Reihe von Softwarepaketen angewendet wurde, ermöglicht es, die Leistungsmerkmale eines Fertigungssteuerungssystems innerhalb kurzer Zeit abzufragen und dabei Hinweise über die Grundkonzeption eines Systems zu erhalten. (Die Auswertungsergebnisse können nicht veröffentlicht werden.)

Außerdem kann sich der Kriterienkatalog als nützliches Hilfsmittel für die Entwicklung von Standardsoftware der Fertigunssteuerung eignen und richtet sich damit an Hersteller von Programmpaketen. Er darf zwar nicht als vollständiges Anforderungsprofil allgemein einsetzbarer Modularprogramme verstanden werden, jedoch vermittelt er einen Überblick über die Vielfältigkeit der Lösungsmöglichkeiten bei der Konzeptionierung der Programme.

Für die Gliederung der Kriterien wurde eine funktionale Einteilung zugrunde gelegt, wie sie bei Modularprogrammen der Fertigungssteuerung üblich ist. Abbildung 1 enthält das verwendete Gliederungsschema.

Im folgenden sollen einige Hinweise für die Handhabung des Katalogs gegeben werden, soweit er für die Analyse von Programmpaketen für einen speziellen Anwendungsfall verwendet wird

Zunächst muß vom Anwender geklärt werden, welche Merkmale er vom System als Anforderungen verlangt und welches Gewicht er diesen Merkmalen beimißt.

Die Aufgliederung in die einzelnen Charakteristika sei am Beispiel der Kapazitätsdisposition aus dem Bereich der Zeitwirtschaft demonstriert. Abbildung 2 zeigt den Ausschnitt des Kriterienkatalogs (beachte!).

Bei der Analyse der Programme kann dann festgestellt werden, inwieweit die Merkmale erfüllt sind und ob eine entsprechende Anpassung notwendig ist. Die so gewonnene Übersicht kann dann in Verbindung mit weiteren Kriterien als Entscheidungsgrundlage für die Systemauswahl verwendet werden.

Subjektive Gewichtung

Im nachfolgenden Beispiel ist das Vorgehen angedeutet:

Zeitwirtschaft

3 Kapazitätsdisposition

3.1 Ermittlung des Kapazitätsstellenangebots

a. Periodeneinteilung aufgrund eines Fabrikkalenders/Jahreskalenders

b. Möglichkeit der Veränderung der Periodenlänge nach Programmgenerierung

c. gezielte Zuordnung des Kapazitäsangebots einer Kapazitätsstelle zu einer Periode

d. Möglichkeit einer flexiblen Zusammenfassung von Kapazitätsstellen zu Kapazitätsgruppen

3.2. Ermittlung de Kapazitätsbedarfs

a. Ermittlung der Kapazitätsbedarfswerte durch Arbeitsplanauflösung der im Rahmen der Materialwirtschaft geführten Aufträge vor jedem Lauf

b. zu a.; nur für Fertigungsaufträge, die nicht in der Fertigungsauftragsdatei geführt werden

c. Ermittlung/Führung des Kapazitätsbedarfs aufgrund der Fertigungsaufträge der Fertigungsauftragsdatei

d. Führung von Belastungsprofilen für Enderzeugnisse

- nach Kapazitätsstellen differenziert

- nach Perioden differenziert

3.3 Ermittlung der Kapazitätsbelastung (Batch)

a. Ermittlung der Kapazitätsbelastung je Kapazitätsstelle nach Perioden kumuliert (Belegungsübersicht)

b. Ermittlung der Kapazitätsbelastung je Kapazitätsstelle mit Referenz zum Fertigungsauftrag/Enderzeugnis und dessen Teilbelastung (Arbeitsvorrat)

Zusatz:

1. für geplante und freigegebene Aufträge

2. nur für freigegebene Aufträge

3.4 Kapazitätsbelastungsführung (Realtime)

Automatische Generierung von Kapazitätsbedarfsziffern über Kpazitätsstellenummer

a. Kapazitätsbelastung je Kapazitätsstelle nach Perioden kumuliert

b. Kapazitätsbelastung je Kapaztätsstelle mit Referenz zum Fertigungsauftrag

Zusatz:

1. für geplante und freigegebene Aufträge

2. nur für freigegebene Aufträge

Im dargestellten Beispiel müßte für das Softwarepaket B eine Zusatzprogrammierung vorgenommen werden, da die angegebene Funktion mit "erforderlich" bewertet wurde. Da die sich daraus ergebenden Kosten in die Entscheidung einbezogen werden, ist es sicher zweckmäßig, eine weitere Differenzierung der Gewichtungsskala vorzunehmen, da bei zunehmenden Kosten die Erforderlichkeit abgestuft betrachtet werden muß.

*Dipl.-Ing. Hans-Chrishan Walter ist an der Technischen Universität Berlin im Fachbereich Angewandte Elektronische Datenverarbeitung

tätig.