Bildschirmtext in den USA bisher noch Stiefkind der Branche:

Viewtron hat vor allem große Probleme

06.04.1984

NEW YORK (CW) - Das amerikanische kommerzielle Bildschirmtextsystem "Viewtron" hat bisher nicht den Erfolg gebracht, den sich der Verlag Knight-Ridder als Initiator erhofft hat. Seit Oktober 1983 haben sich erst rund 2000 Haushalte von insgesamt 200 000 Haushaltungen im Versuchsgebiet Miami dem Projekt angeschlossen, obwohl dem Ganzen eine dreijährige Vorlaufphase und ein Aufwand von mehr als zwölf Millionen US Dollar vorangegangen war.

Die Probleme, mit denen "Viewtron" zu kämpfen hat, ähneln denen, die auch bei dem britischen Prestel-System aufgetreten waren: Die Teilnehmer beklagen langweilige Programme wie Wettervorhersage oder Tips für die Katzenhaltung und bemängeln vor allem die hohen Kosten. So muß jeder "Viewtron"-Benutzer für das Spezial-Terminal 600 Dollar zahlen, die Miete beträgt pro Monat zwölf Dollar zuzüglich einem Dollar pro Stunde für Telefongebühren. Bereits im Herbst letzten Jahres waren Zweifel -am "Viewtron"-System laut geworden: In der Branche hieß es, wer nicht über einen Mikrocomputer den Bildschirmtext-Dienst angehe, der werde nicht erfolgreich sein.

Die von "Viewtron" gebotenen Einkaufs- und Bankgeschäftsmöglichkeiten haben nach Meinung von Kritikern bisher lediglich dazu geführt, daß die Kunden zwar Versandhandelskataloge und die letzten Börsenkurse im Wohnzimmer abrufbar haben, ohne jedoch vielmehr damit tun zu können, als dem Broker die Nachricht zu hinterlassen, er möge doch zurückrufen.

Auch andere Gesellschaften, die ähnliche Systeme anbieten, sehen sich mit den gleichen Problemen konfrontiert. Das Telecom-System von Continental in Manassas/Virginia zum Beispiel wurde bereits im vergangenen Jahr wieder eingestellt. In den Verlagen von Washington Post, Los Angeles Times und Boston Globe denkt man daher immer noch darüber nach, ob man sich auf dieses Gebiet überhaupt vorwagen soll.

Die große Frage im Hinblick auf die weitere Zukunft von Bildschirmtext in den USA ist derzeit, ob die Bemühungen von CBS, IBM und Sears Roebuck vom Markt positiv oder negativ bewertet werden: Diese drei Großunternehmen haben ein Projekt initiiert, das als Endgerät einen Mikrocomputer benutzt und nicht ein spezielles Terminal erforderlich macht. Das System wird den Nutzer weniger als die Hälfte dessen kosten, was er für "Viewtron" berappen muß.

Die amerikanische Wirtschaftspresse stellt mittlerweile Überlegungen an, warum die großen Drei auf dem Feld "Bildschirmtext" agieren. So schreibt etwa der "Economist", DV-Branchenführer IBM wolle nicht ins Hintertreffen geraten, wenn Btx via Mikrocomputer ein Renner wird, und daß der Einzelhandels-Riese Sears, Roebuck + Co das neue Medium nicht J. C. Penney Co, der Nummer zwei im US-Markt, überlassen will. Der Schlüssel für den Erfolg von Bildschirmtext in den Vereinigten Staaten liegt jedoch nach allgemeiner Einschätzung bei CBS und damit bei der Programmgestaltung: Der Branchenführer bei Hörfunk und Fernsehen hat die Aufgabe übernommen, in dem neuen System all das zu offerieren, was das Publikum will.