Auch gute Programmierer schreiben miserable Handbuecher

Viele Bedienungsanleitungen sind fuer Laien unverstaendlich

26.03.1993

Da sich die Informations- und Kommunikations (IuK)-Technik grundsaetzlich mit Informationen beschaeftigt, sollte man annehmen, dass in dieser Branche die besten Bedienungsanleitungen und Handbuecher erstellt wuerden. Doch dem ist nicht so, unter anderem deshalb, weil die Autoren die Informationsvermittlung zu nachrichtentechnisch behandeln und zu wenig beruecksichtigen, wie Leser reagieren.

Mit dem Informationsempfaenger Mensch hat sich der amerikanische Nobelpreistraeger Roger Sperry beschaeftigt. Seine Erkenntnisse zur Spezialisierung der linken und rechten Haelfte des Gehirns wurden von vielen Wissenschaftlern aufgenommen, fanden in der Praxis jedoch kaum Anwendung. Kurz gefasst funktioniert die Arbeitsteilung so, dass die linke Hirnhaelfte fuer Worte und Sprache zustaendig und beim Denken, Sprechen und Schreiben aktiv ist, waehrend die rechte Hirnhaelfte zwar auch denkt, aber nicht in Worten, sondern in Bildern. Erst wenn die linke Seite ein Wort richtig interpretiert und die rechte dazu das passende Bild geliefert hat, ist eine Information richtig und vollstaendig beim Empfaenger angekommen.

Natuerlich funktioniert das auch umgekehrt: Die rechte Hemisphaere nimmt ein Bild auf, wozu dann die linke das passende Wort beisteuert; daraus resultiert zum Beispiel die Behauptung "Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte". Natuerlich hat die Sache einen grossen Haken. Wenn naemlich die rechte Hirnhaelfte ein Bild nicht richtig interpretieren kann, kann die linke Haelfte auch nicht die dazu passende Bezeichnung liefern.

Das scheinen alle diejenigen Hersteller zu uebersehen, die in ihren Programmen den Bildschirm mit Symbolen vollpflastern. Denn was nuetzen beispielsweise Funktionsleisten am Bildschirmrand, wenn keines der Bildchen dem Anwender bekannt ist? Leider sprechen in der Regel die Symbole nicht - wie einige Anbieter wohl meinen - fuer sich selbst.

Oft sind sie nicht einmal logisch aufgebaut. Wenn beispielsweise ein Pfeil von einem Geraet (das ein Scanner sein sollzu einem Dokument zeigt, wird niemand auf Anhieb erkennen, dass dies das Symbol fuer Scannen sein soll; denn dazu muesste der Pfeil in die umgekehrte Richtung zeigen, weil das Dokument ja in den Scanner gelegt werden soll. Noch schlimmer sind allerdings die Faelle, in denen dasselbe Symbol in einer anderen Anwendung eine voellig andere Bedeutung hat.

Jede Branche hat ihre Sprache

Handbuchautoren schreiben oft, als wuerden alle Leser in derselben Sprach- und Bilderwelt leben. Das stimmt natuerlich nicht. Jede Branche hat ihre eigene Sprache. Auch innerhalb derselben Branche und sogar desselben Unternehmens kann es fachsprachliche Differenzen beispielsweise zwischen Ein- und Verkauf geben. Manager, Sachbearbeiter und Sekretaerinnen unterscheiden sich ebenfalls im Sprachschatz und im visuellen Verstaendnis.

Waehrend etwa der Sachbearbeiter in einem Industriebetrieb eine vage technische Zeichnung in einer Bedienungsanleitung noch interpretieren kann, bleibt diese fuer die Sekretaerin in einer Bank oder fuer den Inhaber eines Textil-Einzelhandelsgeschaefts wahrscheinlich unverstaendlich. Besonders gravierend pflegt der Unterschied zwischen der Sprach- und Bilderwelt des Informationssenders und der des Empfaengers zu sein, wenn ersterer ein Informatiker oder Programmierer ist.

Der Unternehmensberater Frank Peschanel schrieb 1986, dass man mit einem Analyse-Tool den Superprogrammierer finden koenne. Zu befuerchten ist allerdings, dass ein solcher Entwicklerstar wegen seiner einseitigen Hirnaktivitaet technisch brillante, aber aeusserst benutzerunfreundliche Programme erstellen wuerde. Denn die Anwender koennen ihre Hirnhaelften leider nicht vertauschen oder aendern.

Jede Information in Bedienungsanleitungen soll nicht nur uebermittelt, sondern auch im Gehirn des Empfaengers gespeichert werden. Das hat allerdings seine Grenzen. Ueber diese gibt es die unterschiedlichsten Zahlen. So kursierte seinerzeit, dass ein Mensch von 18 000 empfangenen Impulsen nur 200 wahrnehme und sogar nur fuenf behalte. Hingegen schrieb Horst Krcek in einem Beitrag zum Thema Computer-Geschaeftsgrafik im "Handelsblatt" vom 25. Oktober 1984: "Die Netzhaut des Auges kann pro Sekunde 1,6 Millionen Bit aufnehmen (fuenfmal soviel wie die Ohren); von diesen 1,6 Millionen Bit pro Sekunde gelangen nur 16 Bit ins Bewusstsein und von diesen nur 0,7 Bit ins Gedaechtnis."

Ob Impulse, Signale oder Bits, in der Praxis kann man mit diesen Daten nicht viel anfangen. Nuetzlicher ist da die Analyse, die August Sahm in Ausgabe 4/1979 von "texten + schreiben" veroeffentlicht hat. Danach kann der Informationsempfaenger speichern und behalten: Zehn Prozent von dem, was er liest, 20 Prozent von dem, was er hoert, 30 Prozent von dem, was er sieht, 60 Prozent von dem, was er hoert und sieht, 70 Prozent von dem, was er sagt und 90 Prozent von dem, was er tut.

Zwei grundsaetzliche Anforderungen sollten Bedienungsanleitungen und Handbuecher demnach erfuellen, um den Speicherfaktor zu steigern. Erstens gehoeren Text, Bild und Grafik zusammen, damit die beiden Hirnhaelften ergaenzende Informationen liefern koennen. Zweitens sollten eigene Aktivitaeten vom Benutzer gefordert werden. Diese Aktionen koennen Frage-Antwort-Spiele sein, aber auch Uebungen am Geraet. Letzteres bietet sich besonders bei IuK-Produkten an.

Handbuch als roter Faden

IuK-Handbuecher sollten vier unterschiedliche Aufgaben loesen. Sie muessen den Einsteiger wie ein roter Faden bei der Benutzung des Systems fuehren; sie muessen bei Schwierigkeiten auch ungeuebten Anwendern Help-Funktionen anbieten; den geuebten Benutzer sollen sie schnell und einfach wie ein Lexikon ueber die Systemfunktionen informieren; ein Uebungsteil mit Loesungen muss die Einarbeitung erleichtern. Diesen Uebungsteil in den roten Faden zu integrieren, ist nicht sinnvoll, da auch geuebte Benutzer manchmal auf die Anleitung zurueckgreifen, aber dann nicht durch Uebungsbeispiele aufgehalten werden wollen.

Ueberhaupt sollte der Uebungsteil nicht als Ersatz fuer eine einfuehrende Schulung gedacht sein, sondern zum Training nach der meist recht kurzen Einweisung. Oft wird behauptet, man koenne die Arbeit mit einem IuK-Produkt auch im Selbststudium erlernen, einige Handbuecher werben damit auch fuer sich. Tatsaechlich muss man aber schon einige gute Erfahrungen als Autodidakt gemacht haben, wenn man ohne Seminarbesuch ein neues System effizient nutzen lernen will. Die Autoren sind in diesem Punkt nicht immer ehrlich.

Ein gutes Handbuch muss modular aufgebaut sein. Dann ist es auch moeglich, seinen Inhalt auf unterschiedliche Benutzer-gruppen zuzuschneiden und ihn angemessen zu variieren. Hier kann die IuK- Technik helfen, solche Versionen schnell und kostenguenstig zu erstellen. Falsch ist es jedoch, die IuK-Technik derart zu missbrauchen, dass man eine gespeicherte Dokumentation oder Programmbeschreibung einfach mit der Ueberschrift "Bedienungsanleitung" versieht und ausdruckt. Softwarehaeuser machen das oftmals.

Handbuchautoren sind sich oft bezueglich des noetigen Umfangs der jeweiligen Erlaeuterungen nicht im klaren. Der alte Grundsatz fuer technische Bedienungsanleitungen: "Selten erforderliche Arbeiten werden schnell vergessen und muessen deshalb ausfuehrlicher erklaert werden" laesst sich bei den meisten IuK-Produkten nur schwer anwenden.

Beispielsweise bei der Textverarbeitung sind es bei jedem Benutzer andere Funktionen, die er nur selten benutzt, bei dem einen etwa die Kolonnenverarbeitung, bei dem anderen das Rechnen im Text.

Im Prinzip liessen sich alle Anforderungen an Handbuecher elektronisch leichter und besser realisieren. Der Uebungsteil ist bei manchen Windows-Anwendungen auch in Form eines Lernprogrammes realisiert, das in einem separaten CBT-Directory gespeichert und aus der Hilfefunktion heraus aufrufbar ist. Doch eine solche Applikation enthaelt nur einen winzigen Teil der jeweiligen Funktionsvielfalt, weshalb es inzwischen fuer fast jede Anwendung zusaetzliche Lerndisketten und Kurse von verschiedenen Anbietern gibt.

Die Funktionsvielfalt hat aber auch dazu gefuehrt, dass mit Programmen Handbuecher geliefert werden, die so umfangreich sind, dass kein normaler Benutzer mehr die Zeit hat, sie zu lesen. Und das fallweise Nachschlagen ist auch nicht gerade einfach, da man meist von einem Stichwort zum anderen verwiesen wird. Themenverzeichnisse lassen sich allerdings auch elektronisch - ueber die Hilfefunktion - abfragen. Doch diese elektronischen Verzeichnisse sind meist unvollstaendig, manchmal direkt duerftig; es entsteht der Eindruck, dass man einfach einige Texte aus den Handbuechern uebernommen hat. Jedenfalls findet man die gesuchte Information in der Regel dort nicht.

Erstaunlicherweise nutzen die Programmierer bei den elektronisch abrufbaren Verzeichnissen auch kaum die Moeglichkeiten der grafischen Oberflaeche. Obwohl sie ansonsten mit Icons oft sehr verschwenderisch umgehen, scheinen sie diese bei den erklaerenden Texten voellig vergessen zu haben.

Es gibt keine verbindlichen Icons

Waehrend beispielsweise die Hilfe von Winword zum Thema Drucken das entsprechende Symbol der Funktionsleiste anzeigt, beschraenkt sich Coreldraw bei den Erklaerungen auf puren Text. Da heisst es zum Beispiel "Das Hilfsmittel Fuellen waehlen" und "Das Symbol fuer Farbverlaeufe anklicken". Aber wie sehen diese Hilfsmittel und Symbole aus? Ob es der Texter selbst nicht wusste?

In ihrem Fachbeitrag "Menschengerechte Konzepte fuer ein Benutzerhandbuch" sprachen sich Claudia Doebele-Berger und Peter Martin 1984 dafuer aus, Piktogramme auch in Handbuechern, zum Beispiel bei der Inhaltsuebersicht, zu benutzen. Auf den ersten Blick scheint das ein sinnvoller Vorschlag zu sein, denn Piktogramme sind schliesslich laut Duden "formelhafte grafische Symbole mit international festgelegter Bedeutung".

Genau da liegt der Hund begraben. Waehrend zum Beispiel das Piktogramm "Kaffeetasse" allgemein verstaendlich ist, kann jeder Programmanbieter seine eigenen Symbole einfuehren. Es wird daher keine Icons geben, die fuer alle wichtigen Handbuecher verbindlich sind.

Beim Thema Icons denkt man unwillkuerlich an Maussteuerung und Benutzerfuehrung und stellt sich die Frage: Braucht man heutzutage ueberhaupt noch Bedienungsanleitungen und Handbuecher? Doebele-Berger und Martin bejahten diese Frage eindeutig und aus verschiedenen Gruenden; unter anderem wegen der gewohnten Arbeitsweise, dem schnellen Vor- und Zurueckblaettern, und "weil es kaum gelingen wird, alle notwendigen Informationen ueber den Bildschirm zu vermitteln".

Es ist ausserdem schwierig und aufwendig, alle Inhalte und Moeglichkeiten eines Handbuchs in die Software zu integrieren. Aber manche Anbieter meinen, das sei auch gar nicht noetig, weil sie sich Dinge wie Auswahlmenues, Benutzerfuehrung, Hilfefunktionen etc. ausgedacht haben. Damit soll angeblich jeder Laie problemlos sein Arbeitsmittel Computer verstehen lernen koennen.

"Problemlos" darf man allerdings nicht woertlich nehmen. Auch bei einer Benutzerfuehrung mit Maus muss man erst einmal die Spielregeln kennenlernen und die Ablauflogik verstehen.

Gruselstories aus alten Handbuechern

Dabei koennte die Maus durchaus eine Hilfe sein, denn sie hat schliesslich mindestens zwei Tasten. Doch diese Eigenschaft wird bisher nur selten so genutzt wie in Winexcel 4.0, wo die Betaetigung der rechten Maustaste ein Menue aufblendet, das sich auf die jeweilige Cursor-Position (Feld, Spalte etc.) bezieht. Genauso waere es moeglich, mit der zweiten Maustaste eine positionsbezogene Hilfe anzufordern.

Wenn zum Beispiel an einer bestimmten Position der Klick mit der linken Maustaste die Funktion "Berechnen" aktiviert, koennte ein Klick mit der rechten Taste ein Hilfefenster anfordern, das erklaert, was bei dieser Funktion zu beruecksichtigen ist.

Bei aller dargestellten Skepsis gegen elektronisch gesteuertes Lernen muss man doch auch beruecksichtigen, dass moderne Software mit grafischer Oberflaeche und Maussteuerung die Arbeit am Bildschirm so vereinfacht haben, dass manche Handbuch-Gruselstory heute nicht mehr moeglich waere (sein sollte). Aus einem aelteren PC-Handbuch: "Einen Text, den Sie auf dem Bildschirm geschrieben, korrigiert und formatiert haben, koennen Sie auf der Diskette abspeichern. Mit den folgenden Befehlen schalten Sie den Speicherbetrieb ein: <SHIFT>-<CLR/HOME> Recall, Memorize, or Insert : X : I : S : C : N : <m> ("memorize" ; speichern) MEMORIZE-DRIVE # ? : X : I : S : C : N : Tippen Sie nun die Nummer des Laufwerkes, in dem sich Ihre Text-Diskette befindet, zum Beispiel: <1> MEMORIZE 1: : X : I : S : C : N :." Das Ganze geht noch eine Weile so weiter, bevor der Text gluecklich auf der Diskette gelandet ist. Das Handbuch hatte 170 Seiten im DIN-A4- Format.

Die gesamte zitierte Beschreibung kann man sich heute sparen, weil ein Mausklick auf das Speichersymbol in der Funktionsleiste genuegt. Mit einem Makro ist es etwa unter Winword sogar moeglich, durch einen einzigen Klick einen Text in mehreren Formaten auf einer Diskette im 3 1/2- oder 5 1/4-Zoll-Format zu speichern.

Viele Handbuecher sind nur deshalb so umfangreich, weil die beschriebenen Produkte nicht bediener-, sondern fehlerfreundlich sind. Der Benutzer kann viele Irrtuemer begehen, die die Anwendung nicht abfaengt, deshalb muss man ihm ausfuehrlich erklaeren, was er alles falsch machen und wie er moeglicherweise aus dem Schlamassel wieder herauskommen kann. Teilweise reicht die Fantasie der Software- Entwickler nicht aus, sich die Fehlermoeglichkeiten im voraus vorzustellen.

Zur Beziehung zwischen Produkt und Bedienungsanleitung stellte Horst Duerr im "Manager Magazin" 5/1977 fest: "Je einfacher ein Produkt zu nutzen ist, ... desto einfacher kann auch die Gebrauchsanweisung sein. Schon bei der Konzeption des Produktes sollte das Management deshalb alle Loesungen verwerfen, die abschreckende Gebrauchsanweisungen verlangen." Das waere zu schoen, um wahr zu sein. Duerr fordert, die Gebrauchsanleitung im Rahmen einer wertanalytischen Betrachtung als Teil des Produktes zu behandeln.

Schreiben kann nicht jeder

In manchen Handbuechern ist auf den ersten Seiten zu lesen: "Eine Haftung fuer Schaeden und Folgeschaeden, die aufgrund von Fehlern in diesem Handbuch entstehen koennten, kann jedoch nicht uebernommen werden." Wohl niemand, der diesen Text in die Hand bekommt, wuerde das zugehoerige Produkt kaufen. Aber Handbuecher bekommt man in der Regel erst nach dem Kauf des Produktes, wenn es zu spaet ist. Wieso aber haben die Lieferanten der Handbuecher ein so schlechtes Gewissen, dass sie die zitierte Klausel einbringen muessen?

Qualifizierte Texter, die ihren Beruf richtig erlernt haben, regen sich oftmals darueber auf, dass in manchen Unternehmen jeder Mitarbeiter glaubt, ein geborener Texter zu sein nach dem Motto: Wer programmieren kann, kann auch schreiben. Bei Bedienungsanleitungen und Handbuechern ist es nicht anders. So ergab 1983 eine von der afg (Arbeitsgemeinschaft fuer Gebrauchsanweisungen) zusammen mit der Marktforschung Naether durchgefuehrte Untersuchung, dass in fast jedem Unternehmen eine andere Abteilung vom Einkauf bis zur Rechtsabteilung fuer Gebrauchsanweisungen zustaendig ist; dabei handelt es sich jedoch nur in den wenigsten Faellen um Gebrauchsanweisungs-Spezialisten.

Was dabei herauskommt, scheint zumindest das Management nicht zu interessieren. Das "Handelsblatt", das in der Ausgabe vom 14. November 1983 ueber eine Befragung von 100 Marketing-Insidern zum Thema Gebrauchsanweisungen berichtete, schrieb naemlich unter anderem: "Selbst wenn intern der Kundendienst, der Verkauf oder wer auch immer ueber die Gebrauchsanweisungen meckert: Bei den entscheidenden Leuten stoesst er auf taube Ohren."

Wie das Handelsblatt weiter berichtete, durften die Marketing- Insider Noten von eins bis fuenf (wichtig bis unbedeutend) vergeben. Obwohl nach Meinung der Befragten die einwandfreie Funktion und Handhabbarkeit eines Geraetes der wichtigste Punkt fuer die Zufriedenheit des Kunden und ihrerseits abhaengig von der Verstaendlichkeit der Gebrauchsanweisung ist, vergaben 69 Prozent nur die Bedeutungsnote vier oder fuenf.

Logischerweise bekommen die unter solchen Voraussetzungen fabrizierten Texte von den Benutzern ebenfalls schlechte Noten. Als die afg auf einer Buerofachausstellung 100 Besucher nach ihren Erfahrungen mit Anleitungen fuer moderne Buerogeraete befragte, meinten 40 der Gaeste, dass die Geraete nur deshalb nicht optimal genutzt wuerden, weil die zugehoerigen Bedienungsanleitungen nicht verstaendlich genug seien.

Wohlgemerkt: Bei den Interviewten handelte es sich um Entscheider, nicht um die eigentlichen Benutzer. Fasst man beide Befragungen zusammen, so kann man sich folgendes Szenario vorstellen: Waehrend der Marketing-Leiter des Kaffeeautomaten- Produzenten Meier & Co. sich gerade darueber aergert, dass seine Sekretaerin nicht mit der neuen elektronischen Schreibmaschine von Schmitz International zurechtkommt, schimpft zur gleichen Zeit sein Schmitz-Kollege auf die kryptische Gebrauchsanleitung zum Kaffeeautomaten von Meier & Co.

Daraus koennte man den Schluss ziehen, dass Bedienungsanleitungen nur deshalb so schlecht sind, weil die dafuer zustaendigen Manager selbst noch nie danach gearbeitet haben.

Sollte jede Bedienungsanleitung erst von einem Manager des eigenen Unternehmens, der das Produkt nicht beherrscht, getestet werden? Noch besser waere es natuerlich, wenn die spaeteren Benutzer schon beim Entwurf der Bedienungsanleitung beziehungsweise des Handbuches mitwirken koennten. Doch das ist nur sehr selten der Fall.

Deshalb gab Apple den Software-Entwicklern schon auf dem Apple- Software-Kongress 1983 mit dem Vortrag "What to Look for When Evaluating Documentation" eine Art Knigge mit auf den Weg. Diese Checkliste enthaelt aber nicht nur Fragen nach einem detaillierten Inhaltsverzeichnis und einem vollstaendigen Index, sondern auch nach der Verpackung des Handbuches.

Die aeussere Gestalt eines Titels ist zwar keineswegs nebensaechlich. Mit Verpackung ist hier aber auch die Aufmachung des Inhalts, also Komposition und Didaktik, gemeint.

Dafuer kann man das Desktop publishing (DTP) benutzen. Aber DTP ist ein reines Gestaltungsmittel. Es kann Daten und Zahlen durch Diagramme anschaulicher, aber weder Texte besser noch Zeichnungen verstaendlicher machen.

Die Zeichnungen in den Bedienungsanleitungen zu technischen Produkten aller Branchen sind in der Regel katastrophal. Oftmals sind sie so abstrakt, dass der Laie nicht einmal erkennen kann, wo oben und unten ist.

Es draengt sich der Eindruck auf, dass die meisten Handbuchzeichner noch nie etwas von Grafik- und CAD-Programmen gehoert haben. Geradezu paradox erscheint die Situation, wenn einerseits die Zeichnung in einem Druckerhandbuch zum Reinigen der Corona selbst mit Lupe nicht zu interpretieren ist und man andererseits Animationsprogramme sieht, bei denen Icons tanzen, Grafiken dreidimensionale Muster bilden und individuelle Cursor- Darstellungen sich zielgerichtet ueber den Bildschirm bewegen.

Apropos Animationsprogramme: Zu ihnen scheint heute der Ton zu gehoeren; und da das Audioequipment immer billiger wird, koennten bald viele Anwender einen PC mit Mikrofon und Lautsprecher haben. Dann wuerde es sich anbieten, elektronische Handbuecher und Hilfefunktionen mit Sprache zu unterlegen. Doch es steht zu befuerchten, dass in diesem Jahrtausend der Computer nicht mehr rufen wird: "Halt! Diese Funktion fuehrt in dieser Programm-version zum Absturz."

Handbuecher sind (noch) unersetzlich

Wir werden weiter auf herkoemmliche Handbuecher und Bedienungsanleitungen angewiesen sein. Sie sind ein Thema der Schulung und Weiterbildung. Aber in diesem Bereich werden die Erkenntnisse der Wissenschaft zum Thema Informationsaufnahme kaum zur Kenntnis genommen. Das hat allerdings auch einen Grund. Die Erforschung des menschlichen Gehirns, die auch heute noch lange nicht abgeschlossen ist, hat in den vergangenen Jahrzehnten zu immer neuen und teilweise voellig anderen Ergebnissen gefuehrt. Die Praktiker in den Seminaren brauchen Zeit, um komplizierte theoretische Einsichten umzusetzen.

1979 hat die Trainer-Akademie Muenchen (TAM) das Struktogramm von Rolf Schirm uebernommen, der sich an den Ergebnissen der Hirnforschung Mitte der 60er Jahre orientierte, zum Beispiel an der Unterteilung in drei Gehirne von Paul McLean. Danach speichert das Stammhirn Vergangenheitserfahrungen aus Millionen von Jahren, waehrend das Zwischenhirn in erster Linie von Emotionen gesteuert ist, jedoch bereits eine gewisse Lernfaehigkeit zulaesst. Die Hirnrinde schliesslich ist "das Gehirn der Verfuegung ueber die Zukunft. Hier wird ein Modellbild der Welt aufgebaut und gespeichert. Es entsteht die Faehigkeit, sich Dinge vorzustellen, die in der Realitaet noch nicht vorhanden sind."

Nutzen wir also die Hirnrinde und stellen uns optimale Handbuecher und Bedienungsanleitungen vor. Dazu gehoert, dass Informationen, die nicht auf Papier vermittelt werden, wenigstens in die elektronischen Handbuecher kommen. Das Ziel sollte sein, den Benutzer mit einer Art Ariadnefaden durch das Labyrinth aller bei der Benutzung von Hard- und Software moeglicherweise benoetigten Informationen zu fuehren.

*Fritz Schmidhaeusler ist freier Fachjournalist in Moenchengladbach.