MC-Team: IT muß Wandel zum Dienstleister vollziehen

Virtuelle Märkte machen DV endgültig zur Chefsache

29.08.1997

Der Slogan "IT als strategische Waffe" hatte bis Ende der 80er Jahre Hochkonjunktur, geriet dann jedoch im Zuge der Outsourcing-Diskussion in Vergessenheit. Inzwischen wird diesem Aspekt jedoch nach Ansicht der ehemaligen Diebold-Berater wieder deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Jedenfalls glaubt offenbar heute kein verantwortlicher Unternehmenslenker mehr, daß Produktivitätsfortschritte und stärkere Kundenorientierung ohne den Ausbau entsprechender IT-Strukturen erreichbar sind.

Die Antwort, warum dies so ist, steht für das MC-Team ebenfalls fest. Das Internet hat die Schlagzeilen erobert und zieht massive Konsequenzen für die Business-to-Business- und Business-to-Consumer-Kommunikation nach sich. Erstmals sind Privat- und Geschäftskunden ohne teures zusätzliches Equipment online erreichbar - weltweit, wie bis dato nur per Telefon. Diese Möglichkeit zur Online-Kommunikation dürfte nicht nur die künftigen Umsätze beeinflussen, sondern auch den internen Informationsfluß in den Unternehmen gravierend verändern, heißt es in der Analyse weiter. Hinzu kommt die Option des Aufbaus kostengünstiger interner IT-Strukturen mit Hilfe von Intranets.

Wer diese Technologien nutzt und sich auf die Herausforderungen neuer virtueller Märkte einstellt, für den sind signifikante Erfolge absehbar - nicht nur im Sinne einer Kostenreduzierung.

Rationalisierungseffekte oder gar Wachstumsschübe durch Online-Kommunikation mit Geschäftspartnern und Kunden dürfen nach Auffassung der Consultants aber nicht schlagartig erwartet werden.

Sie kommen nur in dem Maße zustande, in dem sich Verhaltens- und Arbeitsweisen ändern - bei Kunden, aber auch intern, vom Sachbearbeiter bis zum Management. Nur dann, wenn die Kunden online bestellen können, wandelt sich ihr Kaufverhalten; nur dann, wenn intern alle modernen Formen der Information und Kommunikation genutzt werden, setzt sich die Philosophie des "neuen Unternehmens" durch.

Die bei IT-Innovationen verbreitete Einstellung, die Vorreiterrolle mit dem Verweis auf unvermeidliche Kinderkrankheiten zuerst einmal anderen, womöglich Wettbewerbern zu überlassen, sei daher fehl am Platze. Vielmehr sollte die Firmenleitung wie im Kerngeschäft auch in der IT die unternehmerische Führung ausüben und sich durch entsprechende Innovation und Flexibilität auszeichnen. Aus der Chefetage müsse "top-down" die Richtung für den Einsatz neuer IT-Technologien vorgegeben werden, fordern die Consultants.

Diese skizzierte Führungsrolle der Geschäftsleitung macht deutlich, daß das Internet endgültig den von Experten schon seit längerem geforderten Wandel des IT-Managements beschleunigt hat. Strategisches IT-Management darf demnach nicht länger ausschließliche Domäne der IT-Experten sein. Eine, wie die Berater zugeben, nicht ganz neue Forderung, die nun aber angesichts verbreiteter WWW- und Intranet-Tools sowie dem Trend zu branchenspezifischer Standardsoftare nicht mehr an zu komplexen Lösungen und zu hohen Kosten zu scheitern droht.

Was bedeutet dies konkret für die IT-Abteilungen in den Unternehmen? Strategisches IT-Management und die Bereitstellung operativer IT-Services driften endgültig auseinander. Die Steuerung und die Verantwortung für die Effektivität der IT müsse daher als immanenter Teil der strategischen Führung der Unternehmensleitung vorbehalten bleiben. IT-Experten haben diese hinsichtlich der technischen Machbarkeit zu beraten, ansonsten müßten sie sich auf die Bereitstellung effizienter Services beschränken.

In rund 90 Prozent der Unternehmen entwickeln nach Einschätzung des MC-Teams nach wie vor ausschließlich IT-Experten die IT-Strategie - ein Zustand, der zwar genügt, um Abläufe oder das vorgegebene Geschäftskonzept zu optimieren, letztlich aber ungeeignet ist, weitere Wachstumspotentiale zu erschließen. Die IT müsse vielmehr das Fundament neuer Geschäftsideen und damit spezifischer Kombinationen aus Produkten, Dienstleistungen, Vertriebswegen und der Neuorganisation von Geschäftsabläufen bilden (siehe Abbildung 1). Entscheidungen über den Einsatz von IT sollten daher im Rahmen der Strategieplanung des Vorstandes fallen.

Doch damit nicht genug. Auch die Realisierung von IT-Vorhaben könne nach der Freigabe der Investitionen nicht alleine dem mittleren Management und den IT-Experten überlassen werden. Sie müsse vielmehr in die Strategie-Implementierung integriert werden, fordern die Berater. Schließlich gehe es nicht länger um die "Automatisierung" existierender Abläufe, sondern um Wachstum, das ausschließlich durch neue Geschäftskonzepte auf der Basis innovativer IT-Lösungen generierbar ist.

Konsequenz: Produktion, Marketing und Vertrieb müßten reorganisiert; die Implementierungszeiten für neue IT-Lösungen mindestens halbiert werden. Denn eines steht für Experten des MC-Teams fest: Der Einsatz von IT senkt die Markteintrittsbarrieren. Mangelnde Flexibilität in diesem Bereich ist damit zu einer unmittelbaren Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit geworden.

Was muß nun aber im (IT-) Plichtenheft der Unternehmensleitung stehen? Um Wachstumspotentiale zu realisieren, reicht es nicht mehr aus, das IT-Konzept auf Geschäftsprozesse zuzuschneiden, eine kundenorientierte Führungsorganisation zu konzipieren oder Planungs- und Steuerungssysteme zu entwerfen, die niedrige Bestände und hohe Lieferbereitschaft sichern, schreiben die Berater den Vorständen ins Stammbuch. Vielmehr komme es auf den Konsens der gesamten Geschäftsleitung an, auf ein geradezu visionäres Grundverständnis im Hinblick auf die zukünftige Geschäftsabwicklung, das alle Ideen, die dazu geeignet sind, Vorteile im Markt zu erzielen, bündelt (siehe Abbildung 2).

Der Einwand früherer Tage, daß dazu im Vorstand oft die erforderliche technische Kompetenz fehle, hat sich für das MC-Team als verhängnisvoller Trugschluß erwiesen. Mehr denn je ist nicht etwa Detailwissen gefragt, sondern auf die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen. IT-Experten können technische Alternativen erläutern und die Machbarkeit von Ideen verifizieren - die innere Sicherheit und Überzeugung über die strategische Ausrichtung müsse die Geschäftsleitung selbst gewinnen.

Keine Kontrolle über die IT-Investitionen mehr

Den IT-Abteilungen steht damit ein oft noch steiniger Weg bevor. Sie müssen sich - wie es ihre "Kundschaft" in vielen Fällen längst getan hat - den Erfordernissen neuer Techniken und Märkte anpassen. Nicht einfacher wird dies durch die Tatsache, daß die Wahrnehmung des strategischen IT-Managements durch den Vorstand vielen DV-Bereichen ihre frühere Geschäftsgrundlage entzieht: Mitverantwortung für die Wirtschaftlichkeit von Arbeitsabläufen und Kontrolle der IT-Investitionen.

Die "IT-Shops" der Zukunft sollten sich daher, so das Fazit, darauf konzentrieren, den unterschiedlichen Geschäftsbereichen des Unternehmens konkurrenzfähige und kundenorientierte Dienstleistungen zu liefern. Damit besitzen sie nicht länger die Rolle einer Stabs- oder Querschnittsfunktion, sondern sind eher mit einem selbständig agierenden Unternehmen vergleichbar. Gelingt dies nicht, droht dem MC-Team zufolge das Outsourcing. Anders formuliert: Firmen werden in Zukunft IT-Services von dem kaufen, der sie am besten zur Verfügung stellen kann.