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Viele Teilnehmer von B2B-Handelsplattformen sind nur registriert

27.10.2000
Virtuelle Business-to-Business-Marktplätze sind der Renner - ständig gehen neue Handelsplattformen ans Netz. Tatsächlich gehandelt wird jedoch noch recht wenig. Die meisten Teilnehmer warten erst einmal ab.

Von CW-Mitarbeiterin Sabine Prehl

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Virtuelle Business-to-Business-Marktplätze sind der Renner - ständig gehen neue Handelsplattformen ans Netz. Tatsächlich gehandelt wird jedoch noch recht wenig. Die meisten Teilnehmer sind lediglich registriert - und warten ab.

Eile hat offenbar niemand - schließlich liefen die Geschäfte ja auch vor dem Einstieg in den E-Commerce. Aber auch die Integration der Katalogdaten in die bestehenden Warenwirtschaftssysteme der Anbieter stellt Betreiber und Handelspartner vor große Herausforderungen. Nur wenige haben hier bereits funktionierende Lösungen anzubieten - etwa Pedion.de, ein lokaler Marktplatz für Krankenhausbedarf, der seit Juli dieses Jahres online ist. Die Düsseldorfer bieten ihren Kunden eine XML-basierte Infrastruktur an, die ERP-Systeme von Herstellern und Abnehmern über eine elektronische Handelsplattform verbindet. Nach Angaben der Labor-Ausrüstungs- und Service GmbH (LAS), die bereits aktiv als Zulieferer auf Pedion.com tätig ist, sinken damit Fehlerwahrscheinlichkeit und Kosten "dramatisch". Die Göttinger rechnen damit, in Zukunft 50 Prozent der Kosten für die Prozessabwicklung einsparen zu können.

Technische Probleme sind häufig dafür verantwortlich, dass die Bemühungen um den funktionierenden virtuellen Markthandel ins Stocken geraten. Aus diesem Grund ist zum Beispiel Carl Roth, ein Versandhaus für Chemikalien und Laborbedarf, auf Elabseurope.com noch nicht als Lieferant aktiv. Auf der Website des Traditionsunternehmen können Kunden zwar einen Internet-Katalog mit Bestellfunktionen abrufen. Das Problem ist jedoch derzeit, die Datenbestände in die Plattform zu integrieren. Schwierigkeiten gibt es laut Geschäftsführer Alfred Wagner vor allem bei der Datenkonvertierung sowie bei der Abstimmung: "Von elektronischen Marktplätzen hat jeder seine eigene Vorstellung. Da gehen die Meinungen darüber, wie die Sache auszusehen hat, oft weit auseinander." Wagner rechnet allerdings damit, dass sein Unternehmen noch in diesem Jahr die ersten Transaktionen via Internet abwickeln wird.

Auch auf Bioropa, einer Handelsplattform für Produkte aus dem Bereich Biowissenschaften, ist Carl Roth registriert - hier werde es aber noch eine Weile dauern, bis das Unternehmen als Lieferant in Erscheinung tritt. Nach Ansicht von Wagner sind B2B-Marktplätze vor allem für große Unternehmen im Bereich Beschaffung zukunftsweisend: "Da darf man als Zulieferer den Anschluss nicht verpassen." Den Nutzen hätten allerdings in erster Linie die Kunden, denen auf einer Plattform alle relevanten Produkte und Services aus einer Hand zur Verfügung stehen.

Dabei sein ist vorerst alles

Integration ist sicher ein wichtiger Faktor für den Erfolg einer virtuellen Handelsplattform. Die meisten Firmen sind jedoch noch gar nicht so weit. Momentan geht es ihnen in erster Linie darum, überhaupt auf dem Marktplatz vertreten zu sein. Transaktionen und die dafür erforderliche Infrastruktur sind Probleme von morgen. Problematisch ist aber auch die Trägheit speziell in Europa, meint Remo Turanli, Gründer und Geschäftsführer von Bioropa, der seit Mitte Juli online ist: "Es hat schon gedauert, bis alle Handelspartner ihre Zustimmung erteilt haben."

Unter diesen Umständen ist es verständlich, dass viele Betreiber sich nicht gerne dazu äußern, wer auf ihrem Markplatz ein- und verkauft. Der europäische B2B-Marktplatz für Lebensmittel Efoodmanager.com, auf dem eigenen Angaben zufolge bereits 500 Teilnehmer Handel treiben, darf die Namen der Zulieferer angeblich nicht verraten. Die Marktplatzteilnehmer seien zum Teil recht konservativ, so die Begründung. Der Verdacht liegt jedoch nahe, dass diese Zurückhaltung auch im Sinne des Betreibers ist. Schließlich will niemand an die große Glocke hängen, dass viele der Firmen, die auf seinem Marktplatz registriert sind, noch gar nicht darauf handeln.

Der einzige Teilnehmer, den Efoodmanager.com nennen konnte, ist der Fischverarbeiter Deutsche See, Bremerhaven, der allerdings noch keine Transaktionen über Efoodmanager.com abgewickelt hat. Laut Annette Thul, Einkäuferin bei der Deutschen See, ist dies aber in erster Linie auf Zeitprobleme zurückzuführen. Prinzipiell sei der Fischvermarkter vor allem im Bereich Einkauf sehr interessiert am Handel über B2B-Marktplätze und habe auch bereits an Pilotauktionen auf anderen Plattformen teilgenommen. Thul sieht hier in erster Linie Preisvorteile durch die Vergleichbarkeit sowie einen organisatorischen Nutzen durch die höhere Standardisierung, da der ganze Bestellprozess ohne großen Aufwand dokumentiert werde. Zudem könne man Mitarbeiter, die bislang im konventionellen Bestellwesen tätig waren, für anspruchsvollere Aufgaben einsetzen.

Zu offen darf das Ganze jedoch nicht sein, so Thul. Gerade bei Frischfisch komme es immer wieder vor, dass ein Produzent sich auf den Preisdruck nicht einlasse, sondern sich sage: "Ich werde meinen Fisch auch problemlos woanders los." Bei knappen Fischsorten wie Rotbarsch sei etwa eine Auktion völlig sinnlos. Der Preisdruck sei natürlich auch für die Deutsche See eine Herausforderung (speziell bei knappen Ressourcen), da sie als Einkäufer großer Mengen auf den besten Preis angewiesen sei. Um Schnäppchen auf Kosten der Qualität gehe es dabei jedoch nicht. "Wir sind an einer seriösen, kontinuierlichen Zusammenarbeit interessiert - schließlich wollen wir in ein paar Jahren immer noch Geschäfte mit unseren Lieferanten machen."

Ähnlich sei es auf der Verkäuferseite: "Die Transparenz ist immer für den Kunden sehr positiv - für die Anbieter erhöht sie den Wettbewerb."

Wer wird überleben?

B2B-Marktplätze schießen wie Pilze aus dem Boden. Den Marktforschern von Gartner zufolge werden in den kommenden Jahren bis zu 10.000 neue "E-Markets" ans Netz gehen. Laut Pricewaterhouse-Coopers (PwC) wird jedoch bald eine Konsolidierungsphase einsetzen, in der eine Vielzahl von Betreibern fusioniert oder ganz vom Markt verschwindet. Überleben werden den Analysten zufolge nur elektronische Handelsplattformen, die möglichst früh die kritische Masse an Teilnehmern auf Käufer- und Verkäuferseite erreichen. Ohne starke Lieferanten - am besten natürlich die Marktführer der jeweiligen Branche - lässt sich kein Angebot aufbauen, das groß genug ist, um Käufer zur Teilnahme am Marktplatz zu motivieren. Ein zu geringes Abnehmerpotenzial lohnt sich wiederum für die Verkäufer nicht.

Dass es seine Zeit braucht, bis ein Marktplatz mit nennenswerten Umsätzen aufwarten kann, zeigt das Beispiel Internationale Holzbörse (IHB) mit Sitz in Landshut, die bereits 1996 an den Start ging. "Anderthalb Jahre mussten wir uns durchschlagen. Unsere Kunden haben dem Medium Internet einfach nicht vertraut. Und mit E-Commerce durfte ich schon gleich gar nicht kommen", erzählt Firmengründer Marcus Niedermeier. Mittlerweile sorgen rund 1500 Mitglieder und 3000 Kunden aus dem In- und Ausland auf dem in sechs Sprachen präsentierten B2B-Marktplatz für regen Handel. Auch der Rohholzhändler Jäger kauft und verkauft hier schon seit drei Jahren - mit wachsendem Erfolg. Hilfreich ist die Plattform Firmenchef Christian Jäger zufolge vor allem bei der Erschließung neuer Lieferanten und Abnehmer, ein extrem wichtiger Aspekt in einem saison- und wetterabhängigem Markt, in dem allein durch einen Sturm wichtige Aufträge wegbrechen können. "Der Handel auf der IHB verschafft uns immer wieder Riesenaufträge", berichtet Jäger begeistert. Im Geschäftsbereich Naturbrennstoffe wickelt das Unternehmen etwa 40 Prozent der Transaktionen zudem voll elektronisch ab und spart dadurch eigenen Angaben zufolge erhebliche Kosten ein.

Information geht (noch) vor Transaktion

Für die meisten Unternehmen ist es aber wichtiger, überhaupt erst einmal als Anbieter auf einem Marktplatz vertreten zu sein, als Transaktionen via Internet abzuwickeln. So hält man es bei der Biochemische Referenzmaterialien GmbH (Bioref), Mömbris, die auf dem Laborbedarfs-Marktplatz Elabseurope.com registriert ist, für entscheidend, dass sich die Kunden auf der Plattform über Bioref-Produkte informieren und online bestellen können. Die Abwicklung erfolgt jedoch auf konventionellem Weg: Elabs leitet die Bestellung an Bioref weiter, wo sie offline bearbeitet wird. Bestellvorgänge in elektronischer Form sind vorerst nicht geplant.

Das verhältnismäßig geringe Transaktionsvolumen auf den B2B-Marktplätzen kann aber auch branchenspezifische Ursachen haben. Sensible Produkte - etwa radioaktive Stoffe - eignen sich zum Beispiel nicht für den anonymisierten Handel. Aus diesem Grund handeln etwa die auf Molekularbiologie-Anwendungen spezialisierte Firma Chemagen und der Wissenschaftssoftware-Anbieter Chromasoft nicht online - auch wenn sie auf Elabseurope.com registriert sind. Ihre Waren sind extrem erklärungsbedürftig beziehungsweise müssen speziell auf einzelne Kunden zugeschnitten werden. Der persönliche Kontakt zwischen den Geschäftspartnern ist daher unabdingbar.

Im Visier der Kartellbehörden

Elektronische Marktplätze werden häufig auch von Industriekonsortien gegründet - bekanntestes Beispiel ist Covisint von den Automobilgiganten Daimler-Chrysler, General Motors, Ford und Renault/Nissan. Solche Allianzen sind aufgrund ihrer Marktmacht weit weniger stark auf einen schnellen Return-on-Investment angewiesen als die neutralen Startups. Dafür plagen sie andere Sorgen: die ständig drohende Intervention der Wettbewerbshüter. Der Covisint-Plattform haben die Kartellbehörden zwar sowohl in den USA als auch in Deutschland grünes Licht gegeben, betonten jedoch, dass sie den Marktplatz nicht aus den Augen lassen werden. Noch brisanter als einkäufergetriebene Marktplätze wie Covisint sind Zusammenschlüsse von Verkäufern, da sie im Verdacht unerlaubter Preisabsprachen stehen. Unter solchen Voraussetzungen bleibt den Betreibern wenig Spielraum für die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle.

Für den Chemikalienlieferanten Applichem ist das Internet als Handelsplattform für die Standardkunden - in erster Linie Forschungsinstitute - ebenfalls nur bedingt geeignet. Schon allein aus praktischen Gründen, erklärt Marketing-Manager Wolfram Ernst: Im Labor stehe normalerweise kein PC. Der Mitarbeiter müsse also erst ins Büro gehen und seine Handschuhe ausziehen, um etwas zu bestellen. Das sei einfach zu umständlich. Außerdem hätten die kleineren Einkäufer gar nicht die Zeit, um aus den Datenbeständen im Internet den richtigen Anbieter herauszusuchen. Laut Ernst darf sich das Unternehmen dem Thema B2B-Marktplatz dennoch nicht verschließen - schon deshalb weil sein Hauptkonkurrent Sigma nicht auf der Elabs-Plattform vertreten sei, sondern seinen eigenen Marktplatz unterhalte. Das Internet werde in diesem Marktsegment aber nie ernsthaft mit den herkömmlichen Geschäftsbeziehungen konkurrieren können, da diese flexibler seien.

Für die Marktplatzbetreiber ist zu hoffen, dass auf ihren E-Commerce-Plattformen bald mehr geschieht. Denn von der Höhe des Transaktionsvolumens wird letztlich abhängen, welche Marktplätze überleben. Die meisten Betreiber finanzieren sich in erster Linie über Transaktionsgebühren, deren Höhe sich nach Bestellvolumen und Produktkategorie richtet. Die Gebühren für Serviceleistungen - etwa im Bereich Logistik, Finanzdienstleistungen und Online-Versicherungen - machen dagegen nur einen kleinen Teil der Einnahmen aus. Speziell für die neutralen Startups, die im Gegensatz zu Industriekonsortien keine Marktmacht im Rücken haben, werden spätestens im kommenden Jahr die Würfel fallen: ob sie Umsätze erzielen und wie sich diese zu den Ausgaben verhalten. So sieht das auch Bioropa-Chef Turanli: "Bislang war das ja kein Problem - es gab Venture Capital ohne Ende. Aber das ist dann vorbei."