Viele Firmen warten erst einmal ab Nicht fuer alle Hersteller ist die Systems '95 ein Pflichttermin

13.10.1995

MUENCHEN (hv) - Zwischen Euphorie und Ratlosigkeit schwankt die Stimmung in der DV-Industrie angesichts der bevorstehenden Systems '95. Einige Hersteller beobachten misstrauisch aus der Ferne, wie sich das neuerdings jaehrlich stattfindende Herbst-Event der IT- Branche entwickelt, um eventuell 1996 gross einzusteigen. Andere setzen schon jetzt voll auf das Muenchner CeBIT-Pendant.

Spaerliche 55 Quadratmeter Standflaeche reichen der Darmstaedter Software AG aus, um ihre PPS-Software "Prodis" zu praesentieren. Erst im letzten Augenblick hatten sich die Hessen entschlossen, doch noch in Muenchen auszustellen - allerdings nur mit diesem einen Produkt. Zurueckhaltung auch bei den Datenbankanbietern Informix und Sybase: Beide sind in diesem Jahr statt auf einem eigenen Stand lediglich auf Partnerstaenden vertreten.

Mit viel Pomp praesentieren sich dagegen Haeuser wie SAP, Baan und Oracle. Sie nutzen die Veranstaltung der Muenchner Messegesellschaft zur Imagepflege und machen mit Staenden von Fussballfeldausmassen auf sich aufmerksam. "Wir werden in diesem Jahr mit groesserem Engagement auf der Systems vertreten sein als auf der CeBIT", kuendigt Oracle-Marketier Michael Gedon an. Die Standflaeche sei im Vergleich zu 1993 nahezu verdoppelt worden. Mit der Muenchner Messegesellschaft ist Gedon zufriedener als mit dem CeBIT-Veranstalter. "Entscheidungen werden wesentlich schneller getroffen als in Hannover, wo zu viele Verbaende mitreden", urteilt der Marketing-Direktor.

Die Baan Deutschland GmbH, Hannover, investiert in einen Stand von 360 Quadratmetern, auf dem auch Partner wie Informix und Bull Platz haben. Der Triton-Anbieter hat sich wohl nicht zuletzt deshalb fuer einen grossen Auftritt entschieden, weil der Erzrivale aus Walldorf, die SAP AG, gemeinsam mit ihren Partnern die gesamte Halle 1 in Beschlag nimmt. SAP nutzt die Messe, um ihre Client- Server-Software R/3 in der neuesten Version 3.0 anzupreisen.

Die Systems als Schlachtfeld zwischen Loesungsanbietern?

"Wohl kaum", urteilt Baan-Sprecher Ingo Fleckenstein. Man lasse sich in Muenchen sehen, weil die Systems sich mit ihrem jaehrlichen Turnus als Herbst-Aequivalent der CeBIT etablieren koenne. Es handele sich weniger um eine Ordermesse als um eine Image- Veranstaltung, auf der man Praesenz zeigen muesse.

Im Gegensatz zur CeBIT ist jedoch der Anteil internationalen Publikums auf der Systems sehr gering. Auch lag die Anzahl der Besucher zuletzt bei "nur" 120000. Zum Vergleich: Die CeBIT konnte immerhin 750000 Gaeste nachweisen, wenngleich der hohe Anteil nichtprofessionellen Publikums stets kritisiert wurde. Trotz dieser Zahlen scheut sich die Muenchner Messegesellschaft nicht, Ausstellern wie Besuchern tief in die Tasche zu greifen (siehe Grafik).

Wer zugibt, eine Messe wegen zu hoher Kosten zu scheuen, geraet als Hersteller schnell in den Verdacht, in finanziellen Schwierigkeiten zu stecken. So beeilt sich Juergen Degenhardt, verantwortlich fuer das Produkt-Marketing bei der Informix GmbH, das Kostenthema herunterzuspielen.

"Es ist nicht so sehr die Frage des Geldes, das man in so eine Veranstaltung stecken muss. Dieselbe Summe investieren wir jetzt in Kundenveranstaltungen." Es sei der enorme organisatorische Aufwand und die Bindung von Manpower, die Informix davon abhalte, in eine Veranstaltung mit eindeutig regionalem Charakter zu investieren. Entwickle sich die Systems positiv, so werde man in den naechsten Jahren wieder verstaerkt Flagge zeigen - eine Aussage, die auch von anderen Herstellern zu hoeren ist.

Baan-Repraesentant Fleckenstein uebt dagegen freimuetig Kritik an den Preisvorstellungen der Muenchner: "Der Quadratmeterpreis fuer Ausstellungsflaeche auf der Systems ist geringfuegig hoeher als der auf der CeBIT. Setzt man aber die Bedeutung der Messen in Relation, werden die Kosten um ein Vielfaches hoeher." Die Messegesellschaft muesse noch gehoerig an ihrer Ausstellung arbeiten, ehe die ueberzogenen Preise gerechtfertigt seien.

Allerdings raeumt Fleckenstein den Bayern durchaus die Chance ein, zu einem sueddeutschen Pendant der CeBIT heranzuwachsen. Baan werde das Spektakel beispielsweise auch als Ankuendigungsmesse nutzen, um das neue Paket "Triton Automotive" fuer die Automobilindustrie zeitgleich mit einer Pressekonferenz in den USA vorzustellen.

Auch die ganz Grossen der IT-Branche wollen sich einen Systems- Verzicht nicht leisten. Fuer sie spielen die Kosten fuer Messeauftritte ohnehin eine untergeordnete Rolle. So wird IBM in insgesamt drei Hallen mit einer Ausstellungsflaeche von rund 1000 Quadratmetern vertreten sein. Big Blue positioniert die Systems als regionales Ereignis fuer den sueddeutschen Raum und will sich vor allem mit Mittelstandsloesungen rund um das Produkt MAS/90 praesentieren (Halle 24).

Doch auch Imagepflege ist angesagt - spaetestens, wenn es darum geht, Microsoft in die Schranken zu verweisen. Ein ueberdimensionaler OS/2-Stand in Halle 7 soll darauf hinweisen, dass es neben Windows 95 und den zugehoerigen Applikationen auch noch andere sehenswerte Produkte gibt. Schliesslich mag man auch in der Multimedia-Zeile nicht fehlen - zu wichtig ist dieser Zukunftsmarkt, als dass sich die IBM hier Abwesenheit leisten koennte.

Waehrend Big Blue den Desktop-Markt nicht aus den Augen lassen moechte, wildert Microsoft im IBM-Revier und zeigt neben Windows 95 vor allem Produkte aus dem Geschaeftszweig Enterprise Computing. "Wir nehmen diesen Bereich auf der Systems besonders ernst, weil wir jede Menge qualifiziertes Publikum erwarten", verraet ein Sprecher der Gates-Company. Man wolle die hauseigene Strategie einschliesslich Betriebssystemen, Datenbanken und Programmiersprachen "gezielt nach aussen tragen".

Waehrend man auf der CeBIT bei Praesentationen wegen des Massenpublikums eher Wert auf den Showeffekt lege, gehe es auf der Systems darum, die Entscheider anzusprechen. Sie haetten im Vergleich zur CeBIT mehr Zeit und Musse, um sich ueber neueste Entwicklungen in aller Ruhe zu informieren.

Auf Entscheider setzt auch die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG, der auf der Systems ein Heimspiel bevorsteht. Mit einer Ausstellungsflaeche von ueber 800 Quadratmetern sollen vor allem IT- Experten aus der mittelstaendischen Industrie und der Verwaltung adressiert werden.