Vertreter der Old Economy lehnen sich selbstzufrieden zurück

27.04.2001
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Etwas eigenartig war das schon: Da saßen die Topmanager etwa der Deutschen Bank, der Deutschen Telekom, der Commerzbank und der Bayer AG zufrieden beim 8. Deutschen Wirtschaftskongress in Köln beisammen und klopften sich gegenseitig auf die Schultern: Wir haben es ja schon immer gewusst, warum die New-Economy-Unternehmen vor allem Seifenblasen produzieren. Dass sie deren Technologien zum eigenen Vorteil längst benutzen, sagten sie nicht.

Ein kleiner fader Beigeschmack blieb bei dem zweitägigen Kongress „Net Planet – Strategies for a new Economy“, den das Organisationsforum Wirtschaftskongress (OFW) veranstaltete. Da saßen die schillernden Bosse des alten Wirtschaftens und bestärkten sich gegenseitig in der Erkenntnis, dass es einen – O-Ton Telekom-Chef Ron Sommer - „Unterschied zwischen alter und neuer Ökonomie nicht gibt“. Deutsche-Bank-Vorstandschef Rolf Breuer verlangte, man solle endlich nicht mehr zwischen Old und New Economy differenzieren. Eine neue Wirtschaft habe es nie gegeben, behauptete auch John Bond, Vorstandsmitglied der Hongkong and Shanghai Banking Corp. (HSBC).

Alle waren sich im Nachhinein einig, dass die jugendlichen Adepten des neuen Wirtschaftens sämtliche Regeln der Ökonomie außer Acht gelassen hätten. Deren fundamentale Prinzipien ließen sich in dem Postulat bündeln, ein Unternehmen müsse nun mal Gewinn machen. Statt wirtschaftlich Handfestem hätten die New-Economy-Firmen lediglich abnorme und nicht nachvollziehbare Börsenbewertungen zu bieten gehabt. Nicht verwunderlich sei es deshalb, dass der Neue Markt in den vergangenen Monaten völlig zusammengebrochen sei und viele Aktionäre das Vertrauen in Technologieunternehmen verloren hätten.

Ein Vertreter der Old Economy wie Ron Sommer verschwieg dabei geflissentlich, dass der Kurs der Aktie seines Unternehmens auch schon einmal wesentlich bessere Tage gesehen hat und er selbst als oberster Firmenverantwortlicher in die Schusslinie des Börsenaufsichtsamts geraten ist, weil die Bilanz seines Hauses mit mutmasslich viel zu hoch bewerteten Immobilien glänzten.

Der von Studenten der Kölner Universität mit viel Einsatz hervorragend organisierte Kongress bot deshalb vor allem Köpfe und weniger Konzepte. Hilfreicher war da schon die Einordnung von Ed Zander, President von Sun Microsystems. Die Aussage, das Internet sei kein Geschäftsmodell, sondern eine Technologie, mag zwar banal erscheinen. Sie rief den Teilnehmern aber doch in Erinnerung, dass es bei der Einschätzung der Potenziale für eine neue Form des Wirtschaftens im ganz wesentlichen Maße darauf ankommt, wie vorhandene Techniken insbesondere aus der Softwareindustrie in Unternehmen wettbewerbswirksam eingesetzt werden könnten.

Nur en passant ließ der Deutsche-Bank-Chef Breuer anklingen, was passieren würde, wenn die Computersysteme seines Unternehmens nicht mehr funktionieren würden: „Das wäre die schlimmstmögliche Katastrophe.“ Denn die Systeme der Deutschen Bank hingen in einem Verbund mit weiteren deutschen Finanzinstituten und mittlerweile auch mit denen der anderen EU-Länder zusammen. Deshalb besitze man auch ein komplettes Ausfallzentrum, das hoffentlich nie havarieren werde.

Auch in den begleitenden Seminaren zum Kongress wurde weniger an technischen Argumenten entlangdiskutiert, sondern bestenfalls Prognosen entwickelt. So repetierten beispielsweise Andreas Müller von 12snap AG, David Dean von Boston Consulting und Jahn Wennerholm von Telefonaktiebolaget LM Ericsson gebetsmühlenhaft das Beispiel „I-Mode“ in Japan, das die enormen Potenziale des M-Commerce aufzeige. Die Antwort auf die Frage, welche Anwender man mit dieser Form der Werbung und des Wirtschaftens aber ansprechen wolle, blieben sie genauso schuldig wie die nach den so genannten Killerapplikationen für den M-Commerce.

Außer Klingeltönen, die sich aus dem Netz auf das Handy herunterladen lassen, also nichts gewesen? Eine Antwort konnten sie zu dem momentan sehr hippen Thema M-Commerce allerdings geben: Das lohnendste und mehrere Milliarden Euro schwere Geschäft bislang, das der SMS-Nachrichtenversendung, hatte in der Industrie keiner auf der Rechnung.