Vier EDV-Hersteller bieten in Postausschreibung für Bildschirmtextsystem mit:Post baut bei Btx auf große Erwartungen

14.01.1983

WIEN (eks) - Die Latte hoch gelegt hat die österreichische Post sich und den Anbietern beim kürzlich ausgeschriebenen Btx-System für den Vollbetrieb. Als Dimension für den Endausbau werden eine Million Teilnehmer angenommen. Vier EDV-Hersteller gaben, zumeist zusammen mit anderen Datenkommunikationsfirmen, Angebote ab: DEC, Honeywell Bull, IBM und Siemens.

Am 22. September 1982 schrieb die Post ihr zukünftiges Bildschirmtext-System aus, am 29. November war Abgabetermin. Die Postfüchse sind also jetzt unter Zeitdruck. Buis

Ende Februar 1983 versprachen sie den Zuschlag. Die erste Ausbaustufe soll bereits zu Jahresbeginn 1984 in Betrieb sein.

Den Anbietern wurde folgende Struktur des zukünftigen Systems vorgegeben:

- Ein Kontrollzentrum überwacht die eigentlichen, regional verteilten Btx-Rechner. Im Kontrollzentrum befindet sich eine Referenzdatenbank mit allen Seiten des gesamten Systems. Auch die Administration ist zentralisiert.

Statistische Auswertungen, Gebührenabrechnung, aber auch Diagnostics und Restart der regionalen Rechner laufen am Kontrollrechner.

- Die regionalen Zentren enthalten die jeweils regionale Datenbank. Die Redundanz zur Referenzdatenbank wird in Kauf genommen. Über Bereichscodes, vergleichbar mit Telefonvorwahlnummern, wird jeder Teilnehmer aber auch andere regionale Datenbanken erreichen können. Wenn aus der Statistik der Seitenzugriffe festgestellt wird, daß bei bestimmten Seiten zu häufig auf den Kontrollrechner zugegriffen werden muß, so soll ein dynamischer Austausch der fehlenden mit weniger gefragten Seiten erfolgen. Der Regionalrechner stellt auch die Verbindung zu externen Rechnern her und gibt dem Info-Anbieter eine Editiermöglichkeit.

Regionale Zentren sind zunächst in Salzburg und Klagenfurt sowie in Wien geplant. Sie sollen jeweils in unmittelbarer räumlicher Nähe zu den ebenfalls im Entstehen befindlichen Datex-Netzknoten eingerichtet werden. Die Post plant nämlich, in den Telefonvermittlungsämtern jeweils zehn bis hundert Btx-Teilnehmer mittels Multiplexern zusammenzufassen und über Hochgeschwindigkeitskanäle von 48 beziehungsweise 64 KBit an die regionalen Btx-Zentren anzubinden. Wobei als kleines postinternes Kuriosum zu werten ist, daß die Datex-Gebührenverzeichnisse nur Gebühren für die 48-KBit-Übertragung kennen, die 64-KBit-Verbindungen jedoch früher installiert werden.

Aus der Not einen Mupid machen

Für alle Rechner wird unterbrechungsloser Betrieb gefordert, weshalb zwei Rechner je Zentrale vorzusehen sind.

Als Übertragungsstandard werden die bereits im Pilotversuch implementierten Prestel-Funktionen gefordert, erweitert um alpha-geometrische Darstellung. Dem Teilnehmer sollen auch Notizblockseiten zur Verfügung stehen, zwei Teilnehmer können über dieselbe Seite Informationen tauschen, wobei dem einen die obere Seitenhälfte, dem anderen die untere für Eintragungen zur Verfügung steht. Sogenannte "Combined-Seiten", die nicht nacheinander aufgerufen zu werden brauchen, sondern vom Btx-Rechner automatisch in geringem Zeitabstand gesendet werden, überlagern sich zur Darstellung von Bewegungsabläufen.

Als wohl österreichische Spezialität kann die Mupid-Schnittstelle gelten. Da der gegenwärtig installierte GEC-Rechner beziehungsweise die derzeit benutzte Software keine externen Rechner kennen, soll die Verbindung zu maximal 16 Rechnern von Info-Anbietern durch einen Trick hergestellt werden. Durch Zwischenschalten eines Mupid - dieser unter Leitung der Uni Graz entwikkelte intelligente Btx-Mikro (siehe CW Nr. 25/82) ist derzeit die eierlegende Wollmilchsau des Pilotversuchs - erscheint der externe Rechner dem Btx-Rechner gegenüber wie ein normaler Teilnehmer, der Btx-Rechner dem externen hingegen wie ein Terminal. Dadurch allerdings steht dem Rechner des Info-Anbieters nur ein Kanal mit 75 bps zur Verfügung, was für Dialoganwendungen ein bißchen wenig ist.

Duell: Datex gegen Btx

Sehr optimistisch scheinen die Annahmen über Teilnehmerzahlen und -struktur. Von 4000 Teilnehmern im Jahr 1984 ausgehend sollen 1987 100 000, im Endausbau (vorsichtshalber ohne Jahresangabe) 1 000 00 erreicht werden.

Dabei wird zwischen fünf Teilnehmertypen unterschieden. Typ 1 ist der "klassische" Btx-Zuschauer mit TV-Gerät beziehungsweise Btx-Mikro. Er wird weiterhin mit 1200 beziehungsweise 75 bps versorgt. Dieser private Teilnehmerkreis soll 40 Prozent der gesamten Teilnehmerzahl stellen. Für den Typ 2 ist ab etwa 1985 ein Synchronanschluß mit 2400 bps vollduplex vorgesehen. Der Typ-2-Teilnehmer benötigt somit eine Datenendeinrichtung und wird daher eher im - kommerziellen Bereich zu suchen sein. Von diesem Teilnehmertyp wird sogar knapp die Hälfte der Anschlüsse erwartet.

Je fünf Prozent sollen ab 1986 Typ 3 (Datex-P) und Typ 4 (Teletex) stellen. Einen Supermarkt für die Hersteller müßte im wahrsten Sinn des Wortes der Typ 5 darstellen Zwei Prozent der Anschlüsse sollen externe Rechner sein. Das wären 1987 immerhin 2000, im Endausbau sogar 20 000 Stück. Nun muß ein externer Rechner sicher eine gewisse Größenklasse erreichen. Rechnet man die Universalrechner der Diebold-Österreich-Statistik hoch (etwa plus 25 Prozent jährlich), so werden 1990 rund 22 000 Anlagen der Größenklasse 4 und darüber installiert sein.

Das hieße, daß praktisch jeder Rechner dieser Größenklasse auch Btx-fähig sein müßte.

Aus den Benutzerziffern ist jedenfalls eine beträchtliche Konkurrenz zwischen Datex- und Btx-Anschlüssen abzulesen. Zweifellos hat die Post es in der Hand, durch die Gebührengestaltung oder Verweigerung von Anschlüssen ihre "Kunden" zur Inanspruchnahme bestimmter Dienste zu zwingen. Trotzdem ist fraglich, warum ein Benutzer mit bestehender EDV-Infrastruktur (TP-Software, zahlreiche benutzerspezifische Transaktionen und Datenbanken) den Umweg über Btx machen soll, wenn er seine Filiale, beispielsweise in Innsbruck, mit den letzten Lagerbeständen versehen will.

Da die Post selbst für 1987 mit rund 65 000 Datenendgeräten im öffentlichen Netz rechnet (Vortrag von Min. Rat Plappart auf der ADV-Netzwerktagung 1981), müßten sich praktisch alle Anwender für Btx als Übertragungsstandard entscheiden.

Auch im privaten (= Btx-Konsum-) Bereich scheinen die Annahmen nicht konsistent. Zum ersten dürften die 40 000 Teilnehmer zuwenig sein, um einen Info-Anbieter zu reizen. Denn alle bisherigen Werbe- und Informationswege (Kataloge, Werbung etc.) müßten weiterhin beschritten werden, so daß Btx Zusatzkosten ohne Einsparungen verursachen würde.

Für den Publikumsbetrieb müßte mit etwa 500 000 Btx-Seiten gerechnet werden (Annahme aus den Postvorgaben: 100 000 Seiten zu Beginn, 1 000 00 im Endausbau, die Seiten in externen Rechnern einmal gar nicht gerechnet). Nach einer Studie von Diebold Deutschland kostet eine Btx-Seite rund 500 Schilling jährlich. Für die halbe Million Seiten müßten die Info-Anbieter somit rund 250 Millionen Schilling jährlich auslegen. Das ist mehr, als 1981 auf Wochenzeitungen entfiel oder fast die Hälfte der Hörfunkwerbeausgaben (Werbeausgaben nach Annahmen des Marktforschungsinstituts Media & Market Observer MMO).

Für die Benutzerbelegung nimmt die Post als sogenannten Verkehrswert 0,04 Erlang an (der Verkehrswert ergibt sich aus der Anzahl der Belegungen mal durchschnittlicher Belegungsdauer geteilt durch Beobachtungsdauer). Da mit einer durchschnittlichen Sitzungsdauer von 20 Minuten gerechnet wird, bedeuten 0,04 Erlang eine Session von je 500 Minuten, also praktisch täglich. Bei Ortsgesprächsgebühren von 30 Schilling pro Stunde müßte der durchschnittliche Teilnehmer bereit sein, rund 300 Schilling im Monat zusätzlich zur Investition und allfälligen Seitengebühr auszulegen.

Eine schwedische Studie, die im Mitteilungsblatt des Arbeitskreises Btx veröffentlicht wurde, rechnet mit drei Minuten täglich. Das Interesse der Pilotversuchsteilnehmer hat sich bei 1,5 Minuten eingependelt.

Ein weiterer Wermutstropfen für die Anbieter: Künftig wird es keine Preisstaffelung für die bei der Post gemieteten Btx-Seiten geben (bisher zwischen zehn und drei Schilling monatlich). In der Bundesrepublik spricht man mittlerweile von rund drei bis vier Mark pro Monat. Damit könnte sich das Interesse der Anbieter weiter vermindern. Nach der oben bereits zitierten Diebold-Studie werden drei Viertel der Einnahmen durch Werbung und "Umbrella"-Dienste erzielt. Zumindest letzteres ist nun zu vergessen.

Post wählt zwischen 3? Angeboten

An der Ausschreibung beteiligten sich:

- DEC in Arbeitsgemeinschaft mit ITT und Datentechnik,

- Honeywell Bull zusammen mit Kapsch und Schrack,

- IBM (der Marktführer legte allerdings nur ein Hardwareangebot vor und will über Software "später" reden),

- Siemens zusammen mit General Electric Corp. (Hersteller des bisherigen Btx-Rechners) und Elin.