IT im Marketing/Informativer Leistungsverbund als Strategie

Vertriebs-Controlling öffnet die Tür zu Kundendaten und -bedürfnissen

05.05.2000
Ein kundenorientiertes, datenbankbasiertes Marketing- und Vertriebs-Controlling-System unterstützt beim Türen- und Fensterbauer Weru in Rudersberg die Strategie der "fusionierten Leistung". Was darunter zu verstehen ist, erläutert Klaus Widy*.

Entgegen früheren Erwartungen dauert die schwierige Konjunktur in der deutschen Bauwirtschaft an. Deutliche Überkapazitäten in der Industrie belasten die Durchschnittserlöse und erhöhen das Geschäftsrisiko für Industrie und Handwerk. Insofern kann das Weru-Management im Kerngeschäft der Weru AG - Fenster und Türen - nach wie vor keine besonderen konjunkturellen Impulse erwarten. Umso wichtiger ist es für den Konzern, konsequent Produkt-, Prozess- und Serviceinnovationen im Markt zu platzieren und sich durch ein "Konzept der fusionierten Leistung" zwischen Weru und seinen autorisierten Fachbetrieben vom Mitbewerb zu differenzieren.

Gleichzeitig wird die Organisation weitergehend qualifiziert - vom optimierten Logistikkonzept bis hin zum leistungsorientierten Preis- und Konditionensystem.

Die Kunden, das sind Bauherren, Handwerker und Architekten, stehen im Mittelpunkt der Unternehmensstrategie. Um sich speziell hinsichtlich Service- und Kundenorientierung zu unterscheiden, setzt das Unternehmen auf die strategisch positionierte Leitidee der fusionierten Leistung. Dieser Begriff definiert das partnerschaftliche Zusammenspiel zwischen den handwerklich ausgerichteten Fachbetrieben und dem Industrieunternehmen Weru AG. Weru hält die Produkte bereit, während die Fachbetriebe vor Ort Beratung, Aufmaß, Montage und Kundendienst anbieten.

Um dem strategischen Ansatz gerecht zu werden, wurde die produktbezogene Organisation konsequent prozessorientiert ausgerichtet und alle Prozesse bei den Rudersbergern wurden kritisch überprüft beziehungsweise optimiert - angefangen bei den organisatorischen Abläufen über die Betriebswirtschaft, die Produkt- und Markenpolitik bis hin zum Werbeauftritt.

Soll der "fusionierte Leistungsverbund" weiter seine Gültigkeit behalten, so muss das grundlegende Partnerkonzept noch gestärkt werden. Hierbei soll insbesondere ein auf betriebswirtschaftlichen Daten und Fakten basierendes Kunden- und Vertriebs-Management helfen: ein Data-Warehouse-unterstütztes Controlling-System.

Weru hat auf der Grundlage der Standardapplikation "Oracle Financial Analyzer", die auf dem multidimensionalen Olap-(Online-Analytical-Processing-)Server aufsetzt - dem "Oracle Express Server" - ein derartiges Controlling-, Analyse-, Berichts- und Planungsinstrument eingeführt. Die Nutzer kommen aus Marketing, Vertrieb, Controlling sowie aus der Unternehmensleitung.

Die Vorteile des neuen Systems waren nachweisbar. Was früher in getrennten Systemen aufbereitet wurde, wird jetzt in konsolidierten Berichten in einem durchgängigen Berichtssystem bereitgestellt. Planungen, die bisher unterschiedliche Softwareumgebungen berührten und sechs bis acht Wochen dauerten, werden inzwischen in wenigen Tagen erledigt. Darüber hinaus sind Trend- oder Abweichungsanalysen oder Frühwarnberichte verfügbar - früher völlig undenkbar.

Die Berichte sind auf das multidimensionale Modell abgestimmt. Man kann rasch durch die ausgewählten Daten navigieren, die Berichtsachsen drehen und durchblättern sowie auf Mausklick per Drilldown detailliertere Informationen abrufen.

Insgesamt lassen sich Marketing und Vertrieb gründlicher untersuchen und die kritischen Erfolgsfaktoren besser steuern und überwachen.

Die Ist-Daten kommen weitgehend aus operativen SAP-R/3-Anwendungen. Sie werden auf unterster Ebene in das Controlling-System eingespielt und entsprechend verdichtet. Die Planung, die zentral im Oracle Financial Analyzer erfolgt und demnächst auch dezentral in den Vertriebsregionen verfügbar sein wird, bietet vielfältige Planungsebenen und -funktionalitäten:

Beispiel 1Berechnung des Forecasts in Form hochgerechneter Erwartungswerte:

Je nach Berichtsgröße werden unterschiedliche Forecasts ermittelt. In den meisten Fällen sind nur wenige mauelle Eingaben wie etwa Jahreserfahrungswerte oder Saisonfaktoren erforderlich. Aus diesen und den kumulierten Ist-Werten des laufenden Jahres werden die Forecast-Werte automatisch berechnet.

Beispiel 2Vorschlag eines Vertriebsplans auf Einzelkundenebene:

Ausgangsbasis für den Plan des Folgejahrs ist der aktuelle Forecast des laufenden Jahres. Nachdem mögliche Topdown-Vorgaben - beispielsweise Absatz plus x Prozent - berücksichtigt wurden, werden sämtliche Werte gemäß der entsprechenden Verteilung im laufenden Jahr auf Kundenebene heruntergebrochen. Auf Grundlage dieser Werte kann der regionalverantwortliche Vertriebsmitarbeiter seine Kunden qualifizierter beraten und gemeinsam mit ihnen die Werte kommentieren, bestätigen oder korrigieren.

Beispiel 3Endgültiger Vertriebs- und Unternehmensplan:

Die auf Einzelkundenebene bestätigten oder korrigierten Planungswerte werden in einen endgültigen Vertriebsplan eingespielt und nach möglichen Neubewertungen für die Weru-Geschäftsleitung zum Unternehmensplan verdichtet.

Das System stellt ein Instrumentarium zur Auswertung und Planung Marketing-und vertriebsrelevanter Daten beziehungsweise Entscheidungen bereit. Methodisch verbirgt sich hinter dem neuen Verfahren eine Integration der unternehmensweiten Kennzahlenlogik mit dem Schwerpunkt auf der Kunden- und Zielanalyse.

Die Vertriebsorganisation war sehr schnell von seinem Nutzen überzeugt. So führt die Akzeptanz im Außendienst zu einer höheren Planungsdisziplin im Feld. Inzwischen finden die Weru-Leute das System unverzichtbar.

Den Unternehmensstrategen ging es darum, auf der Basis des kundengerichteten Controllings mit Daten aus dem Rechnungswesen, aus Transaktionen, Marketing, Vertrieb und Service das Management und die Außendienstmitarbeiter mit aktuellen Informationen zu unterstützen.

Das Ziel ist, die Geschäfte, Akquisitionsmaßnahmen, Ressourcen und Ergebnisse so zu steuern, dass sie sowohl für Weru als auch für den Fachbetrieb eine maximale Produktivität versprechen.

Vor diesem Hintergrund fragte man sich seinerzeit: Liefern die herkömmlichen Controlling-Systeme die richtigen Informationen, oder brauchen wir einen kundenorientierteren Ansatz?

Insgesamt hat sich das Marketing- und vertriebsorientierte Management-Informationssystem auf vielfältige Weise als integrierendes Instrumentarium bewährt - sei es auf der Softwareebene, bei der organisatorischen Zusammenführung von Vergangenheitswerten und Zukunftsplanung, der planerischen Koordinierung von Weru AG und Fachbetrieben oder aber bei der Integration von Marketing und Vertrieb.

Im Sinne der fusionierten Leistung ist der Vertrieb mit Informationen besser dafür gerüstet, Marketing- und Steuerungsaufgaben wahrzunehmen und die Fachbetriebe bei der Planung und Realisierung ihrer Geschäfte zu unterstützen.

*Klaus Widy ist Bereichsleiter Finanzen und Controlling der Weru AG in Rudersberg.

BEWERTUNGDie verbreiteten herkömmlichen Vertriebs-Controlling-Systeme sind nach innen gerichtet, stark produktionslastig und berichten primär intern messbare, finanzielle Größen der Vergangenheit. Vertriebs-Controlling dagegen kann kunden- sowie marktfokussiert und stärker auf künftige Ziele ausgerichtet sein. Im Vordergrund steht dabei der einzelne Kunde als dominante Analysedimension und Optimierungsfaktor. Insofern ist die zentrale Aufgabe des Vertriebs-Controllings insbesondere die Evaluierung der Qualität und des Zukunftspotenzials jedes einzelnen Kunden. Im Unterschied zu herkömmlichen, umsatzbezogenen ABC-Analysen stehen bei kundenorientierten Analysen jene Kriterien im Mittelpunkt, die für erfolgreiche Kundenbeziehungen auf Basis gemeinsam abgestimmter Planungen maßgeblich sind. Von ergänzender Bedeutung und dementsprechend berücksichtigt sind auch die Kosten der Kundenbetreuung, das Zahlungsverhalten, Aufwendungen für Werbeunterstützung oder Sachleistungen. Um Kundenbeziehungen besser bewerten, qualifizieren, optimieren und vertiefen sowie zukunftsorientierte Kundenbindungs- und Marktdurchdringungsstrategien effizienter gestalten zu können, berichten derartige Controlling-Systeme nicht nur über Erträge und Aufwendungen, über die Rentabilität oder den Wert jedes Kunden. Auf Basis der gemeinsam mit den Partnerfachbetrieben abgestimmten Fakten und Daten pflegt der Außendienst über das Informationssystem gleichzeitig aussagekräftige, komplette Kundendossiers.

Das UnternehmenWeru wurde bereits 1843 gegründet und gehört zu den bedeutendsten Herstellern von Fenstern und Haustüren auf dem europäischen Markt. Werke der heutigen Weru AG gibt es in Rudersberg (Baden-Württemberg), Triptis (Thüringen) und Heilsbronn (Bayern). Vertrieben werden die Erzeugnisse von rund 1040 autorisierten Fachbetrieben im In- und Ausland (www.weru.de).