Viele Vorschusslorbeeren für Web-Services

22.11.2001
Von 
Jan Schulze ist freier Autor in Erding bei München.

Jenseits dieser Standards hören die Gemeinsamkeiten auf. Bereits die Nomenklatur spiegelt die übliche Vielfalt am Softwaremarkt wider: Was Microsoft als .NET und .NET Myservices vermarktet, ist bei Sun Microsystems "Sun One" (Sun Open Net Enviroment) und "Services on Demand". Hewlett-Packard, ein Vorreiter des Web-Services-Konzepts, setzt auf "Netaction" und "E-Speak" und stellt sogar den Quellcode öffentlich zur Verfügung. Auch die Open-Source-Gemeinde will unter anderem mit ".GNU" ihr Lizenzmodell in der erwarteten Web-Services-Welt verankern. Doch die offenen Standards wie XML und Soap sollen sicherstellen, dass auch ein .NET-basierender Web-Service mit einem Service-on-Demand der Sun-Welt kommunizieren kann. Die Hersteller von Java-Application-Servern werben damit, dass mit Hilfe der Web-Services auch eine Verbindung zwischen Java und .NET möglich sein wird.

Keiner Plattform verpflichtet

Ein wichtiger Vorteil, den Web-Services gegenüber anderen Modellen für verteilte Applikationen haben, ist ihre Plattformunabhängigkeit. Am Beispiel eines auf dieser Technik beruhenden Kalenders werden die Vorzüge deutlich: Der Anwender kann im Büro mittels Lotus Notes und unterwegs mit der Kalenderanwendung des Palm- oder Psion-PDA (Personal Digital Assistant) oder auch mit einem Handy-internen Terminplaner auf seine Kalenderdaten zugreifen - sofern diese Applikationen Web-Service-fähig sind. Anders als beim Application-Service-Providing (ASP) wird dabei nicht eine vollständige Kalendersoftware über das Netz zur Verfügung gestellt. Vielmehr wird nur der Inhalt des Kalenders als Web-Service übertragen - unabhängig von den Schnittstellen und nativen Datenformaten der jeweiligen Kalenderapplikation.

Kampf um Entwickler: Web-Services sind Komponenten oder Funktionen, auf die über einen standardisierten Satz aus Protokollen und Datenformaten zugegriffen werden kann. Letzterer könnte Kommunikationsprotokolle wie DCOM (Distributed Component Object Model) oder Corba (Common Object Request Broker Architecture) obsolet machen sowie eine Brücke zwischen Java und .NET bauen helfen.

Hersteller wie Sun und Microsoft buhlen nun um die Gunst der Softwareentwickler, die Web-Services für die eigenen Produkte erstellen sollen. So stellten die Redmonder kürzlich den Release Candidate ihrer Entwicklungssuite "Visual Studio .NET" vor. Diese soll zunächst kostenlos verfügbar sein. Abgerechnet wird erst, wenn mit dem Entwicklungs-Tool kommerziell verwertbare Web-Services entstanden sind. Sun hatte zuvor ein "Sun One Starter Kit" präsentiert. Es scheint Eile geboten, hat doch eine Umfrage von Evans Data unter amerikanischen Softwareentwicklern jüngst ergeben, dass 63 Prozent der Antwortenden sich im nächsten Jahr Web-Service-fähigen Anwendungen zuwenden wollen.

Durch diese Fähigkeit eröffnen sich Potenziale, die weit über die Größenordnung eines einfachen Calendaring hinausgehen. Bereiche, die bis dato von proprietären Systemen dominiert wurden, sollen nach Ansicht vieler Analysten bald von Web-Services abgedeckt werden. Das kann bis zu Geschäftsprozessen und Transaktionen über Unternehmensgrenzen hinaus reichen. Hier bestimmen heute zum Beispiel EDI (Electronic Data Interchange)-Systeme die elektronische Kommunikation. EDI-Verbindungen müssen explizit zwischen zwei DV-Systemen eingerichtet werden. Im Gegensatz dazu benötigt der Web-Services-Ansatz keine fest definierte Verbindung, sondern nur eine Beschreibung, was zwei potenzielle Geschäftspartner voneinander wissen und welche Daten sie dem Gegenüber zur Verfügung stellen möchten. Ein Web-Service, der Katalogdaten beim Zulieferer ausliest, kann das unabhängig davon machen, ob zu diesem Lieferanten bereits eine Geschäftsbeziehung