CeBIT-Start

Volle Messehallen, gestresste Kanzlerin

02.03.2011
Mit einem regen Besucherstrom und prall gefüllten Ausstellungshallen hat die Computermesse CeBIT am Dienstag einen guten Start hingelegt.

Einzig die Kanzlerin wurde kalt erwischt: Während sie über das Gelände tourte, trat der Verteidigungsminister zurück.

Die IT-Welt blickt wieder nach Hannover. Mit dem Rückenwind einer robusten Konjunktur hat die weltgrößte Computermesse CeBIT am Dienstag in Hannover für die Besucher geöffnet. Mehr als 200 Aussteller zeigen bis zum Samstag Produkte und Neuheiten rund um Computer, Telekommunikation und Internet-Dienstleistungen. Nach durchwachsenen Jahren, in denen ihr etliche Unternehmen den Rücken gekehrt hatten, legte die CeBIT einen kraftvollen Start hin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dürfte den Messebeginn freilich nicht in allzu guter Erinnerung behalten: Während ihres traditionellen Rundgangs erklärte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach zunehmendem Druck in der Plagiatsaffäre seinen Rücktritt.

Leitthema der CeBIT ist das Cloud Computing - die Bereitstellung von Software und Rechenleistungen aus der "Daten-Wolke" im Internet. Hiervon erhofft sich nicht nur der Branchenverband BITKOM deutliche Zuwächse. Der Umsatz der Computer- und Onlinewirtschaft könnte seinen Prognosen zufolge in diesem Jahr weltweit um 4,8 Prozent auf 2,56 Billionen Euro steigen. Auch Verbraucher sollen wieder verstärkt auf die CeBIT gelockt werden. "Es ist ein Auftakt nach Maß", hieß es von der Deutschen Messe AG am Nachmittag. Das Gelände sei schon am ersten Tag gut gefüllt. "Die Stimmung in den Hallen ist hervorragend."

Zumindest äußerlich ließ sich auch die Kanzlerin beim Besuch der Messehallen nicht die gute Laune nehmen. Nachdem die Tour absolviert war, setzte sich die CDU-Chefin jedoch ohne weitere Umschweife ins Auto, um rasch nach Berlin zurückzukehren. Dort war zu Guttenberg nach neuen Vorwürfen im Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit vor die Presse getreten und zurückgetreten. Zuvor hatte die Regierungschefin ihren CeBIT-Rundgang überraschend unterbrochen und sich zum Krisenmanagement per Telefon zurückgezogen.

Merkel hatte am Montagabend mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan die CeBIT eröffnet. Die Türkei ist offizielles Partnerland. Auf einem deutsch-türkischen "ITK-Gipfel" diskutierten Branchenexperten aus beiden Ländern am Dienstag, wie sich die Wirtschaftskontakte im Computergeschäft weiter ausbauen lassen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kam ebenfalls auf das CeBIT-Gelände. BITKOM-Vertreter übergaben ihm einen Datenschutz-Kodex der Industrie. Die freiwillige Erklärung sei ein wichtiger Baustein für den verantwortungsvollen Umgang mit Geodaten im Internet, sagte de Maizière. Es handle sich um ein "Zeichen für mehr Transparenz". Der Kodex wurde von acht Unternehmen unterzeichnet - darunter Google, Microsoft, Nokia und die Deutsche Post. Vorangegangen seien intensive Verhandlungen auch mit den US-Zentralen der Unternehmen, erklärte BITKOM-Präsident August-Wilhelm Scheer bei der Übergabe.

Der Software-Riese SAP räumte der Cloud-Technologie unterdessen große Chancen ein. Daneben hätten aber auch klassische Systeme in den Geschäftsräumen der Kunden weiter eine große Bedeutung, sagte Co-Chef Jim Hagemann Snabe: "Wir glauben an das Hybrid-Modell dieser beiden Ansätze." Außerdem gehören neue Trends bei Sicherheitssoftware zu den zentralen CeBIT-Themen. Der russische Spezialist Kaspersky kündigte an, noch in diesem Jahr im Geschäft mit Firmenkunden den Sprung unter die ersten Drei schaffen zu wollen. Im Verbrauchergeschäft sei die Firma aus Moskau bereits seit 2010 auf diesem Rang, hieß es.

Mit dem Vormarsch von Smartphones und dem Boom beim Cloud Computing warnen Sicherheitsexperten auch vor zusätzlichen Bedrohungen aus dem Netz. Der Trend zur IT aus der Internet-"Wolke" mache es schwieriger, Online-Kriminelle zu jagen, sagte Adam Palmer vom Software-Anbieter Symantec ("Norton"). "Zum Beispiel konnten Ermittler früher belastendes Material mit einem Computer beschlagnahmen. Heute liegen die Daten weit davon entfernt irgendwo im Netz." Deshalb sei jetzt eine viel engere internationale Kooperation notwendig.

Im Schlepptau der IT-Wirtschaft hat sich auch die deutsche Elektrotechnik vorgenommen, ihre Geschäfte weiter anzukurbeln. Der erwartete Umsatzzuwachs auf 175 Milliarden Euro in diesem Jahr liege zunehmend in ihrer Rolle als Schlüsselbranche begründet, sagte der Chefvolkswirt des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), Andreas Gontermann. Elektrotechnik werde als Folge der Zuwächse im IT-Geschäft als "Basistechnologie" immer gefragter. (dpa/tc)