Streettalk-Services für Netware-Anwender

Vines für SCO Unix 1.0: Banyan will Novell erneut herausfordern

07.08.1992

MÜNCHEN/WESTBORO (gh/ IDG) - Ein Jahr nach der ersten Ankündigung machen Banyan Systems und die Santa Cruz Operation (SCO) Ernst mit der Integration des Netzwerk-Betriebssystems Vines in Standard-Unix-Umgebungen.

Als erstes Produkt soll ab September "Vines für SCO Unix 1.0" ausgeliefert werden. ausgeliefert werden. Banyans Unix-Engagement vor allem als Kampfansage an Marktführer Novell, der mit "Unixware" eine vergleichbare Unix-Lösung anbieten wird.

Durch die im August 1991 eingegangene Kooperation mit dem Open-Systems-Software-Anbieter SCO waren die Banyan-Verantwortlichen in Westboro im Vergleich zu den Hauptkonkurrenten Novell und Microsoft relativ spät auf den Unix-Zug aufgesprungen. Um so schneller trägt nun, wie es scheint, die technische Allianz erste Früchte. Vines für SCO Unix 1.0 ist jedenfalls das erste Produkt, das die Vines Netzwerksoftware im bisher abgeschlossenen Unix-Kernel portiert oder darauf aufsetzt.

Die Vines-Services laufen dabei nach Angaben von Banyan Systems direkt auf dem SCO-Unix Betriebssystem, wobei die SCO-Plattform in einen Vines-Server umgewandelt wird.

Durch die Integration wesentlicher Vines Services, etwa des unternehmensweiten Verzeichnisdienstes "Streettalk", "Vines-Mail" sowie unterstützender Security- und Netzwerk Management-Features in SCO-Unix sollen vor allem, wie Paul Bosse. seit kurzem für Deutschland zuständiger Banyan Manager Market Development, bei der Produktpräsentation ausführte, "bedienungsfreundliche Unix-an-PC-Verbindungen ermöglicht werden''. Auf diese Weise könnten PC- und Unix-Anwender Dateien und Drucker unter Verwendung von Standard-Unix-Protokollen, insbesondere TCP/IP, NFS und LPR, gemeinsam nutzen.

Daß die Wahl der Banyan Verantwortlichen in puncto Unix-Öffnung auf SCO fiel, war schon bei der Ankündigung vor einem Jahr mit der führenden Stellung der Open-Systems-Company im Unix-Markt begründet worden. Unabhängig davon verfügt Vines für SCO Unix 1.0 laut Banyan auch über Connectivity-Ports zu Unix-Plattformen anderer Hersteller, beispielsweise von DEC, HP, IBM, NCR oder Sun. Nicht bestätigen wollten Banyan-Verantwortliche in diesem Zusammenhang kursierende Gerüchte, daß bereits an jeweils spezifischen Vines Portierungen für die Plattformen der genannten Hersteller gearbeitet werde.

Banyan verfolgt klare Produktstrategie

Klar umrissen hingegen wurde von Banyan-Manager Bosse die Strategie, die das Unternehmen mit dem Produkt Vines zukünftig verfolgen möchte. Demnach sollen zum einen die originären Vines-Versionen als kostengünstiges Einstiegsangebot im Bereich Enterprise Networking beibehalten und deren Absatz nach Möglichkeit forciert werden. Zweites Standbein der Banyan-Strategie ist die Öffnung diverser Unix-Umgebungen für die Vines-Netzwerk-Services.

Drittes und bisher in dieser Deutlichkeit nicht artikuliertes Ziel ist die Interoperabilität zu direkten Konkurrenzprodukten, etwa Novells Netware.

Vor allem letzteres könnte nach Ansicht von Analysten Banyan als bisher "ewigem Dritten" im Netzwerk-Business verstärkt die Tür zu Novell-Anwendern öffnen, die dann - ohne ihre bisherigen Investitionsentscheidungen in Frage stellen zu müssen - die Möglichkeit hätten, Vines quasi als LAN-übergreifende, unternehmensweite Connectivity-Lösungen einzusetzen.

Verstärkt wird diese Annahme durch die Tatsache, daß man bei Banyan mit der Annäherung an die Novell-Welt vor allem die in Anwenderkreisen geschätzten Vines-Features wie Streettalk im Auge hat und damit eben genau diejenigen Directory-Services, die Novell seiner Netware-Clientel erst ab dem - frühestens zum Jahresende erhältlichen - Release 4.0 zur Verfügung stellen wird. Wenn Banyan diese Vines Services nun - vermutlich ebenfalls zum Jahresende - allen Netware-2.2- und 3.11-Benutzern als, "Zusatzpaket" anbietet, könnte dies, so die Mutmaßung in US-amerikanischen Branchenkreisen, zunächst einen Großteil der Netware Anwender davon abhalten, zu Netware 4.0 zu migrieren.

Probleme könnte Marktführer Novell aber auch schon mit dem jetzt präsentierten Vines für SCO-Unix 1.0 zu bekommen. Der Grund: Das SCO-Banyan-Produkt entspricht

von seiner Grundkonzeption - der Implementierung von Netzwerk- und Unix-Betriebssystem- Software in einer Box - der Joint-venture-Lösung "Unixware", die Novell zusammen mit den Unix System Laboratories (USL) als Produkt der gemeinsamen Tochter Univel Ende des Jahres auf den Markt bringen will. Das Paket wird nach entsprechenden Ankündigungen im November auf den Markt kommen und neben der im Juni erschienenen Version 4.2 des Standard-Betriebssystems Unix System V auch weitreichende Netware Features beinhalten. Es soll überwiegend von Novell vertrieben werden.

Der Vertrieb von Vines für SCO-Unix 1.0 wird, wie Vertreter von Banyan und SCO betonten, über die herkömmlichen Banyan- und SCO-Distributionskanäle abgewickelt. Beide Firmen wollen dabei den Anwendern in Fragen des Supports einen voneinander unabhängigen, nicht an die Komponenten des jeweiligen Herstellers gebundenen Full-Service bieten. Die empfohlenen Richtpreise liegen nach Angaben von Banyan - je nach Konfiguration (inklusive Streettalk-Verzeichnis, Security-, Management- und Client-Services) - zwischen

10 000 und 35 000 Mark.