Rund 400 Teilnehmer bei Microsoft-Konferenz

Viel Lernaufwand für Windows-Entwickler

19.12.1997

Ein großer Teil der Veranstaltung beschäftigte sich mit Technologien und Produkten, die entweder in einer Betaausführung oder noch gar nicht erhältlich sind. Besondere Aufmerksamkeit zog Windows NT 5.0 auf sich, dessen Vorabversion an die Teilnehmer verteilt wurde. Zum Fertigstellungstermin gab es keine offiziellen Aussagen, Beobachter gehen inzwischen aber von Anfang oder Mitte 1999 aus.

Der Umfang der Software steigt durch die Integration zahlreicher zusätzlicher Dienste in das Betriebssystem und das Vorhaben Microsofts, PC-Netze durch eine Reihe zusätzlicher Management-Funktionen leichter wartbar zu machen. Diese Herkulesaufgabe manifestiert sich bis dato in 27 Millionen Zeilen Quellcode für NT 5.0.

Zu den integrierten Diensten des Betriebssystems, denen eigene Vorträge galten, gehören unter anderem der "Transaction Server", "Active Directory" oder das erweiterte Component Object Model COM+.

Größeres Kopfzerbrechen wird den Microsoft-Entwicklern die auf der Comdex in Las Vegas vorgestellte Replikationstechnologie "Intellimirror" bereiten. Sie soll Benutzer auch auf wechselnden Arbeitsplätzen unterstützen und die komplexe Client-Konfiguration den jeweiligen Anwendern anpassen. Intellimirror befindet sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium, es ist nicht Bestandteil der NT-Beta.

Insgesamt präsentierte sich die Microsoft-Plattform als riesige Baustelle, die für Programmierer und Anwender in den nächsten Jahren einige Fallgruben bereithalten wird. Die Abstimmung der Produktzyklen ist angesichts der enormen Komplexität kaum zu bewältigen. Beispielsweise ist Visual Basic in der aktuellen Version nur beschränkt für die Programmierung des "Transaction Server" geeignet. Anstatt Objekte mit den gewohnten Sprachmitteln zu erzeugen, ist der Aufruf einer COM-Funktion nötig.

Das Update der Programmiersprache wird dieses Problem beheben, Entwickler müssen den bestehenden Quellcode dann wieder ändern. C- und C++-Entwickler, die sich in die Nutzung der Microsoft Foundation Classes (MFC) eingearbeitet hatten, mußten erfahren, daß diese Klassenbibliotheken ebenfalls nicht mit dem Transaktions-Server kompatibel sind.

Insgesamt werden viele der angestrebten Windows-Verbesserungen zusätzliche Anstrengungen für die Entwickler mit sich bringen. Beispielsweise können bestehende Anwendungen den auf 3 GB erweiterten Adreßraum von NT nicht nutzen, sie müssen dafür durch explizites Speicher-Management angepaßt werden.

Hat sich Microsoft zuviel vorgenommen?

Auch das "Zero Administration Windows" (ZAW) geht mit zusätzlichen Richtlinien für die Programmentwicklung einher, die Microsoft mit einer strengeren Vergabe von Logos überwachen will.

Es bleibt abzuwarten, wie viele der ehrgeizigen Pläne die Gates-Company umsetzen kann. Unvermeidliche Abstriche können jedenfalls zu Lasten des Anwenders gehen. So ist absehbar, daß bestehende Systeme von neuen Diensten nur wenig profitieren werden. Beispielsweise erhielten Teilnehmer die Auskunft, daß Windows NT 4.0 keine Client-Software für Active Directory erhalten wird und auf das bestehende Domänenkonzept beschränkt bleibt.

Außerdem wird Microsoft Windows 98 eindeutig als Con- sumer-Produkt positionieren und deshalb dort einige der neuen Management-Funktionen weglassen. Immerhin will sich der Hersteller um eine reibungslose Update-Option von Windows 3.1 kümmern, die aber zu einer weiteren Verspätung des Betriebssystems um ein halbes Jahr führen wird. Gegenwärtig ist angesichts der Untersuchungen der US-Kartellbehörden ohnehin unklar, wie das Betriebssystem aussehen wird.