Lufthansa Systems

Virtualisiert zur Community-Cloud

07.05.2013
Von Hartmut  Wiehr
Mit Hilfe von Cloud-Modellen will der Outsourcing-Provider neue Kunden anlocken.

Seit ihrer Ausgründung aus der IT-Abteilung der Lufhansa, also seit 1995, ist Lufthansa Systems (LH Systems) auch am externen Markt aktiv. Das Spinoff kümmert sich inzwischen nicht nur um die IT der Mutter Lufthansa, sondern auch um die von anderen Fluggesellschaften. Etwas weniger als 60 Prozent des Umsatzes tätigt LH Systems gegenwärtig mit Gesellschaften aus dem Konzern, darunter auch die Swiss oder Austrian Airline. Entsprechend stammen rund 40 Prozent aus dem Geschäft mit anderen Unternehmen: Zirka 300 Airlines weltweit stehen heute auf der Kundenliste; dazu kommen weitere 150 Unternehmen.

Know-how-Transfer mit Konkurrenz

Jörg Liebe, Chief Information Officer von LH Systems, sieht kein Problem im Service für die Mitbewerber: Outsourcing oder Ausgründung tangierten nicht die Kernkompetenz. In vielen Industrien gebe es solche firmenübergreifenden Kooperationen

Foto: D. Ott_Fotolia

Wie Liebe einräumt, gab es ursprünglich aber durchaus langwierige interne Diskussionen, ob man für unterschiedliche Kunden den gleichen IT-Leistungsstand garantieren dürfe. Das Ergebnis zeige aber, dass das funktioniere: "Wir kommen uns da nicht in die Quere." Außerdem sei das genau die Positionierung, die mit der Ausgründung 1995 beabsichtigt gewesen sei, "ähnlich wie übrigens bei Lufthansa Technik, Lufthansa Cargo oder LSG Sky Chefs". Der Konzern habe damals das jeweilige Know-how nicht nur für Lufthansa Passage, sondern explizit auch für andere Airlines einsetzen wollen.

Darüber hinaus profitiert offenbar auch LH Systems davon, sowohl im internen als auch im externen Markt aktiv zu sein. "Aus unserer Tätigkeit für den Lufthansa-Konzern können wir viel Know-how in unsere anderen Projekte einbringen", geht Liebe ins Detail, "umgekehrt führen wir von dort wieder viel Wissen und Fähigkeiten in unsere Leistungen für den Lufthansa-Konzern zurück."

Nicht vergessen sollte man in diesem Zusammenhang zweierlei: Jeder Kunde aus der Luftfahrtindustrie hat seine eigenen Service-Level-Agreements (SLAs) mit LH Systems vereinbart. Darüber hinaus verfügt er immer noch über eine eigene IT-Mannschaft, die die Arbeitsteilung steuert und überwacht.

Jörg Liebe, CIO bei Lufthansa Systems: „Outsourcing tangiert nicht die Kernkompetenz einer Airline.“
Jörg Liebe, CIO bei Lufthansa Systems: „Outsourcing tangiert nicht die Kernkompetenz einer Airline.“
Foto: Lufthansa Systems

Virtualisierung gehört laut Liebe schon lange zu den Aktivitäten der LH Systems: "Wir haben in unseren Rechenzentren bei den Server-Infrastrukturen im Microsoft-Umfeld einen Virtualisierungsgrad von nahezu 80 Prozent und im Unix/Linux-Umfeld auf Basis von VMware sogar über 90 Prozent erreicht." Jetzt sei LH Systems dabei, mit Hilfe von VMware weltweite, aber lokale Cloud-Dienstleistungen aufzubauen. Mit solchen Angeboten will der Dienstleister seine Position auf dem Markt festigen.

Pilotprojekt in der Cloud

Liebe verweist hier auf ein Pilotprojekt für die eigenen Cloud-Ambitionen: Darin stellt LH Systems den Flugkapitänen aktuelles Kartenmaterial und tagesgenaue Airport-Informationen zur Verfügung. Bisher wurden auch im Normalbetrieb alle 28 Tage neue Karten auf Papier verteilt - ein enormer Aufwand, mit dem trotzdem nie alle Piloten rechtzeitig erreicht wurden.

Mit Hilfe einer App werden diese Informationen den Piloten jetzt regelmäßig zur Verfügung gestellt. Dabei muss derzeit jeweils ein Datavolumen von 400 bis 600 Megabyte in einem Zeitfenster von zwei Tagen verteilt werden. LH Systems verschickt die Updates nun nicht mehr von einem Rechenzentrum aus, sondern verteilt sie auf verschiedene Stationen - in einem Cloud-ähnlichen Prozess.

"Das ist unser Pilotprojekt für künftige Vorhaben", konstatiert Liebe: "Mit diesem Verfahren wollen wir in der Lage sein, in einem Rechenzentrum in der Nähe des Kunden IT-Rechenleistungen oder Applikationen anzubieten. " LH Systems übernimmt das Management für die abgerufenen Anwendungen aus einem darauf spezialisierten Rechenzentrumsbetrieb. Inzwischen werde sogar das Management für das Lufthansa-RZ in Kelsterbach von Budapest aus erbracht, bekennt der CIO.

LH Systems entwickelt also eine definierte Infrastruktur auf der Softwareseite, die dann auf vom Kunden ausgewählte Rechenzentren überspielt wird. Wie Liebe berichtet, ziehen es viele Unternehmen vor, IT-Dienstleistungen von einem Rechenzentrum in ihrer Nähe zu beziehen. Man habe eine Reihe von RZs durch VMware zertifizieren lassen, so dass die Kunden die Auswahl in Sachen geografische Nähe hätten.

Private, nicht public

Foto: Sergey Nivens, Shutterstock.com

Allerdings sieht sich LH Systems ausschließlich als Anbieter einer Private oder Community-Cloud für Airlines und Industriekunden; Pläne in Richtung Public Cloud gebe es derzeit nicht, beteuert Liebe. Mit der Virtualisierung werde der alte Outsourcing-Ansatz fortgesetzt - nur mit der Möglichkeit, den Kunden ganz andere Preisvorteile einzuräumen.

Man beobachte aber ausführlich den Markt für Public-Cloud-Angebote, so Liebe, um bestimmte Modelle in die eigenen Private-Cloud-Ansätze aufnehmen zu können, beispielsweise hinsichtlich Storage-Angeboten: "Kauft man Storage-Kapazität direkt bei einem Hersteller ein, muss man fast immer feststellen, dass die Preise nach einem Jahr wieder um 20 bis 25 Prozent gesunken sind." Bei Storage aus der Cloud hingegen beziehe man immer nur die tatsächlich genutzte Menge - zu Tagespreisen.

Amazon gibt den Takt vor

Amazon S3 hat also seine Wirkung auf die Provider im Business-Umfeld nicht verfehlt. HP, British Telecom, Colt, T-Systems oder auch LH Systems arbeiten intensiv daran, mit vergleichbar attraktiven Angeboten die Kundengunst (zurück) zu gewinnen.

Klassische Outsourcer und neue Cloud-Provider müssen sich nolens volens am Erfolg von Amazon orientieren. Zwar kann LH Systems mit dem Pfund der starken Stellung im Aviation-Sektor wuchern, direkte Konkurrenten gibt es hier nicht so viele. Aber das kann sich auch ändern. (qua)