Vertraege fuer Deutschland und die Schweiz gekuendigt Interbase-Distributor Softnet erhebt Vorwuerfe gegen Borland

11.11.1994

MUENCHEN (qua) - Einst Partner, jetzt Kontrahenten: die Borland GmbH, Langen, und die Softnet GmbH, Meerbusch. Der im Raum Duesseldorf ansaessige Distributor der Back-end-Datenbank "Interbase" bezichtigt den Hersteller des mangelnden Client- Server-Engagements. Dieser kontert mit dem Vorwurf schlapper Vertriebsergebnisse.

"In zweieinhalb Jahren hat Softnet mit Interbase nur einen Umsatz von 300 000 Mark gemacht", moniert Romy Mager, Pressesprecherin der deutschen Borland-Niederlassung. Beim Abschluss der Vertraege hingegen seien jaehrliche Verkaufserloese im siebenstelligen Bereich angestrebt worden. Darueber hinaus habe Borland bei dem Interbase- Distributor noch Aussenstaende von mindestens 100 000 Mark einzutreiben. Insofern sei der Hersteller seinerseits mehr als bereit gewesen, Softnet die Partnerschaft aufzukuendigen.

Das hat sich jetzt eruebrigt. Zum naechstmoeglichen Termin - fuer Deutschland zum 15. Februar 1996 und fuer die Schweiz zum 31. Maerz 1997 - will Softnet die mit Borland geschlossenen Distributionsvertraege auslaufen lassen. De facto ist die Beziehung zwischen den beiden Unternehmen aber schon jetzt so schlecht, dass die Kommunikation nur noch ueber die jeweiligen Anwaelte laeuft. In einer Pressemitteilung erhebt der Distributor massive Vorwuerfe gegen den Hersteller: Die Markteinfuehrung von Interbase sei nicht angemessen unterstuetzt worden, und es fehle nach wie vor an Marketing-Aktivitaeten.

Kooperation mit Sybase als Ausloeser

Laut Sofnet steht in Europa nur noch eine einzige Person fuer den zentralen technischen Support zur Verfuegung. "Der Verdacht liegt nahe, dass Borland keine Intention hat, das Produkt intensiv zu vermarkten, sondern im Gegenteil die Interbase-Kosten stark zu reduzieren."

Die Borland-Sicht der Dinge ist selbstverstaendlich etwas anders. Nach Angaben von Stephan Bernigau, seit Anfang des Jahres fuer den Vertrieb der mittlerweile als Version 4.0 verfuegbaren Client- Server-Software zustaendig, hat der Hersteller fuenfstellige Dollarbetraege in die Kooperation mit Softnet investiert - fuer Seminare, Anzeigenkampagnen und Praesenz auf Fachmessen wie CeBIT oder GUUG. Zwar seien im Rahmen der Umstrukturierungsmassnahmen auch im Internet-Bereich Leute entlassen worden, doch gebe es in Europa derzeit acht Mitarbeiter, die sich mit dem technischen Support fuer das Datenbanksystem beschaeftigten.

Zudem macht Bernigau den Wunsch der Softnet-Manager nach exklusiven Vermarktungsrechten dafuer verantwortlich, dass der Absatz nur schleppend verlief. Fuer die bislang 15 rekrutierten Fachhaendler sei der Vertrieb nicht lukrativ, weil sie das Produkt nicht zum Einkaufspreis erwerben koennten.

Einer der Ausloeser fuer die Empoerung des Vertriebsunternehmens mag die Kooperation zwischen Borland und dem Datenbankrivalen Sybase gewesen sein, dessen "SQL Server" im Back-end-Bereich aeusserst erfolgreich mit Interbase konkurriert. Unangenehm aufgestossen sind Softnet dabei vor allem die von Borland und Sybase geplanten Marketing-Aktivitaeten. Damit eruebrige sich, so der Text der Pressemitteilung, "jeder weitere Versuch, Interbase als professionelle Client-Server-Datenbank anzubieten".

Allerdings hegen die beiden Softnet-Geschaeftsfuehrer Ulf Schiewe und Frank Wolniak moeglicherweise auch persoenliche Ressentiments gegen Sybase. Beide haben die deutsche Niederlassung des kalifornischen Software-Unternehmens mit aufgebaut. Zusaetzlichen Beziehungsstress duerfte verursacht haben, dass der neue Borland- Geschaeftsfuehrer Gerhard Romen ebenfalls ein Gastspiel als deutscher Sybase-Chef gegeben hat.

So ganz aus der Luft gegriffen sind die Softnet-Vorwuerfe gegen Borland wohl nicht. Tatsaechlich wurde Interbase - zumindest hierzulande - nur halbherzig

vermarktet. So hatte schon der Mitte des Jahres ausgeschiedene Romen-Vorgaenger Leo Merkel bemaengelt, dass Borland sich zuwenig um das Client-Server-Geschaeft kuemmere (vgl. CW Nr. 28 vom 15. Juli 1994, Seite 10). Die von Softnet aufgeworfene Frage, ob Interbase auf Unix-Plattformen langfristig eine Ueberlebenschance habe, ist angesichts der Windows-Orientierung des kalifornischen Software- Unternehmens zulaessig.