Virtualisierung im IT-Alltag

01.12.2006
Von 
Andrej Radonic ist Experte für Virtualisierung, Cloud-Technologien und Open Source Anwendungen. Der Fachbuchautor ist Vorstand der interSales AG und entwickelt für mittelständische Unternehmen anspruchsvolle E-Commerce Lösungen.
Die erste internationale Virtualisierungskonferenz in Deutschland unterstrich die Bedeutung des Themas und präsentierte Lösungen, aber auch Herausforderungen für die tägliche Arbeit von IT-Spezialisten.

Auf ausgesprochen positive Publikumsreaktionen ist die internationale Virtualisierungskonferenz im Kontext der letzten Linuxworld Conference & Expo in Köln getroffen. Das Treffen beschäftigte sich als plattformneutrales Technologieforum mit technischen Grundlagen, Administration und Management, Applikationen und Tools sowie Innovationen zur Virtualisierung von IT-Strukturen.

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1207971: Server in virtuelle Maschinen über- tragen.

Dem Organisator und Chairman dieses Technologieforums, Tom Schwaller - Linux-IT-Architekt bei IBM - gelang dabei das Kunststück, nicht nur ausgewiesene internationale Experten zum Thema in Köln zu versammeln, sondern auch das komplette Spektrum dieser umfassenden Technik in zwei Vortragstagen auf hohem technischem Niveau aufzubereiten. Anschließend konnte sich Schwaller über die große Beachtung dieser Veranstaltung freuen und gleich eine Fortsetzung mit neuem thematischem Schwerpunkt ankündigen: "Im nächsten Jahr werden wir auch interessante Anwenderberichte ins Programm nehmen."

Einigkeit herrschte unter den Experten vor allem in drei Punkten: Erstens bringt Virtualisierung durch die Möglichkeit, die IT-Infrastruktur zu verbessern, Kosten zu sparen und Ressourcen effizienter zu managen, nachweisliche Vorteile für Unternehmen. Zweitens existieren leistungsfähige, anwendungsreife Produkte. Und drittens ist bei aller Euphorie noch viel Arbeit zu leisten, bis der erhoffte Schritt von der Server- zu einer Service-orientierten automatisierten IT-Umgebung vollzogen ist.

Die Vertreter der führenden Hersteller für Server-Virtuali- sierungslösungen - VMware, Microsoft, Xensource, SWsoft/ OpenVZ, Linux Vserver, Sun sowie natürlich IBM als Virtualisierungspionier - demonstrierten denn auch die Tauglichkeit ihrer Produkte für den geschäftskritischen Einsatz. Dabei wurde eines klar: Bei den Anwendern entsteht eine heterogene Technik- und Produktlandschaft. Und um diese interoperabel zu gestalten sowie ein durchgängiges Management virtueller Maschinen zu realisieren, müssen in absehbarer Zeit Standards geschaffen werden.

Auf dem Weg zu Standards

Erste Ansätze zeichnen sich allmählich ab. Zum einen entsteht eine Linux-Kernel-API für paravirtualisierende Hypervisoren ("paravirt_ops"). Zum anderen berichteten Steven Hand, Lead Architect von Xen, Jan Wildeboer von Red Hat sowie Kurt Garloff von Novell Suse von diversen Schnittstellen (CIM DMTF-Provider, libvirt, libxen), die in nächster Zukunft das Andocken beispielsweise von Xen in bestehende Management-Produkte ermöglichen sollen. Bei Hewlett-Packard und SWsoft sind auf Basis der vorhandenen Tools Entwicklungen im Gange, um plattformübergreifendes Management für verschiedene Virtual Machine Manager (VMM) zu ermöglichen.

Daneben entstehen im Rahmen der Kooperation zwischen Microsoft und Xensource beziehungsweise Novell Suse Ansätze für Interoperabilität zwischen dem künftigen Microsoft-Hypervisor und der Xen-Software. So soll in Zukunft laut Steven Hand ein Xen-Gast unter Windows ausführbar werden und umgekehrt. Eine klare Strategie zeigte Jan Wildeboer für Red Hat auf: Während hier der Fokus öffentlichkeitswirksam auf Xen liegt, ist es das erklärte Ziel, auch andere bedeutende Produkte wie VMware ebenbürtig zu unterstützen und im Sinne der Kunden in die Management-Tools und -Konzepte zu integrieren.

Elsie Wahlig, AMD Fellow in AMDs Microprocessor Solution Center, und Sunil Saxena, Senior Principal Engineer in Intels Open Source Technology Center, präsentierten die neue Generation von Pacifica- und Vanderpool-Prozessoren mit immer ausgefeilteren Virtualisierungsmechanismen, wie sie heute bereits von Xen und VMware genutzt werden.

Wirkungen auf tiefe Ebenen

Von Seiten der Chiphersteller sind in nächster Zeit vor allem Verbesserungen bei der Input-Output-Unterstützung zu erwarten, um die Performance virtueller Maschinen bei Schreib- und Lesevorgängen zu beschleunigen sowie die Entwicklung effizienterer Hypervisor-Software zu ermöglichen.

Neben den Prozessoren sollen sich auch die virtualisierten Betriebssysteme selbst besser auf die Virtualisierung einrichten. So werden in Zukunft paravirtualisierte Treiber beispielsweise für Windows eine wichtige Rolle spielen, um das I/O-Verhalten sowie beispielsweise die Grafikausgabe als (Xen-) Gast zu optimieren.

Virtualisierung hat inzwischen konsequenterweise auch den Storage- sowie Networking-Bereich in Form konkreter Lösungen und Produkte erreicht. Sascha Oehl von Hitachi Data Systems berichtete von aktuellen Speicherlösungen, mit denen in einem SAN auf Basis von "Eluns" virtuelle Speicherbereiche abgebildet werden, um applikationsorientiert eine gute Verwaltbarkeit zu erreichen und von den darunter liegenden Hardwarekomponenten - auch herstellerübergreifend - zu abstrahieren.

Dem internationalen Auditorium dürfte in den zwei Tagen klar geworden sein, dass das Management virtualisierter Umgebungen eine der Hauptherausforderungen darstellt. Universelle Methoden oder gar Produkte für das Zusammenführen, Verwalten, das dynamische Provisionieren, die Abbildung von Sicherheitskonzepten sowie der "Blick aufs Ganze" sind derzeit noch nicht vorhanden. So überraschte es nicht, dass die Konferenz kein klares Bild von einer übergreifenden Vision für die Zukunft der Virtualisierung zu vermitteln vermochte. Zu sehr sind die Aktivitäten anscheinend noch dominiert von der Sicht des jeweiligen Herstellers auf sein angestammtes Gebiet: Der Blick über den Tellerrand - sprich hin zur Integration - ist noch nicht sehr ausgeprägt. (ls)