Führen in dezentralen Teams

Virtuelles Arbeiten ist wie ins Fitness-Studio gehen

10.02.2020
Von 
Silvia Hänig ist Kommunikationsberaterin und Geschäftsführerin der iKOM in München.
Jeder zweite der 600 Mitarbeiter von Auth0, einem Anbieter von cloudbasierten Identitätslösungen, arbeitet in einem dezentralen Team und meist vom Home Office aus. Auth0-Geschäftsführer Eugenio Pace erklärt, wie virtuelles Führen gelingen kann und warum Homeworker Zeit brauchen, um ihren Rhythmus zu finden.
Eugenio Pace ist Gründer und Geschäftsführer von Auth0, einem weltweit tätigen Anbieter für cloudbasierte Identitätslösungen. Er erklärt, wie virtuelles Führen gelingen kann und warum Homeworker Zeit brauchen, um ihren Rhythmus zu finden.
Eugenio Pace ist Gründer und Geschäftsführer von Auth0, einem weltweit tätigen Anbieter für cloudbasierte Identitätslösungen. Er erklärt, wie virtuelles Führen gelingen kann und warum Homeworker Zeit brauchen, um ihren Rhythmus zu finden.
Foto: Auth0

Ihr Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Bellevue, Washington, aber der Großteil ihrer Mitarbeiter ist über den gesamten Erdball verstreut. Wie gelingt virtuelles Führen?

Eugenio Pace: Dezentrales Arbeiten ist ja gerade sehr im Trend. Die Hauptgründe dafür dürfen aber nicht nur Kostenreduktion sein. Vielmehr geht es um das Führen flexibler Teams. Das bedeutet: wir müssen uns mehr um unsere Mitarbeiter in virtuellen Teams kümmern. Wir müssen sicherstellen, dass sie sich austauschen können und engagiert bei der Sache bleiben. Das ist über große Entfernungen und in unterschiedlichen Kulturen nicht einfach.

Wie kommunizieren Sie in den Teams über große Entfernungen weg?

Eugenio Pace: Als Matias Woloski und ich die Firma gründeten, lagen unsere Büros 7.000 Meilen auseinander - in Seattle und Buenos Aires. Also kommunizierten wir als junge Entwickler über Tools wie Zoom oder Slack. Als die Firma dann wuchs, haben wir uns entschlossen, sechs physische Büros zu unterhalten. Dort bekommen die Mitarbeiter ihr Onboarding, ihre Trainings und können sich in ihren Projekten persönlich austauschen. Einmal jährlich lassen wir alle Mitarbeiter zum persönlichen Austausch einfliegen. Heute arbeitet gut die Hälfte unserer rund 600 Mitarbeiter virtuell.

Bei welcher Mitarbeiterzahl liegt die Grenze der virtuellen Führung?

Eugenio Pace: Die Grenzen des virtuellen Leaderships kann man nicht an der Zahl der Mitarbeiter festmachen. Vielmehr geht es darum, wie gut sie zusammenarbeiten. Das Funktionieren der technischen Tools ist dabei das geringste Problem. Wir haben diese virtuelle Arbeitskultur mit ihren Eigenschaften verinnerlicht. Das macht unsere Unternehmenskultur aus.

Unsere lokalen Führungskräfte brauchen spezielle Unterstützung, wenn es darum geht, in interdisziplinären Teams schnell Entscheidungen herbeizuführen. Die Führungskräfte müssen Sorge für die Teamleistung tragen und die Weiterentwicklung jedes einzelnen unterstützen - und das über mehrere Zeitzonen.

Das klingt anstrengend.

Eugenio Pace: Ja richtig, daher ist es auch nicht für jeden automatisch das Richtige. Das stellt sich oft erst im Arbeitsalltag heraus. Auch wir haben diese Erfahrung schon gemacht. Aber Fehlentscheidungen gehören dazu, wenn man das Ziel verfolgt, zu wachsen und die Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen.

Ihre Mitarbeiter in den Ländern arbeiten häufig im Homeoffice und haben meist nur über Video-Conferencing Kontakt zu den Kollegen. Geht das auf Dauer gut?

Eugenio Pace: Entgegen der allgemeinen Annahme "Einmal remote, immer remote", braucht auch diese isolierte Form der Arbeit ab und zu den persönlichen Austausch. Ungeachtet der Technologie, die man einsetzt, ersetzt nichts das Face-to-Face-Gespräch. Darum haben wir auch in bestimmten Regionen unsere Büros, damit sich die Mitarbeiter treffen und ihre Erfahrungen austauschen können.

Wie vermeiden Sie es, dass die Produktivität und Qualität der Arbeit bei der Koordination der virtuellen Teams auf der Strecke bleiben, sagen wir, aufgrund kultureller Verständnisschwierigkeiten?

Eugenio Pace: Besteht das Team aus vielen Kulturen, ist es umso wichtiger, dass alle hinter dem Unternehmensziel und der Vision stehen und wissen, was sie dafür tun können und welchen Einfluss ihr Beitrag auf das Gesamtergebnis hat. Wir arbeiten hier mit so genannten +1 Goals. Diese werden dann auf die regionalen Spezifika angepasst und die Teams an den Standorten unterteilen sie in Quartalsergebnisse. Damit können wir aufkommenden kulturellen Schwierigkeiten weitgehend entgegenwirken.

Wie verhindert Auth0, dass Mitarbeiter im Home Office zu viel arbeiten?

Eugenio Pace: Virtuelles Arbeiten ist vergleichbar mit einem Besuch im Fitness-Studio. Man muss seinen eigenen Rhythmus und seine eigene Struktur finden, um Ergebnisse zu erzielen. Das kostet Zeit. Zudem helfen einige Tools den Mitarbeitern ebenfalls dabei, nicht dauernd präsent zu sein. Nehmen Sie die Slack-Funktion "Do not disturb". Dann wissen alle, man möchte jetzt nicht gestört werden oder ist nicht anwesend.

Andererseits möchte ich als CEO meinen Mitarbeitern hier auch ein Vorbild sein. Arbeit ist ein wichtiger Teil, der zu meinem Leben gehört. Aber es gibt auch andere Projekte, die ich ebenso engagiert tue. Also Commitment ist gut, aber nur wenn es zeitlich nicht ausufert. Mir ist es lieber, dass meine Mitarbeiter am Ende ihres Arbeitslebens auf Auth0 als einen Arbeitgeber zurückblicken, der verantwortungsvoll mit ihrer Zeit und Leistung umgegangen ist.

Sie planen, bis zum Jahresende Ihr Team in Deutschland aufzustocken, unter anderem mit technischer Expertise und Channel-Expertise. Welche Fähigkeiten sollten Auth0-Mitarbeiter in Deutschland mitbringen?

Eugenio Pace: Kundenorientierung ist ein zentrales Thema, dazu gehört auch das Wissen um die regionsspezifischen Bedürfnisse, etwa wenn es um IAM aus der Cloud geht. Vor dem Hintergrund sind hier auch unsere Partner wie AWS, iC Consult oder Squareball sehr wichtig. In Deutschland verlagern immer mehr Unternehmen ihre Identitätslösungen in die Cloud, was für uns eine riesige Chance ist. Wir möchten gerne mit Menschen in Kontakt kommen, die die Herausforderungen von CXOs oder fachlichen Entscheidungsträgern in der Transformation einschätzen können.

Werden diese Mitarbeiter dann in ein Office einziehen können oder brauchen sie lediglich ein gut beheiztes Home Office?

Eugenio Pace: Wir gehen dorthin, wo die Kunden uns brauchen. Unser Team in Deutschland besteht derzeit aus sechs Mitarbeitern. Da ist es durchaus vorstellbar, ein eigenes Office in Deutschland zu eröffnen, inwieweit es dann die Kombination mit Home Offices geben wird, hängt von jedem einzelnen Mitarbeiter, seinen diesbezüglichen Erfahrungen und natürlich den Kundenprojekten ab. Vorgaben gibt es aber nicht.