Verteilte DV/Neue Terminals und Drucker in mehreren hundert Aussenstellen Die Bundesanstalt fuer Arbeit ist auf dem Weg zu Client-Server

29.09.1995

Von Karl-Ferdinand Daemisch*

Der endgueltige Uebergang zu Client-Server- und verteilten Architekturen war es noch nicht. Die Bundesanstalt fuer Arbeit legte jedoch zusammen mit Hewlett-Packard (HP) durch eine Runderneuerung von Terminals und Druckern in den oertlichen Arbeitsaemtern und ihren Nebenstellen einen Grundstock fuer den Uebergang.

Ziel der Modernisierung des Equipments aus rund 30000 Terminals und etwa 20000 Arbeitsplatzdruckern ist neben drastischer Senkung der Kosten auch die technische Unterstuetzung einer Neuorientierung der Bundesanstalt fuer Arbeit (BA). Mit einem ersten, noch der Host-Terminal-Struktur verhafteten Schritt wurde dafuer unter Beruecksichtigung zusaetzlicher Standards informationstechnisch vorgesorgt.

Ein Einstieg in Client-Server- und verteilte Architekturen ist nur noch eine Frage der Zeit. Unter dem Projekttitel "Arbeitsamt 2000" gilt er als Chefsache. BA-Praesident Bernhard Jagoda will die Behoerde zum "kundennahen Dienstleistungsunternehmen" umbilden.

Technologie war also vorerst nur eine - und noch nicht einmal die entscheidende - Seite des auf vollen Touren laufenden Grossprojekts. Die bedeutendere war die Konzentration auf ein betriebswirtschaftlich orientiertes Handeln. So bekennt Wilhelm Schumacher, BA-Referatsleiter Infrastruktur Informations- und Kommunikationstechnik: "Die Techniken sind nicht das Primaere. Sie bilden das Instrumentarium, mit dem wir unsere Aufgaben qualifizierter erfuellen koennen." Die sind ohnehin schwierig genug: Denn fuer ueber 3,4 Millionen "Kunden" (Maerz 1995), darunter Hunderttausende Langzeitarbeitslose, bringt selbst der inzwischen spuerbare wirtschaftliche Aufschwung in der Bundesrepublik noch keinen Silberstreif am Horizont.

Betriebswirtschaftliches Handeln wird angestrebt

Einfacher wird die Lage auch dadurch nicht, dass betriebswirtschaftliche Orientierung oft nur schwer mit politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in Einklang zu bringen ist. Kameralistik, zugewiesene Titel und Etats vertragen sich nicht besonders gut mit konsequentem Kostendenken und Budgetverantwortung. Bis zu einer Loesung muessen sich Schumacher und seine Mitstreiter daher zwischen den Vorgaben des Etats einerseits und den betrieblichen Anforderungen aus den 184 Arbeitsaemtern und ihren 647 Nebenstellen andererseits vorschriftengetreu, aber dennoch moeglichst effizient durchlavieren.

Wie sein Titel besagt, zeichnet Schumacher dabei fuer die Ausstattung mit informationstechnischer Infrastruktur, Kommunikationseinrichtungen sowie fuer den Betrieb der Rechenzentren und Systeme verantwortlich.

Ergonomische Aspekte standen im Vordergrund

Im Vorgriff auf die geplanten verteilten Architekturen musste diese Ausruestung modernisiert werden. Es sollte weiter und verstaerkt auf Standards gesetzt werden, um die Geraete damit auf den neuesten Stand zu bringen. Im Vordergrund standen einmal ergonomische Aspekte, ansonsten aber - wie in der Industrie - fast ausschliesslich das Ziel der Kostensenkung. Nicht nur sollte der Betriebsverbrauch aelterer Geraete reduziert werden, sondern es wurde auch ein Weg gesucht, die Investitionen sowie die als "Cost of ownership" bezeichneten Folgekosten preisguenstig zu gestalten.

Als Partner fuer dieses Vorhaben entschied sich die BA nach den ueblichen laengeren Ritualen der oeffentlichen, "beschraenkten" Ausschreibung und der Pruefung unter Einschaltung eines externen Beraters fuer HP. Zu den Auswahlkriterien gehoerte auch die Stabilitaet des Anbieters. Als besonderes Gewicht konnte HP sein bundesweites Servicenetz und eine speziell fuer das BA-Vorhaben gebildete Projektgruppe in die Waagschale werfen. Das Team gewaehrleistet die komplette Installation und danach umfangreiche Unterstuetzung waehrend des laufenden Betriebs.

Die Umruestung ist minutioes geregelt

Bei HP fungiert Herbert Stumpf als verantwortlicher Key-Account- Manager fuer die BA-Umruestung und garantiert eine komplette Loesung "aus einer Hand". Nach den ersten, im Juli 1994 in den Arbeitsamtsbezirken Memmingen und Villingen erfolgreich abgeschlossenen Pilotinstallationen koennen die beiden Verantwortlichen nun aufatmen. "Schwerwiegende technische Probleme sind nicht aufgetreten", bestaetigten der HP- wie der BA-Vertreter. Pro Woche stellt der Lieferant, abhaengig von der Groesse, zwei bis vier Arbeitsaemter inklusive ihrer Nebenstellen um. Die Zeitraeume sind eng bemessen. Sieben Wochen, nachdem Nuernberg mitgeteilt hat, dass und mit welchem Geraet eine bestimmte Niederlassung neu ausgestattet werden soll, muss HP mit Mannschaft und Material vor Ort bereitstehen.

Die Logistik der Umruestung ist in fuer jedes Amt eigens erstellten "Drehbuechern" minutioes geregelt. Sie werden jedesmal gemeinsam von BA-Mitarbeitern und dem aus bis zu vier Beratern und 18 Technikern bestehenden HP-Team den lokalen Beduerfnissen angepasst.

Centronics ist nicht gleich Centronics

Die Verfahren beim Abbau der vorhandenen Geraete werden dabei ebenso vorgeschrieben wie die Neuinstallation der HP-Terminals vom Typ HP 700/60 ES und der Laserjet-4L-Drucker. Gedacht wurde auch an "Kleinigkeiten", etwa die Bereitstellung von ausreichend Parkraum fuer die Liefer-LKWs und die Fahrzeuge der Installationsmannschaft. Einmal war allerdings der Gedanke an das leibliche Wohl der Techniker im Eifer des Gefechts schlicht untergegangen. "Da bin ich eben los und habe Pizza besorgt", beschreibt Stumpf seine Intervention. Insgesamt scheint die Umstellung jedoch trotz einiger technischer "Feinheiten" reibungslos zu funktionieren. "Bis jetzt wurde der als Puffer eingeplante Sonntag noch nie benoetigt", bilanziert der Projektleiter.

Von Anfang an hatte das Projekt eine pikante Note: Ein wichtiger Grund der BA-Entscheidung fuer den Lieferanten HP lag in der Einhaltung von Standards. Die Installation erfolgte jedoch nicht auf der gruenen Wiese, sondern bedeutete die Abloesung von Geraeten eines anderen Herstellers. Die Aufgabe war nun, bekannte Schnittstellen-Probleme des Typs "Centronics ist nicht gleich Centronics" zu loesen. Die neuen Terminals mit Standardtastaturen und die neuen Drucker mussten einmal die Signalsprache der Rechner, zum anderen die der Programme verstehen. Dazu waren - zusammen mit dem anderen Computeranbieter - etwa V.24-, V.11- und andere Schnittstellen in die neuen Gesamtsysteme einzubinden. Hinzu kamen Anpassungen der Programme, da beispielsweise die alten Tastaturen - nicht normgerecht - ueber mehr Funktionstasten als die Standardtastaturen verfuegten.

Diese Konstellation erleichterte die Arbeit des Projektteams anfangs sicher nicht. In Gespraechen bei der BA wurde jedoch ein tragfaehiger Konsens gefunden. Er umfasste beispielsweise eine wechselseitige Einbeziehung der jeweiligen Hausspeditionen bei Belieferung der neu auszustattenden Aemter. Seither hat sich zwischen den beiden Herstellern sogar ein fast partnerschaftlicher Wettbewerb bei der Erfuellung von Qualitaetsnormen herausgebildet.

Neue Technologie und neues Denken

HP stand vor der Herausforderung, Systeme und Komponenten unterschiedlicher Hersteller dem Auftraggeber als integrierte Gesamtloesung bereitzustellen. Neben dem Druck auf die Preise, auch im Servicebereich steigt die Erwartungshaltung der Kunden bezueglich Supportqualitaet, Systemverfuegbarkeit und schnelles Reagieren proportional zur wachsenden Komplexitaet der Systeme.

Der Einsatz offener Systeme ist bereits BA-Tradition. "Bei uns wurden seit 1984 Ueberlegungen zu Unix angestellt. Damit lagen wir moeglicherweise sogar noch vor dem bundesdeutschen Vorreiter, dem Land Nordrhein-Westfalen", erinnert sich Schumacher. "Inzwischen sind wir wohl einer der groessten Verarbeiter unter dem offenen Betriebssystem." Der Start 1985 kostete natuerlich auch Lehrgeld. "Wo heute jemand in den Zug einsteigen kann, mussten wir unsere eigene Loesung manchmal noch erfinden."

Technologischen Trends im IT-Markt verschlossen sich die oeffentlichen Arbeitsverwalter also nicht. Die Anforderungen an die Dienstleistungen sowohl der BA als auch der Computerhersteller, mit denen diese kooperiert, haben sich dadurch veraendert.

Beim Anwender setzt dezentralisiertes Arbeiten geeignete Anwendungen und Prozesse voraus. Hier sind die Ueberlegungen in der Frankenmetropole recht weit fortgeschritten, und Objektorientierung ist dort laengst kein Fremdwort mehr. Andererseits - dies ist die politisch zu treffende Entscheidung - geht zentralistische Steuerung mit Client-Server-Anforderungen nicht zusammen. Technik und Organisation muessen sich gemeinsam wandeln.

*Karl-Ferdinand Daemisch ist freier Journalist in Loerrach.