Viele Anwender hadern mit Oracle

16.11.2004
Die Deutsche Oracle-Anwendergruppe (Doag) fordert von Oracle mehr Transparenz. Nach wie vor seien Informationsdefizite in Sachen Lizenzpolitik und Patches zu beklagen.

Oracle hat noch eine Menge zu tun, um vollständige Transparenz in seiner Lizenzpolitik zu schaffen", zog der Doag-Vorsitzende Fried Saacke Bilanz. Auch auf der 17. Konferenz der User-Vereinigung, die vom 10. bis 11. November in Mannheim stattfand, standen Fragen rund um Oracles Lizenzmodelle im Mittelpunkt der Diskussionen.

Allerdings habe sich in den vergangenen Monaten einiges getan, berichtete Saacke. Beispielsweise hätten die Oracle-Verantwortlichen mehr Sensibilität für die Bedenken der Anwender gezeigt. Außerdem seien die Mitarbeiter, die in direktem Kontakt zu den Kunden stehen, während der zurückliegenden Monate intensiv geschult worden. Allerdings stehe man noch in einer frühen Phase des Prozesses, dämpfte Saacke zu große Erwartungen. "Wir fangen jetzt auf dieser Konferenz an, die geforderte Transparenz in Sachen Lizenzpolitik herzustellen."

Die Doag-Verantwortlichen hatten Anfang des Jahres eine Umfrage zu Oracles Lizenzpolitik unter ihren Mitgliedern gestartet. Die Auswertung der 123 Antworten ergab, dass rund 70 Prozent dieser Anwender kein Vertrauen in die Lizenzpolitik ihres Anbieters besaßen.

Neue Erkenntnis für Oracle

"Das war für uns eine neue Erkenntnis", gibt Oracles Deutschland-Chef Rolf Schwirz in Mannheim zu. "Uns war nicht bewusst, dass hier ein Informationsdefizit besteht." Daran werde Oracle arbeiten, versprach der Manager. Es müsse sichergestellt werden, dass Oracle-Kunden, die nach den verschiedenen Lizenzmodellen fragten, verlässliche Auskünfte bekämen. Allerdings konnte sich Schwirz einen Seitenhieb auf die Doag-Umfrage nicht verkneifen. Oracle habe 22000 Kunden in Deutschland. "Jetzt könnte ich natürlich sagen, 123 Stellungnahmen seien nicht repräsentativ", dozierte er. "Das tue ich aber nicht."

Umfragen seien immer Stichproben, wies Saacke den versteckten Einwand zurück. Am Ergebnis gebe es jedoch nichts zu rütteln. Probleme entständen vor allem dann, wenn komplexe Systeme mit alten Lizenzmodellen wie "Concurrent User" oder "Universal Power Units" (UPU) auf die neuen CPU- beziehungsweise Named-User-basierenden Verfahren migriert würden. Dabei habe sich herausgestellt, dass teilweise Informationen gefehlt hätten oder die Kunden falsch beraten worden seien. Als Folge hätten manche Kunden nicht die richtigen Lizenzen erworben. Kämen diese Fehler im Rahmen von Audits ans Licht, fordere Oracle eine Nachlizenzierung. Es sei zwar das gute Recht des Herstellers, sein Geld zu bekommen, so Saacke. Andererseits müsse schon im Vorfeld klar sein, welche Lizenzen gebraucht würden, forderte der Doag-Vorsitzende. "Hier wollen wir Investitionssicherheit schaffen."

Offenbar sei es insbesondere für größere Unternehmen schwierig, die Kontrolle darüber zu behalten, was bis in den letzten Winkel einer Firma mit einer einmal angeschafften Software geschehe, mutmaßte Schwirz. Die Kunden erhielten die komplette Softwarepalette auf einem Datenträger. Teilweise werde in der Folge Software installiert, ohne an deren Lizenzierung zu denken. In keinem der Fälle habe er jedoch feststellen müssen, dass jemand aus böser Absicht nicht gezahlt habe, versicherte Schwirz. Oracle bemühe sich, Lösungen zu finden, die beide Seiten zufrieden stellten.

Der Spielraum, den Kunden in Sachen Lizenzgestaltung entgegenzukommen, ist jedoch eng geworden, berichtete Helmut Franz, Senior Berater von MSG Systems. Seit dem Erscheinen von Oracles Software Investment Guide (SIG) gebe es keine kreativen Lösungen mehr. Im SIG werden die Lizenzbedingungen global festgelegt. "Wenn ein Oracle-Berater etwas anderes verspricht, dann stimmt dies schlichtweg nicht", warnte Franz. Abweichungen müssten von der Zentrale in den USA genehmigt werden. "Deren Einverständnis zu bekommen ist schwierig."

Die Softwarehersteller änderten vielfach einseitig ihre Lizenzmetriken, monierte Franz. Installiert der Kunde eine Erweiterung oder eine neue Version, trete nach Interpretation der Anbieter damit ein neuer Lizenzvertrag in Kraft. Das könne teuer werden. Auch neue Entwicklungen wie Dual-Core-CPUs bergen finanzielle Risiken. Laut Oracle-Bestimmungen zählt ein solcher Prozessor wegen seiner zwei Rechenkerne als zwei separate CPUs. Wächst die Leistung der Hardware, steigen automatisch die Lizenzkosten. Franz? Fazit: "Das Lizenzmodell Oracles ist absolut optimiert - auf die Bedürfnisse von Oracle."

Keine Antwort auf Trends

"Oracle nimmt die Diskussion um die Dual-Core-Chips durchaus wahr", versuchte Schwirz zu beschwichtigen. Das Problem werde auch innerhalb des Unternehmens kontrovers diskutiert. Allerdings sei noch keine Entscheidung gefallen, wie die Prozessormetrik künftigen Entwicklungen angepasst werden könne.

Anpassungen fordern die Anwender auch in anderen Bereichen. Als problematisch wird beispielsweise das Handling von logischen Partitionen (LPARs) auf IBM-Servern der jüngsten Generation bewertet. Hier können User einzelnen Anwendungen nach Bedarf CPU-Ressourcen zuteilen, um Lastspitzen abzufedern. Damit wird es theoretisch möglich, der Oracle-Datenbank Bruchteile von Prozessorkapazitäten zuzuweisen. In Oracles Lizenzmodell wird diese Möglichkeit jedoch nicht berücksichtigt. Zwar erlaubt der Datenbankspezialist seinen Kunden, physikalisch abgetrennte Hardwarepartitionen einzurichten und die Softwarelizenzen entsprechend der dort genutzten CPU-Leistung zu berechnen. Eine granulare Aufteilung der CPU-Leistung innerhalb einer LPAR lasse sich im Lizenzmodell nicht messen, erläuterte Günther Stürner, Vice President für den Bereich Datenbanken bei Oracle in Deutschland.

Wie lizenziert man Grids?

Auch bei der Frage, wie Oracle seine Lizenzpolitik an die künftigen Möglichkeiten des Grid-Computing anpassen werde, musste Stürner passen. Gerade die flexible Zuteilung von Ressourcen für bestimmte Anwendungen lasse sich mit dem starren Lizenzmodell Oracles kaum in Einklang bringen, befürchten viele Anwender. Dies sei eine schwierige Diskussion für alle Softwarehersteller, gab Stürner zu. Er forderte die Kunden auf, gemeinsam mit Oracle daran zu arbeiten. "Es gibt Lösungen, und wir finden sie auch", versprach der Oracle-Manager.