In der Alten und Neuen Welt wird Technikpessimismus zum Jobkiller:

Vollkasko-Mentalität bremst Innovation

28.11.1986

Der Technikoptimismus stagniert, nicht nur hierzulande. Die Haltung der Benutzer aus Unternehmen in der Bundesrepublik ist in den vergangenen zehn Jahren kritischer und skeptischer geworden, stellte Jüngst eine deutsche Untersuchung fest. Dies trifft wirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche, aber auch individuelle Auswirkungen am Arbeitsplatz. Wünschten sich etwa 1974 noch 73 vom Hundert befragter Arbeitnehmer eine Tätigkeit mit Computerunterstützung, meldeten sich 1983 zehn Prozent weniger, konnte Detlef Müller-Böling von der Uni in Dortmund feststellen. Zurückgegangen waren ebenso die Auffassungen, der Computer erleichtere die Arbeit und bedrohe sie nicht.

Auch nach Werten einer Studie der Organization for Economic Cooperation and Development (OECD) vom November dieses Jahres verlangsamt sich der Zuwachs an Informationstechnik in den Industrienationen. Als Meßlatte gilt der Tätigkeitsindex in den 24 Mitgliedsländern. So betrug beispielsweise in den USA der Anteil von Beschäftigten, die in den informationsbezogenen Sektoren tätig waren, zwischen 1960 und 1970 6,4 Prozent. In der folgenden Dekade verringerte er sich auf 4,7 vom Hundert. Doch die Produktion, Verarbeitung und Verteilung von Information bindet in den OECD-Mitgliedsländern mittlerweile jeden vierten Arbeitnehmer. Die Aussichten sind demnach für sie nicht durchweg rosig, hängen doch ihre - und noch zu schaffende - Arbeitsplätze in direktem Verhältnis vom vermehrten Technikeinsatz.

Künftig ist Akzeptanz also mehr denn je eine Schlüsselqualifikation. Sich diese Haltung zu erwerben, bleibt aber nicht nur ein Problem von Sachbearbeitern und Fachleuten. Gerade Führungskräfte sollten sich stärker den Problemen der Informations- und Kommunikationstechnik stellen. Die "Vollkasko-Mentalität" deutscher Unternehmer sei dabei ein Hemmschuh, so der Regierungsbeauftragte für Technotransfer in Baden-Württemberg, Johann Löhn, vor Managern in München.

Zwei Fliegen lassen sich auf einen Streich erledigen: Während man eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit durch den Produktionsfaktor Information erreichen sekundiert Müller-Böling, könnte gerade das Gewicht dieser Benutzergruppe gleichzeitig objektive technische wie auch organisatorische Mängel schnell lösen helfen.

Das Ja zur Technik ist besonders dann gefragt, wenn auf der anderen Seite in traditionellen Tätigkeitsfeldern Arbeitsstellen wegfallen. Aber neue Techniken killen nicht per se die Jobs. Nach der Organisation mit Sitz in Paris halten sich bisher ersetzte und neugeschaffene Arbeitsplätze die Waage. Zusätzlich könne man mit neuartigen Tätigkeitsfeldern rechnen, die derzeit noch nicht in vollem Umfang zu erkennen seien. Hier ergänzt der bundesrepublikanische Technikexperte Johann Löhn: In der Kommunikationstechnik seien durch Digital- und Glasfasertechnik neue Wachstumsschübe zu erwarten, auch im Bereich Biotechnologie gebe es neue Verfahren und "riesige Möglichkeiten". Grenzen zwischen Dienstleistungen und Industriegewerbe vermischten, laut dem Regierungsbeauftragten für Technologietransfer Löhn, künftig ebenso wie zwischen den verschiedenen Technikbereichen. Umdenken hin zum System ist gefragt, und nicht mehr das einzelne Produkt steht im Vordergrund, sondern die Problemlösung.

Als wesentliche Voraussetzung für den Erfolg einer Volkswirtschaft gilt, so die OECD wie auch Löhn, die Qualifikation der Arbeitnehmer. Denn mangelnde Ausbildung heutzutage bedeutet Mangel in naher Zukunft an qualifizierter Manpower. Künftig fordern besonders gewandelte Anforderungen im Informationssektor den höherqualifizierten Arbeitnehmer. Gefragtes Wissen zeichnet sich durch Breite und Flexibilität aus. Der Weg geht von der Quantität zur Qualität: weniger Gewicht, Menge und Preis. Lernen kann deshalb auch ein neuer Job sein.

Allerdings warnt die OECD in ihrer Studie mit Blick auf die verlangsamte Technik-Wachstumsrate vor bedenklichen Auswirkungen. Bleibe der Fuß künftig auf der Technik-Bremse, könne nicht in jedem Fall ein voller Beschäftigungsersatz erwartet werden.