Der Markt für Unternehmenstelefonie

VoIP-Anbieter müssen Unified Communications lernen

24.09.2008
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Marktführer: Siemens und Alcatel-Lucent

Ob nun gerade Siemens und Alcatel-Lucent diesem Kundenbedürfnis besonders entgegenkommen, mag dahingestellt sein. Frost & Sullivan attestiert den beiden Unternehmen auch 2007 die Marktführerschaft in Europa. Dabei hat diesmal Alcatel-Lucent mit 15,3 Prozent (2006: 14,7 Prozent) die Nase leicht vor Siemens mit 14 Prozent (2006: 15,1 Prozent). Böse Zungen lästern allerdings, dass die Führerschaft beider Unternehmen weniger auf ihrer Innovationskraft oder besonders attraktiven Produkten basiere, sondern vielmehr historisch gewachsen sei: Aus den alten TK-Monopolzeiten, als die beiden Unternehmen in ihren jeweiligen Heimatmärkten zu den Haus- und Hoflieferanten der Carrier zählten, hätten sie eben einen direkten Draht zu den Kunden. Neu auf dem Treppchen ist Avaya. Nachdem das Unternehmen in den vergangenen Jahren eher durch negative Schlagzeilen und eine ungewisse Zukunft auf sich aufmerksam machte, scheint 2007 die Konsolidierung mit neuen Investoren als Partner Früchte getragen zu haben.

Der absolute Durchstarter unter den Top-Playern in Europa war im letzten Jahr allerdings Cisco. Der Netzriese, der im Telefoniebereich gegenüber Schwergewichten wie Alcatel oder Siemens wie ein Zwerg erschien, konnte sich vom achten auf den vierten Platz verbessern. Das entspricht einem Marktanteil von 10,4 Prozent im Vergleich zu lediglich 6,5 Prozent im Jahr 2006. Diese Entwicklung scheint zu belegen, dass Cisco mit seinem Strategiewechsel, auch Linux anstelle von Microsoft-Betriebsystemen für seinen VoIP-Server "Callmanager" zu verwenden, die richtige Entscheidung getroffen hat. Zudem legte das Unternehmen mit Zukäufen wie Webex die Grundlage für Collaboration-Dienste in einer UC-Welt. Und last, but not least landete Cisco mit seinem Highend-Videokonferenzsystem Telepresence einen Überraschungscoup. Auch wenn sich viele Unternehmen das System nicht leisten können, darüber diskutiert wurde dennoch.

Absteiger des Jahres 2007 war Aastra. Konnte sich das kanadische Unternehmen ein Jahr zuvor noch unter den Top 3 platzieren, so landete es nun auf Position sechs. Rechnet man allerdings die Marktanteile der im April 2008 zugekauften Ericsson-Unternehmenskommunikationssparte hinzu, dann läge die Company mit zwölf Prozent Marktanteil im Rennen um die Käufergunst noch vor Cisco.

Hersteller Aastra ist zudem ein gutes Beispiel dafür, dass die klassischen Erhebungsmethoden, die Marktanteile anhand der Zahl der verkauften Sprachkanäle festmachen auf dem Weg in die UC und Next-Genration-Network-Welt (NGN) mit Vorsicht zu genießen sind. Diese Zahlen spiegeln nämlich nicht die Tatsache wider, dass heute im Enterprise-TK-Markt ein großer Teil des Wissens auf Software-Know-how basiert. Diese löst beispielsweise die klassische TK-Hardware ab. So kaufen beispielsweise in der IP-Welt immer mehr Unternehmen keine klassischen Telefone mehr, sondern setzen auf PC-basierende Softphones. Und selbst die klassische TK-Anlage beruht immer häufiger auf elektronischen Standardkomponenten. Unternehmen wie Swyx oder jüngst Microsoft mit dem Office Communications Server haben diesen Ansatz gar zur Business-Strategie erhoben: Sie verkaufen nur Software und lassen vom Hardwaregeschäft die Finger beziehungsweise holen sich hierfür Partner ins Boot.