"VMware war eine der besten Akquisitionen im Tech-Sektor"

28.10.2004
2003 hat EMC drei Softwarehäuser übernommen. EMC-Chef Joseph Tucci zieht im Gespräch mit CW-Redakteur Alexander Freimark Bilanz.

CW: Im zweiten Quartal sind Ihre Umsätze mit den Highend-Speichern der "Symmetrix"-Serie gesunken, im jüngsten dritten Berichtszeitraum wuchsen sie lediglich um drei Prozent. Wo liegt das Problem?

Tucci: Das ist kein Problem, sondern unsere Information-Lifecycle-Management-(ILM-)Strategie - Anwender müssen nicht mehr alle ihre Informationen auf Highend-Speichern ablegen. EMCs Botschaft an den Markt unterscheidet sich grundlegend von der Strategie vor fünf Jahren. Damals haben uns die Kunden ihre Probleme geschildert, und unsere Antwort hieß letztlich immer Symmetrix - weil wir nur ein Produkt hatten.

CW: Damit war EMC durchaus erfolgreich.

Tucci: Ja, aber wenn Sie lediglich einen Hammer im Werkzeugkasten haben, sehen Sie nur noch Nägel. Unser Werkzeugkasten ist heute besser sortiert, wir müssen Schrauben nicht mehr in die Wand hämmern. Der Highend-Storage-Markt verzeichnet nur ein kleines Wachstum, und das Mittelfeld sowie das Lowend legen zweistellig zu. Wir sind jetzt in allen Segmenten vertreten, und unsere Programme verwalten die gespeicherten Informationen je nach ihrer Bedeutung für das Unternehmen.

CW: Sie kannibalisieren also bei ILM Ihre Symmetrix-Familie mit billigeren Systemen?

Tucci: Nein, das ist keine Kannibalisierung. Wir verkaufen wesentlich mehr Terabyte im oberen Segment, aber die Preise sinken.

CW: Was wollen IT-Anwender wirklich - Geld sparen beim Kauf billiger Speicher oder Kosten reduzieren mit neuen Lösungen, welche die Komplexität verringern?

Tucci: Eindeutig beides. Wenn ich einen Dollar beim Kauf spare, habe ich einen Dollar gewonnen. Allerdings können Unternehmen sich nicht groß sparen. Informationen sind der Schlüssel zum Erfolg. Sie werden gebraucht, um neue Produkte und Dienste zu entwickeln, die wiederum den Kunden helfen, Geld zu sparen.

CW: Welche Werkzeuge fehlen denn noch in Ihrem Kasten? Große oder kleine?

Tucci: Von den großen Werkzeugen fehlt uns keines mehr. Ein paar kleinere Lücken sind noch zu schließen, aber ich will das nicht kommentieren. Wenn ich voriges Jahr gesagt hätte, dass wir an einer Backup-Company interessiert wären, hätte ich den Preis von Legato hochgetrieben. Es wäre aber dumm, wenn ich behaupten würde, dass allein unsere 5000 Entwickler stets die besten Ideen hätten. Daher investieren wir kontinuierlich in Startups und kaufen kleine Firmen zu.

CW: Analysten werfen Ihnen vor, Sie hätten zu viel Geld für die Übernah-men von Documentum und VMware gezahlt.

Tucci: Niemand kann ernsthaft behaupten, dass VMware zu teuer gewesen sei. Wenn Sie sich das Wachstum der Firma anschauen, sagen dieselben Leute heute, dass wir das Unternehmen vom Markt gestohlen haben. Wir haben gut 600 Millionen Dollar für VMware bezahlt und erwarten dieses Jahr Umsätze von bis zu 250 Millionen Dollar. Das ist für eine Softwarefirma ein ziemlich niedriger Multiplikator. VMware war eine der besten Akquisitionen im Tech-Sektor. Das Kaufverhalten gibt mir Recht, schließlich haben die Kunden die Wahl zwischen verschiedenen Anbietern. Seit wir Legato, Documentum und VMware gekauft haben, konnten wir in jedem Quartal die Erwartungen der Analysten erfüllen oder übertreffen.

CW: Wie passt VMware in Ihre ILM-Strategie?

Tucci: Direkt eigentlich gar nicht. Der Schlüssel für den Erfolg von ILM aber ist die Mobilität und der Schutz der Daten. VMware hilft uns, beide Probleme zu lösen. Zudem glauben wir, dass die kommenden Jahre im Zeichen der Virtualisierung von IT-Ressourcen stehen werden.

CW: Sie haben sich zu einem Anbieter von Hard- und Software gewandelt. Wollen Sie mit EMC eines Tages dorthin wechseln, wo Daten und Informationen entstehen?

Tucci: Nein. Wir werden Partner dieser Firmen bleiben. Ein Beispiel: Mobility ist das kommende Thema, und die Endgeräte werden immer ausgefeilter. Alles, was ich mit meinem "Blackberry"-Smartphone unterwegs erledige, wird zentral bei uns gespeichert. Inhalte wie Spiele oder TV-Shows kommen von außen dazu. Wir erschließen gerade eine On-Demand-Welt, und die liegt nun mal auf Speichern. Der Platz in der Mitte als Infrastrukturanbieter gefällt mir gut. In dieser Mitte werden wir wachsen.