Vista: Weniger .NET als erwartet

18.10.2006
Von Dr. Holger Schwichtenberg

Grafische Werkzeuge unvollständig

Da alle neuen Bibliotheken auf den bestehenden Komponenteninfrastrukturen in Windows aufsetzen, lassen sich diese problemlos in die bisher verfügbaren Versionen der Entwicklungsumgebung Visual Studio einbinden. Für grafische Ansätze wie WPF und WF sind die Entwickler jedoch Designer und Assistenten gewöhnt. Hier stehen bisher nur Alpha-Ausführungen der kommenden Visual Studio-Version (Codename "Orcas") und der an Designer gerichteten neuen Produktfamilie "Microsoft Expression" zur Verfügung. Diese Vorabversionen sollen erst Ende 2007 in fertige Produkte münden. Solange müssen sich die Entwickler entweder mit Eingabehilfe bei der XML-Erfassung begnügen oder mit instabilen Vorabversionen arbeiten.

Fazit

Aus Entwicklersicht blickt man mit gemischten Gefühlen auf Vista. Die Bibliotheken WPF, WCF und WF vereinen mächtige Funktionen und reduzieren den Codierungsaufwand für viele typische Szenarien erheblich. Auf der anderen Seite stehen viele Programmierer nun vor der Qual der Wahl: Die Verwendung dieser Neuheiten bedeutet gleichzeitig, dass die eigene Software auf älteren Betriebssystemen als Windows XP nicht mehr läuft. Für viele Entwickler kommt der Einsatz auch deshalb nicht in Frage, weil man erst vor kurzem auf die mit .NET 1.0 eingeführten WinForms- und Remoting-Bibliotheken umgestiegen ist, die nun hinfällig werden.

Nachdenklich stimmt zudem die Tatsache, dass Microsoft bei vielen der neuen Vista-Funktionen auf die Bereitstellung einer .NET-Bibliothek verzichtet hat und ein .NET-basierendes Werkzeug wie die Power Shell nur als Add-On liefert. Die verwendeten klassischen Ansätze kann man zwar aus .NET heraus nutzen, aber auf Kosten von Komfort und Konsistenz. Es bleibt die Frage, wie Microsoft die Entwicklergemeinde von .NET überzeugen will, wenn das Windows-Entwicklungsteam .NET so stiefmütterlich behandelt.