Satyam-CEO Rama Raju

"Verteilte Führung schafft Mehrwert"

06.05.2008
Von Herrmann Gfaller 
Um sich als kleinster Offshorer im Konzert der großen indischen IT-Dienstleister zu behaupten, hat Satyam eine ungewöhnliche Organisation ersonnen. CEO Rama Raju erläutert Hermann Gfaller* das Unternehmensmodell.

CW: Mehr als 60 Prozent Ihrer Kunden sind US-Unternehmen. Wie schlägt die dortige Finanzkrise auf Satyam durch?

RAJU: Die Subprime-Krise und der Dollarverfall schränken definitiv die Handlungsmöglichkeiten unserer US-Kunden ein, doch unsere Abhängigkeit von ihnen sinkt. Wir forcieren das Wachstum in Asien inklusive Australien und vor allem Europa, dem bei uns mit 21 Prozent Umsatzanteil am stärksten wachsenden Markt. Deshalb investieren wir intensiv in eigene Entwicklungszentren, deutsche Partner und in Firmenübernahmen.

CW: Europa, insbesondere Deutschland, gilt als schwierige Region, weil potenzielle Kunden Zeit brauchen, um Vertrauen zu entwickeln und ihre Dienstleister am liebsten an der nächsten Hausecke fänden.

RAJU: Auch die Sprache ist sehr wichtig. Wir haben eines unserer Entwicklungszentren in Ungarn aufgebaut, weil dort sehr viele Menschen deutsch sprechen. Die Unternehmen suchen nach einem vertrauenswürdigen Partner. Das tun wir auch, insofern sind wir zuversichtlich, dass sich die hohen Investitionen in den europäischen Markt auf Dauer auszahlen.

CW: Hat Satyam hier nicht deutliche Nachteile gegenüber Mitbewerbern, die schon viel länger in Europa und Deutschland um Vertrauen werben konnten?

RAJU: Wir bauen unsere globalen Kapazitäten aus, sowohl was die Anzahl der Mitarbeiter betrifft als auch unsere lokale Präsenz und vor allem das Know-how in unseren Kernbranchen. Zudem spielt der Kostenfaktor eine wichtige Rolle. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, betreiben wir Entwicklungszentren nicht nur in Indien, sondern auch in China, Singapur, Malaysia und Ägypten.

CW: Gehen Sie dorthin, wo die Löhne noch günstiger sind als in Indien, oder folgen Sie Ihren großen Kunden zu deren neuen Standorten?

RAJU: Beides. Nach China sind wir definitiv auf Kundenwunsch gegangen, und tatsächlich arbeiten wir dort hauptsächlich für unsere internationalen Konzernkunden.

CW: Wie TCS, Wipro und Infosys will auch Satyam in die Liga für hochwertige Services aufsteigen. Wie behaupten Sie sich als kleinster der vier großen indischen Dienstleister?

RAJU: Die indische IT-Industrie wächst jährlich um knapp 30 Prozent, wir um rund 35 Prozent. Um ein solches Wachstum ohne Qualitätsverlust für die Kunden zu verkraften, stecken wir enorm viel Engagement in die Schulung und Entwicklung unserer Mitarbeiter. Dabei geht es zum einen um technische Inhalte, zum anderen um verteilte Führung. Wir organisieren uns in 2000 interne Firmen beziehungsweise Kompetenzzentren, mit viel Eigenverantwortung für deren Manager. Das setzt eine komplex wachsende Matrix-Organisitation voraus.

CW: Warum gehen Sie ein solches Wagnis ein?

RAJU: Wir sind davon überzeugt, dass wir nur durch verteilte Verantwortung das Wachstum steuern können und nur aus der Kombination von Wachstum und verteilter Führung unseren Kunden den Kosten-Nutzen-Mehrwert bieten können, den sie erwarten.

CW: Passt dieses Konzept von Eigenständigkeit und kommunikationsintensiver Matrix zur indischen Mentalität, der eine gewisse Neigung zur Hierarchien nachgesagt wird?

RAJU: Es stimmt, die meisten Unternehmen hierzulande sind hierarchisch organisiert. Insofern heben wir uns hier deutlich ab. Funktionieren kann unser Konzept aber nur, wenn alle den Wertbeitrag ihres Kompetenzbereichs kennen. Die Rolle der Topmanager besteht darin, die Leiter dieser Bereiche zu unterstützen, dafür stehen sie ständig in persönlichem Kontakt mit ihnen- aber nicht im Sinne von Befehlsgebern. Meine Aufgabe ist es, all die Bereiche zu integrieren.

CW: Sie müssen doch die Leistung messen und steuern?

RAJU: Ja, das funktioniert über Kennzahlen. Intern verwenden wir ein zentrales Business-Intelligence-basierendes Führungssystem, das in einer Art Ampelsystem allen Zuständigen und mir die Informationen gleichzeitig auf dem Bildschirm bringt.

CW: Mischen Sie sich oft ein?

RAJU: Nein, das würde ja wieder zu hierarchischen Zuständen führen. Es geht darum, den Bereichen das Vertrauen zu geben, dass die Metriken dazu da sind, sie zu unterstützen, ihnen Ressourcen zur Verfügungen zu stellen, wenn sie gebraucht werden.

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