VoIP-Hersteller beseitigen zahlreiche Kinderkrankheiten

12.12.2001
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Die Hersteller haben jedoch nicht nur in Sachen Schnittstellen nachgebessert, sondern auch die eigentlichen Telefoniefunktionen überarbeitet. Vermissten die VoIP-Anwender der ersten Stunde noch klassische TK-Features wie Besetztzeichen oder Chef-Sekretärin-Funktion, so sind diese Leistungsmerkmale für die aktuelle Anlagengeneration kein Problem mehr. Ebenso hat die Industrie mittlerweile die wichtigsten ISDN-Features integriert.

Angesichts dieser Mehrwertfunktionen haben die Produzenten eine relativ klar umrissene Zielgruppe vor Augen. Sie sehen als ihre potenzielle Klientel Unternehmen, für die die Telefonie ein Teil ihrer Geschäftsprozesse ist. Sucht eine Firma dagegen nur eine TK-Anlage, um zu telefonieren, dann halten selbst eingefleischte VoIP-Propagandisten eine klassische Vermittlungsanlage für die erste Wahl.

Betriebskosten günstiger

Eine Argumentation, die sich teilweise relativiert, wenn man den TCO-Aspekt betrachtet. So kommen nach Berechnungen von 3Com bei einer klassischen Telefonanlage im Laufe der Nutzungszeit pro Telefon zwischen 1750 und 2500 Dollar Kosten zusammen. Eine IP-Lösung sei hier mit rund 1000 Dollar eindeutig günstiger. Diesen Kostenvorteil begründen die Hersteller vor allem mit zwei Punkten: Zum einen entfielen die Aufwendungen für teure Servicetechniker, um etwa eine Telefonanlage mit neuen Funktionen aufzurüsten, da bei den IP-basierten Geräten lediglich ein Software-Update einzuspielen sei. Zum anderen könne die IP-Telefonie in Sachen Mobilität ihre Vorteile entfalten. Im Gegensatz zur klassischen Telefonanlage ist bei Inhouse-Umzügen der Mitarbeiter keine langwierige Rufnummernumstellung erforderlich, da das IP-Telefon anhand seiner Netzadresse erkannt wird, so dass nur eine Änderung der Routing-Tabelle nötig ist. Unter Kostengesichtspunkten dürfte

für Unternehmen mit Außenstellen, zu denen eine Datenverbindung besteht, ein weiterer Aspekt von Interesse sein. Sie können in den Niederlassungen auf die Telefonanlage verzichten, da die Gespräche der IP-Telefone für das Corporate Network nichts anderes als IP-Pakete sind, die geroutet werden. Dadurch können die Telefone in den Außenstellen ebenfalls die Funktionen der zentralen Vermittlungsanlage nutzen.

Im Vergleich zu den Systemen der ersten Generation haben die Hersteller auch in Sachen Verkabelung dazugelernt. Waren anfangs, entgegen dem Versprechen einer einheitlichen Infrastruktur, noch zwei Netzanschlüsse am Arbeitsplatz für IP-Telefon und Rechner erforderlich, so begnügen sich die aktuellen Endgeräte mit einem Anschluss. In den aktuellen Telefonen ist nämlich in der Regel ein Fast-Ethernet-Switch mit ein oder zwei Ports integriert. Dieser übernimmt je nach Hersteller zudem eine dynamische Bandbreitenzuweisung, um zu verhindern, dass etwa ein Videostreaming die ganze Bandbreite an sich reißt und so ein IP-Telefonat verhindert. Ebenfalls gelöst ist mittlerweile die Anschlussfrage klassischer TK-Geräte wie etwa Faxmaschinen. Für diese sind Adapter erhältlich, die die IP-Daten in Telefonsignale umwandeln.