Gewerbebank Ansbach sponsert den Internet-Auftritt regionaler Anbieter

Virtueller Marktplatz soll Strukturschwäche bekämpfen

12.05.2000
Zuerst spricht der Bankdirektor, dann der Oberbürgermeister, schließlich ist es so weit: Ein Druck auf den symbolischen Startknopf schaltet den virtuellen Marktplatz der Region Ansbach frei. Für dieses Projekt hat die ortsansässige Gewerbebank das Werbebudget eines ganzen Jahres aufgewendet.CW-Bericht, Karin Quack

Die mittelfränkische Kreisstadt Ansbach hat einiges zu bieten: In der und um die schnuckelige Altstadt herum finden sich die markgräfliche Residenz mit ihrer Porzellan- und Fayencen-Sammlung, der Hofgarten, in dem 1833 Kaspar Hauser ermordet wurde, die frisch herausgeputzte St. Gumbertus- und die dreischiffige St. Johannis-Kirche sowie eine barocke Synagoge. Die Geschäfte in der Fußgängerzone laden mit Frühlingsschmuck zum gemütlichen Einkaufsbummel ein.

Nur wenige Meter von der Vorzeigestraße entfernt, zeigt die 40000-Einwohner-Stadt ein anderes Gesicht: Hier steht so manches Ladenlokal leer. Die Gründe sind schnell ausgemacht: Quasi vor der Haustür lockt die Frankenmetropole Nürnberg. Noch näher liegen Großfilialisten wie Aldi und das auf die grüne Wiese geklotzte "Brücken-Center". Mit deren Angeboten kann der Ansbacher Mittelstand kaum noch konkurrieren.

Aus den Einzelhändlern und Kleinunternehmern der landwirtschaftlich geprägten Region rekrutiert sich die Klientel der Gewerbebank Ansbach. "Wir sind eine lokal tätige Bank des gewerblichen Mittelstands", definiert Vorstandssprecher Manfred Geyer die Ausrichtung des Finanzdienstleisters, der dem Verbund der Raiffeisen- und Volksbanken angehört und deshalb "einen genossenschaftlichen Auftrag zu erfüllen" habe: Die Gewerbebank will den Erwerb und die Wirtschaft der Mitglieder fördern.

Was so verzopft klingt, zieht recht zeitgemäße Konsequenzen nach sich: Um ihrem Auftrag nachzukommen, hat die Gewerbebank einen unkonventionellen Schritt unternommen. Sie bietet sich ihren gewerblichen Kunden - und dazu allen interessierten Nicht- oder Noch-nicht-Kunden - als Betreiber eines Internet-Marktplatzes an.

Am 15. April dieses Jahres öffnete www.region-ansbach.de seine Pforten. Und wie es sich für eine Barockstadt gehört, geschah das im Rahmenangemessener Feierlichkeiten.

Schon am frühen Samstagmorgen hatten die Marktteilnehmer der ersten Stunde begonnen, ihre Produkte im Bankhaus und in dessen Vorhof zu arrangieren: Der Innenausstatter Decodomus Runze präsentierte Gartenmöbel aus Teakholz, Zweirad Maider Mountainbikes und der Ansbacher Bauernladen Gemüse, Wurstwaren etc.

Zum Festakt um 10 Uhr fand sich eine ansehnliche Menge Neugieriger ein. Es gab Sekt zur Begrüßung, die zu solchen Anlässen üblichen Reden und die Darbietung eines Alphorn-Jongleurs. Zu guter Letzt sammelten sich Landrat, Oberbürgermeister und Bankdirektoren um den mit weißblauen Rauten dekorierten "StartButton" und schalteten in einem symbolischen Akt die Webpage für die Nutzung frei.

Getreu dem selbstgewählten Wahlspruch "Einkaufen mit Information und Unterhaltung" dient die Internet-Seite als Portal für unterschiedliche Angebote: Sie liefert tagesaktuelle Regionalnachrichten, die die lokale Rundfunkstation "Radio 8" zur Verfügung stellt. Ein elektronisches Memory-Spiel trainiert das Gedächtnis, stachelt den Ehrgeiz an und verspricht einen Gewinn - sofern man bereit ist, Namen und Adresse preiszugeben. Nützlich ist die integrierte Fahrplanauskunft. Zudem gibt es die Möglichkeit, kostenlos private Kleinanzeigen zu platzieren, wofür allerdings ein Telefonanruf beim Provider notwendig ist. Um Feedback von Seiten der Nutzer bittet das Gästebuch.

Dort zeigt sich eine breite Meinungspalette. Die Stellungnahmen reichen von überschwänglicher Begeisterung: "Das beste, was dieses konservative Provinzdorf je gesehen hat" über milde Kritik: "Da fehlen doch mehr Unternehmen, als drin sind" bis zu beißender Ironie: "Ich finde es sehr sinnvoll, wie kleine Läden, für die der Shop nichts bringt, abgezockt werden."

Diese Läden und ihr Angebot stehen im Mittelpunkt des Web-Portals. Bislang haben 15 lokale Anbieter von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen virtuellen Shop einzurichten, wo sie bis zu 20 verschiedene Produkte anbieten können. Mittels einer Warenkorblösung lässt sich das Angebot direkt bestellen.

Die mittelständischen Anbieter beweisen ein feines Gespür für das neue Marketing- und Vertriebsinstrument. So schnüren sie Produktpakete, die in dieser Form nur im Internet zu erwerben sind: Die Metzgerei Maurer bietet ein Wurstsortiment zum Komplettpreis an; ein ähnliches Konzept verfolgt die Bäckerei Fischer mit einer sortierten Brötchentüte, wie sie beispielsweise für den Brunch mit Freunden gebraucht wird.

Die Metzgerei Holch nutzt die Aktualität des World Wide Web, indem sie über ihr täglich wechselndes Mittagsmenü informiert. Der Bäcker macht Gebrauch davon, indem er bis Mitternacht Online-Bestellungen für die Frühstückssemmeln entgegennimmt.

Anders, als die polemische Äußerung im Gästebuch vermuten lässt, kommt die Präsenz im virtuellen Markt die Ansbacher Geschäftswelt günstiger zu stehen als regelmäßige Anzeigen in den Printmedien: Der Online-Shop schlägt mit 250 Mark im Monat zu Buche; 150 Mark kostet es, eine bis zu drei Seiten umfassende "Visitenkarte" zu hinterlassen - eine Möglichkeit, von der bislang etwa zwei Dutzend Betriebe Gebrauch machen. Und wem auch das zu teuer ist, der kann sich gegen eine geringe Gebühr zumindest in das Online-Branchenbuch eintragen lassen.

Bei diesen Preisen dürfte die Gewerbebank kaum auf ihre Kosten kommen: Den Versuch, das globale Medium Internet für eine regionale Nische zu nutzen, lässt sich das Finanzinstitut allein im ersten Jahr etwa 100 000 Mark kosten. Immerhin ist das nur ein Bruchteil der Summe, die die Bayerische Landesregierung für das ähnlich gelagerte, aber umfassendere Vorhaben "Virtueller Marktplatz Bayern" ausgeben will (siehe Kasten "Kleinstädte ins globale Dorf").

Wie das Management der Gewerbebank einräumt, investiert es diese Summe nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, sondern auch in der Hoffnung auf Zulauf von neuen Geschäftskunden. Für die Finanzierung des Projekts hat es deshalb seinen diesjährigen Werbetopf geplündert. In etwa zwei Jahren hofft es, mit www.region-ansbach.de schwarze Zahlen zu schreiben.

Etwaige Gewinne muss die Gewerbebank allerdings mit ihren Partnern teilen: der Ansbacher Werbeagentur Reiter & Schweiger sowie dem Internet-Provider Webatec, der sich selbst mit einem @ in der Mitte schreibt. Die dreiköpfige Startup-Company besteht zu zwei Dritteln aus Studenten der Fachhochschule Ansbach, die schon mit der Idee eines virtuellen Marktplatzes experimentiert hatten, bevor die Gewerbebank darauf einstieg. Während Reiter & Schweiger die grafische Gestaltung der Seiten übernahm, zeichnet Webatec für das Web-Design, die Weiterentwicklung und das Hosting der Website verantwortlich.

Dafür stellt die Bank den Jungunternehmern einen Server aus der Primergy-Familie von Siemens mit einem Raid-Speichersystem der Stufe 5 zur Verfügung. Große Investitionen in die Software erübrigten sich: Webatec setzt auf Open-Source-Produkte wie das Betriebssystem Linux und den Web-Server Apache.

Die Gewerbebank ist mit einer eigenen Homepage (www.gewerbebank.de) im Internet vertreten. Wie Vorstandsmitglied Hermann Meckler ausführt, hat das Marktplatzprojekt den Finanzdienstleister bereits dazu angeregt, seinen Internet-Auftritt grundsätzlich zu überdenken. Beispielsweise soll er um die Möglichkeit zum Online-Brokerage erweitert werden.

Einjahresvertrag mit dem DPD geschlossenPer Link leitet die Gewerbebank ihre Kunden zum regionalen Marktplatz weiter. Noch keine Direktverbindung gibt es hingegen von der offiziellen Seite der Stadtverwaltung (www.ansbach.de) aus. Oberbürgermeister Ralf Felber sorgte jedoch mit einer kurzen Grußadresse und der tatkräftigen Mithilfe beim Start-Click für die ideelle Unterstützung des Projekts.

Dem - von den Gewerbebank-Direktoren als Internet-affin gelobten - Oberhaupt der Stadt Ansbach liegen derzeit aber vor allem seine eigenen Projekte am Herzen. Beispielsweise möchte Felber möglichst bald alle 15 Schulen des Landkreises ans Netz bringen. Zudem hofft er, noch in diesem Jahr den Bürgerinnen und Bürgern den Online-Dialog mit den Verwaltungsorganen zu ermöglichen. Ganz ersparen könne er ihnen den Gang zum Amt allerdings erst, wenn die digitale Unterschrift rechtsgültig werde, klagt er.

Von den rund 100000 Einwohnern im Einzugsgebiet der Kreisstadt haben derzeit etwa 13000 bis 15000 einen Zugang zum World Wide Web, so schätzt die Gewerbebank. Dabei legt sie allerdings keine eigenen Erhebungen, sondern die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zugrunde. Demnach gehört ein knappes Drittel der deutschen Web-Nutzer zu den potenziellen Online-Käufern. Auf die Region Ansbach hochgerechnet, sind das 4000 bis 5000 Personen.

Manfred Onderka von Webatec sieht darin ein ausreichendes Potenzial für einen ernsthaften Versuch mit dem E-Commerce. Einer der Shop-Anbieter habe denn auch umgehend einen Einjahresvertrag mit dem Deutschen Paketdienst (DPD) geschlossen, berichtet der Student der Wirtschaftsinformatik, der die technische Realisierung und Weiterentwicklung von www.region-ansbach.de übernommen hat.

Wie seine Beiträge im Gästebuch bezeugen, ist der junge Mann mit Feuereifer dabei, das Portal weiter zu verbessern. Zudem wollen er und seine beiden Partner die Nutzer mit eventuellen Problemen nicht allein lassen. Vielmehr bieten sie Hilfe bei allen Internet-bezogenen Fragen an - auch im Hinblick auf eine kommerzielle Auswertung der Online-Kontakte.

Kleinstädte ins globale Dorf"Jeden Tag steigt die Zahl der Internet-Nutzer in Deutschland um 15000 Menschen. Täglich eine deutsche Kleinstadt mehr im globalen Dorf!" Diese Worte des Bayerischen Staatsministers Erwin Huber lassen sich auch in einem weit wörtlicheren Sinn verstehen, denn die deutschen Kleinstädte drängt es ins World Wide Village. Kaum eine Gemeinde, die das Medium noch nicht nutzt, um ihre Sehenswürdigkeiten und die örtliche Hotellerie ins rechte Licht zu rücken.

Wie das Beispiel Ansbach zeigt, kann das globalste aller Medien aber auch dazu dienen, die Beziehung zwischen lokalen Anbietern und Konsumenten noch enger zu knüpfen. Auch in der bayerischen Kleinstadt Straubing wurde schon ein Protoyp für einen regionalen Marktplatz entwickelt - allerdings nicht auf private Initiative, sondern als Pilotprojekt für ein Konzept der Bayerischen Landesregierung. Mit dem "Virtuellen Marktplatz Bayern" stellt das Bundesland eine Alternative zu lokalen Unternehmungen wie www.region-ansbach.de in Aussicht, die es sich dem Vernehmen nach knapp eine Million Mark kosten lässt. Der virtuelle Marktplatz soll den bayerischen Landeskindern unter einem Dach eine Plattform für den elektronischen Geschäftsverkehr und ein Insrument für die Kommunikation mit den Behörden eröffnen.

Das Konzept ist - schon aufgrund seiner überregionalen Ausrichtung - ungleich ehrgeiziger als das der Gewerbebank Ansbach. Beispielsweise sollen die Konsumenten die Möglichkeit bekommen, aus dem Gesamtangebot ihren ganz persönlichen Marktplatz zu gestalten. Den - so die Absicht - zumeist mittelständischen Anbietern auf dem virtuellen Markt will die Landesregierung unter anderem Marketing-Unterstützung beim weltweiten Web-Auftritt zukommen lassen.

Aufbau und Betrieb des Internet-Portals werden einem etablierten Anbieterkonsortium obliegen: An der europaweiten Ausschreibung für den "bayernweiten virtuellen Umschlagplatz von Gütern und Dienstleistungen im Internet" hatten sich, so Huber, 130 Bieter beteiligt; den Zuschlag erhielten Siemens Business Services und SAP. Bis Anfang Juli sollen die beiden IT-Anbieter einen vorzeigbaren Prototyp fertigstellen.