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VoIP verändert die Telekommunikations-Branche

11.05.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Selten zuvor hat eine neue Technologie die Telekommunikations-Branche so verändert, wie es derzeit VoIP tut. Das kryptische Kürzel steht für "Voice over IP", was frei übersetzt so viel wie Telefonieren über das Internet bedeutet. Allein in Deutschland nutzen seit Mitte 2004 rund eine halbe Million Menschen die neue Technologie. Für 2005 erwartet das Marktforschungsinstitut IDC eine Verdoppelung der VoIP-Anschlüsse, 2007 sollen es bereits 15 Millionen sein.

"In spätestens fünf Jahren hat VoIP die heute bekannte Telefonie komplett abgelöst", ist sich Philip Yim, Vizepräsident von Allied Telesyn sicher. Das Unternehmen bietet unter anderem Netzwerklösungen für Service-Provider an, die ihren Kunden weltweit das Telefonieren über das Internet ermöglichen. Die Deutsche Telekom will nach eigenen Aussagen innerhalb der nächsten Jahre ihr Netz zu 100 Prozent auf IP-basierende Gesprächsvermittlung umstellen.

Bislang wurde Voice over IP nur von technisch versierten Computerfreaks genutzt, deren Nutzungsverhalten kaum Rückschlüsse auf das Verhalten von Normalverbrauchern zulässt. Doch dank einer rasanten Entwicklung lässt sich mittlerweile nicht mehr nur mit einem PC über das Internet telefonieren, sondern auch über spezielle VoIP-Telefone, die wie ein herkömmliches Telefon aussehen und auch so funktionieren. Unternehmen wie Nikotel bieten solche Telefone bereits zu Preisen von deutlich unter 100 Euro an und liefern sie komplett vorkonfiguriert an ihre Kunden aus, so dass die Geräte nur noch mit dem DSL-Anschluss verbunden werden müssen.

Noch komfortabler lässt sich Voice over IP nutzen, wenn die Gespräche mit herkömmlichen analogen oder ISDN-Telefonen geführt werden können, die ja bereits in jedem Haushalt vorhanden sind. Möglich wird das mit einer kleinen Box, die der Berliner Hersteller AVM entwickelt hat. Die so genannte Fritz!Box Fon sitzt wie eine Schaltstelle zwischen dem DSL-Anschluss und dem Computer. Einmal installiert, können damit Telefonate auch ohne eingeschalteten Computer über das Internet geführt werden.

Die zahlreichen Anbieter schneller Internetzugänge sehen Voice over IP als die Chance schlechthin, potenzielle Kunden für sich zu gewinnen. Kaum ein DSL-Anbieter, der nicht mit günstigen Telefonaten über das Internet wirbt. Unternehmen wie 1&1, AOL und Freenet unterbieten sich gegenseitig mit Minutentarifen von bis zu 1 Cent für Gespräche quer durch Deutschland zu jeder Tages- und Nachtzeit. Da verwundert es kaum, dass auch T-Online, Tochter der Deutschen Telekom, inzwischen selbst VoIP anbietet, um seinen großen Kundenstamm nicht an die Konkurrenz zu verlieren. Allerdings muss dabei offenbar Rücksicht auf die Konzernmutter genommen werden. Der angebotene Tarif von knapp 3 Cent pro Minute für ein Telefonat über VoIP ist nur im direkten Vergleich zu den Preisen der Telekom konkurrenzfähig.

Die Gesprächsqualität von Telefonaten über das Internet ist mittlerweile mit der herkömmlicher Telefonate über das analoge oder das ISDN-Netz vergleichbar. In Verbindung etwa mit einer Fritz!Box lassen sich auch gewohnte Komfortmerkmale wie die Rufnummernanzeige oder Rückruf bei Besetzt nutzen. Johannes Nill, Geschäftsführer von AVM, betont, dass IP-basierte Dienste aus Sicht der EU-Kommission "mehr Leistung bei geringeren Kosten" bedeuten. "Voice over IP ist gut für die Verbraucher, die mehr Leistung bekommen und gleichzeitig Geld sparen", sagt Nill. "Und Voice over IP ist gut für die Industrie - es schafft neue Produkte, Dienstleistungen und Wertschöpfung."

Noch macht allerdings Voice over IP den Festnetzanschluss nicht ganz überflüssig. Zum Beispiel lassen sich nicht alle Rufnummern über das Internet-Protokoll erreichen. Der Notruf 112 funktioniert meist nicht, da die örtliche Zuordnung ohne Vorwahl bislang noch nicht gewährleistet werden kann. Und andererseits ist der Telefonanschluss bei fast allen Anbietern auch immer noch Voraussetzung, um überhaupt einen DSL-Anschluss nutzen zu können. Die Grundgebühr fällt also weiterhin an, selbst wenn man den Telefonanschluss gar nicht mehr nutzen möchte. (dpa/tc)