Blauäugige Initiative für europäischen Rechnerwinzling

Volkscomputer soll Fördertöpfe öffnen

16.01.1998

Karl-Heinz Krummeck, Geschäftsführer der Mainzer Sema Group CGTec, stellte diese Woche einen Prototypen des "Euro- diver/Mailpad" vor, eines Systems, das sich einmal zum preiswerten Volkscomputer auswachsen soll.

Fördergelder sind bereits geflossen: Der Sema-Group-Partner Ferrotec Ltd. aus Südirland erhielt für die Entwicklung eines sogenannten Mailreaders Zuschüsse von der Europäischen Union. Bei diesem "Mailpad" genannten Gerät handelt es sich um ein System, das auf die Verarbeitung von E-Mails spezialisiert ist und das auch die Grundlage für den Volkscomputer "Eurodiver" darstellt. Wie Firmenchef David Ferry sagte, gibt es den im weitesten Sinn mit dem "Palm Pilot" von 3Com zu vergleichenden Mailpad in drei Varianten. Eine Version wird mit einem proprietären, teilweise von Ferrotec entwickelten Browser geliefert.

Hier liegt die Crux der gesamten Mailpad-Technologie: Sie ist inkompatibel zu gängigen Standards. Das Gerät arbeitet mit einem proprietären 32-Bit-RISC-Prozessor der Konstanzer Firma Hyperstone Electronics GmbH unter dem Echtzeit-Betriebssystem "hyRTK". Neben einer integrierten Kleintastatur wird der Eurodiver laut Krummeck einen Infrarotanschluß für ein externes Tastenbrett, eine TV-Andockmöglichkeit sowie eine serielle Schnittstelle für die Datenübertragung zu herkömmlichen PCs enthalten.

Flächendeckend könnten mit diesem Kleinstrechner Schüler ausgestattet werden, um im Internet zu surfen und im Verbund mit anderen Eleven und Lehrern an Multimedia-Projekten zu arbeiten. Darüber hinaus sei der Eurodiver geeignet für alle, die sich einen ausgewachsenen Notebook oder Desktop nicht leisten wollen oder sich durch deren technologischen Ballast überfordert fühlen.

Krummeck ist von der Praktikabilität seiner Vision so überzeugt, daß er gemeinsam mit anderen privaten Geldgebern eine Holding (Arbeitstitel: Eurodiver Group AG) mit einem Startkapital von einer Million Mark auf die Beine stellen will. Mit von der Partie sei, so Krummeck gegenüber der CW, Tom Sommerlatte, Chairman der Unternehmensberatungsfirma Arthur D. Little. Gesprochen habe er auch mit Hagen Hultzsch, Vorstandsmitglied der Telekom.

Die genaue Aktionärsstruktur muß jedoch noch ausgearbeitet werden. Fest steht der Sitz des Unternehmens: Bonn. Das hat seinen Grund: Nordrhein-Westfalen (NRW) vergibt für Technologieansiedlungen im Bonner Raum im Zuge des "Caesar"-Programms öffentliche Mittel. Diese will sich Krummeck mit seinen Partnern im Rahmen eines Gesprächs mit NRW-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sichern.

Der europäische Zuschnitt des Volkscomputers soll durch eine Transferübersetzungssprache gewährleistet sein, die laut Krummeck in etwa einem Jahr auf die Eurodiver-Technologie portiert sein wird. Sie ermöglicht es, landeseigene Idiome an einen ausländischen Adressaten in dessen Sprache zu übertragen.

Bedenken, der Volkscomputer sei zu anderer IT-Gerätschaft inkompatibel, begegnet Krummeck unter anderem mit dem Versprechen, eine Portierung des Java-OS stehe ganz oben auf der Prioritätenliste. Wann Vollzug gemeldet werden könne, weiß er allerdings nicht genau.

Bärendienst für eine gute Sache?

Solche nebulösen Aussichten bezüglich der Standardisierung rufen Skeptiker auf den Plan. Vor allem Gisa Schultze-Wolters kritisiert das Konzept Krummecks als "zu blauäugig". Die Unternehmensberaterin kümmert sich besonders um das Thema Innovation in der Lehre. Sie bemängelt das Fehlen von Industriestandards: "Ich halte einen Schulcomputer, der nur zu sich selbst kompatibel ist, für Unsinn."

Wegen seiner technologischen Auslegung könne der Eurodiver auch nicht für Multimedia-Anwendungen genutzt werden: "Außerdem bin ich mit diesem System extrem eingeengt. Ich kann damit eigentlich nur im Internet surfen." Ein solches Produkt würden sich Schüler nicht kaufen.

Überhaupt kein Verständnis entwickelt Schultze-Wolters für die von Krummeck ins Feld geführte Standortdiskussion: "Die Betonung, im Eurodiver stecke ein deutscher Prozessor, geht doch an den Marktbedürfnissen vorbei", kontert sie. Krummecks mediengerechte Werbeargumente, mit dem Eurodiver werde endlich wieder einmal deutsche Innovationsfreudigkeit bewiesen, die es zu unterstützen gelte, könnten einer an sich guten Sache - einem Computer für alle - einen "Bärendienst" erweisen.