Virtuelle Netzbetreiber finden die Nische

29.08.2005
Kommunikationsdienstleister ohne eigenes Netz integrieren weltweit eingekaufte Kapazitäten zu einem einheitlichen Service. Sie sprechen damit international aufgestellte Mittelständler an.
Der Auszug aus Gartners magischem Quadranten belegt die Reife des virtuellen Netzbetreibers Vanco. Die Analysten bemängeln aber Schwächen im Betrieb von Sprachnetzen.
Der Auszug aus Gartners magischem Quadranten belegt die Reife des virtuellen Netzbetreibers Vanco. Die Analysten bemängeln aber Schwächen im Betrieb von Sprachnetzen.

Der Virtual Network Operator (VNO) Vanco kommt mittlerweile auch in Deutschland zu ersten Erfolgen. Ein prestigeträchtiger Abschluss hat den Herausforderer im TK-Markt bekannt gemacht: "Siemens ist der Einstieg ins oberste Segment", freut sich Thomas Wolf, Non-Executive Chairman bei Vanco. Siemens hatte den TK-Dienstleister im September letzten Jahres damit beauftragt, verschiedene MPLS-Netze (Multi Protocol Label Switching) in eine globale Netzwerklösung zu integrieren. Das Auftragsvolumen des Dreijahresvertrags beläuft sich auf 4,3 Millionen Euro.

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• welche Dienste Virtual Network Operators übernehmen;

• an welche Anwenderunternehmen sie sich richten;

• was sie können und was nicht;

• wer die Konkurrenten sind.

VNOs

Vanco hat das Geschäftsmodell des Virtual Network Operator (VNO) bislang am konsequentesten umgesetzt. Das 1988 gegründete Haus nimmt rund 150 Millionen Euro pro Jahr ein. Das Unternehmen liefert weltweit rund 500 Kunden integrierte Kommunikationsdienste. In Deutschland zählt Vanco rund 50 Anwender.

Sirocom wurde 1995 in Großbritannien gegründet und versorgt rund 400 Kunden mit Kommunikationsdiensten, darunter die Bank HSBC und der Fernsehsender BskyB. Bislang ist Sirocoms Geschäft auf den Heimatmarkt beschränkt.

Ähnliches gilt für Virtela. Das Unternehmen aus Denver, Colorado, ist seit dem Jahr 2000 in den USA aktiv. Enge Bande unterhält Virtela zu IBM. Im Rahmen der Partnerschaft verantwortet Virtela für rund 150 Big-Blue-Kunden den Netzbetrieb.

Neben Vanco ist einzig der ebenfalls britische Anbieter ETT mit einer Niederlassung in Deutschland vertreten. Von Düsseldorf aus versucht ETT nicht nur die von Drittanbietern eingekauften Übertragungskapazitäten, sondern auch RZ- und Integrationsdienste zu verkaufen.

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Kleine Anbieter wachsen schnell

Bislang ist Siemens das einzige Dax-Unternehmen, das sich mit Vanco eingelassen hat. Gehör finden dessen Verkäufer jedoch zunehmend in den Einkaufsabteilungen international aufgestellter Mittelständler. Zuletzt übertrugen Anwender wie Südzucker, Drägerwerk sowie der Logistikspezialist Kühne und Nagel dem Virtual Network Provider den Betrieb ihrer Weitverkehrsnetze. Arno Wilfert von der Beratungsgesellschaft Arthur D. Little in Düsseldorf hält diese Klientel auch für die lohnendere Zielgruppe für virtuelle Netzbetreiber: "Große Mittelständler, die eine internationale Anbindung benötigen und deren Kommunikationsbedarf über gelegentliche Telefonate in die Auslandsniederlassung hinausgeht, mag das Angebot interessieren."

Neben Vanco gibt es nur wenige Virtual Network Operators. ETT, Sirocom und Virtela sind weitere Anbieter (siehe Kasten: "Virtual Network Operators"). Sie wachsen alle im deutlich zweistelligen Prozentbereich, doch im Gesamtmarkt spielen sie bis dato keine große Rolle. Vanco nahm im letzten Geschäftsjahr beispielsweise etwas mehr als 104 Millionen Pfund ein (152,6 Millionen Euro) und konnte seinen Umsatz um mehr als 35 Prozent verbessern. Zum Vergleich: Die T-Systems, die die Geschäftskunden des Telekom-Konzerns betreut, erzielte im gleichen Zeitraum mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz. "Die Carrier empfinden die virtuellen Netzbetreiber derzeit nicht als Bedrohung", fasst Wilfert zusammen.

Doch offenbar beobachten die großen TK-Dienstleister die schnell wachsende Konkurrenz sehr genau. Die Telekom wollte beispielsweise Vanco bereits vor drei Jahren den Gebrauch des Marketing-Schriftzugs "Der Global Virtual Network Operator" juristisch untersagen, weil sie dem Betreiber in Abrede stellte, Dienste weltweit anbieten zu können. In dem juristischen Scharmützel zog Vanco den Kürzeren.

Die VNOs sind den klassischen Netzbetreibern ein Dorn im Auge, weil sie weltweite Kommunikationsdienste vermarkten, ohne in eine eigene Infrastruktur investiert zu haben. Um dennoch weltweite Dienste anbieten zu können, unterhalten die Anbieter jeweils ein großes Partnernetz. "Aus den vielen Angeboten formen wir ein Netz mit einem einheitlichen Monitoring", erläutert Wolf die Vorgehensweise. "Wir ordern nicht nur Kapazitäten bei den Carriern und verkaufen sie weiter, wir veredeln die Kommunikationslösungen zu einem Service." Das Geschäft bietet eine Bruttomarge von 30 bis 40 Prozent, unter anderem weil die VNOs nichts in den Netzaufbau und -unterhalt investieren. Ihr Geld fließt in die Entwicklung des Netz-Management-Systems und die Pflege der Kontakte zu Partnern und Kunden.

Gegenüber den klassischen Carriern wähnen sich die kabellosen Kommunikationsdienstleister im Vorteil, weil sie keine Rücksicht auf die Auslastung eigener Netze nehmen müssen. Ein Carrier mit eigener Installation wird seinen Kunden vornehmlich solche Dienste verkaufen, die seiner vorhandenen Infrastruktur entsprechen und sie auslasten. Die VNOs dagegen unterhalten mit den Kunden Verträge mit Laufzeiten von drei bis fünf Jahren. Mit den Carriern vereinbaren sie jedoch Serviceverträge über zwölf Monate. Damit können sie schnell auf veränderte Marktkonditionen eingehen und gegebenenfalls billig einkaufen. Sind bestimmte Leistungen oder Kosten nicht mehr zeitgemäß, wird der Provider gewechselt. Die VNOs versprechen ihren Kunden eine jährliche Anpassung der vereinbarten Dienste und Preise.

VNOs als Subunternehmer

Doch Berater Wilfert von Arthur D. Little bezweifelt, dass es den virtuellen Netzbetreibern häufig gelingt, die Preise der klassischen TK-Anbieter zu unterbieten. Die großen Überkapazitäten im TK-Markt haben in den vergangenen Jahren zu einem enormen Preisverfall geführt. "Die Carrier sind sehr aggressiv in ihrer Preisgestaltung", berichtet Wilfert. "Insbesondere in Deutschland ist der Wettbewerb im Festnetz derart intensiv, das es kaum noch Spielraum für Preisnachlässe gibt."

Die VNOs sind sich dieser Situation bewusst und setzten deshalb verstärkt auf Servicequalität. Da sie sich ausschließlich an Kunden mit internationalen Kommunikationsanforderungen wenden, stehen sie nur in Konkurrenz zu den weltweit tätigen Carriern wie British Telecom, Equant, Deutsche Telekom, MCI und Sprint. "Wir vernetzen alles, jede Niederlassung in jedem Land. Dieses Geschäft wollen viele Anbieter gar nicht betreiben", betont Wolf. Mit regionalen TK-Dienstleistern streben sie hingegen Kooperationen an: Beispielhaft ist eine Partnerschaft, die Virtela mit Singapur Telecom pflegt. Für die Anbindung europäischer Niederlassungen seiner Kunden nutzt der ostasiatische Carrier das virtuelle Netz von Virtela. Zudem unterhält der VNO eine enge Partnerschaft mit IBM: In rund 150 Outsourcing-Deals verantwortet Virtela als Subunternehmer den Netzbetrieb. Die Kooperation zwischen den Partnern ist nicht exklusiv: Für ein Outsourcing-Abkommen mit British Airways holte IBM beispielsweise Vanco ins Boot.

Die Anlehnung an große Dienstleister halten die Analysten von Gartner für dringend erforderlich, weil die VNOs alleine keine bedeutenden Projekte betreiben können. Zudem attestierte Gartner in seinen Beschreibungen zum Magic Quadrant (siehe Grafik: "Europäische Netzbetreiber") den beiden Anbietern Sirocom und Vanco Schwächen in den Angeboten zur Sprachkommunikation. Unterm Strich sei das Angebot aber für Anwender, die nur einen Ansprechpartner für die Anbindung vieler Niederlassungen wollten, erwägenswert. Arthur-D.-Little Berater Wilfert bleibt dagegen skeptisch: "Ich halte das Geschäftsmodell der virtuellen Netzbetreiber für endlich. Mit der Einführung von Voice over IP benötigen die Unternehmen nur noch einen lokalen Anbieter für den Zugang. Der Einkauf und Wiederverkauf von internationalen Kapazitäten erübrigt sich damit."