Rechnerübergreifender Ansatz schafft User-Akzeptanz:

Verteilte DV braucht einheitliches SW-System

20.11.1987

Dezentralisation und Integration sind zwei Seiten einer Medaille: Je stärker die DV fachlich und geografisch verteilt wird, desto notwendiger ist ein homogenes Software-Konzept, das Rechner-unabhängig ausgelegt ist. Das erleichtert nicht nur die Anwendungsentwicklung, sondern stärkt auch die Akzeptanz der Endbenutzer. Ernst-Hermann Gruschwitz* beschreibt die Lösung, die beim TÜV in Essen praktiziert wird.

Ausgehend von der flächendeckenden Struktur des Rheinisch-Westfälischen Technischen Überwachungs-Vereins (RWTÜV) und seiner organisatorischen Gliederung in fachliche Direktionsbereiche entwickelte sich in den letzten Jahren ein dreistufiges Hardwarekonzept: Die zentrale Datenverarbeitung wird mit einem IBM-Rechner 4381 unter dem Betriebssystem MVS bewältigt. Hier findet die unternehmenseigene DV mit übergeordneten Aufgabenstellungen wie Finanz- und Betriebswirtschaft oder Personalwesen statt.

Dreistufiges HW-Konzept besteht Bewährungsprobe

Der nächsten Stufe, die dezentrale DV, ist einerseits der technischwissenschaftliche Bereich mit fachlich gegeneinander abgegrenzten Aufgabenstellungen, und andererseits die dienststellenbezogene kommerzielle Datenverarbeitung zugeordnet. Die Gründe hierfür sind, daß sich hier eine organisatorische Aufteilung nach geografischen Zuständigkeitsbereichen anbietet und die Nähe zum Sachbearbeiter Vorteile aufweist.

Als jüngste Entwicklung hat sich die lokale Datenverarbeitung am Arbeitsplatz als dritte Stufe in das Hardwarekonzept eingefügt. Hier werden PCs oder auch Schreibsysteme für den Ingenieurarbeitsplatz beziehungsweise für den kaufmännischen Sachbearbeiter oder die Sekretärin verwendet.

Das dreistufige Hardwarekonzept hat gegenüber einem reinen Zentralrechnerkonzept deutliche Vorteile, da die notwendige Rechnerleistung in abgestufter Weise so nah wie möglich an den Arbeitsplatz gebracht wird, ohne die Kommunikation zwischen zusammenarbeitenden Bereichen einzuschränken. Hierdurch wird eine Minimierung der Hardware- und Datenleistungskosten erreicht. Gleichzeitig erhöht sich die Verfügbarkeit der Rechnerleistung am Arbeitsplatz. Sicherheitsvorteile erwachsen dem Betrieb daraus, daß einerseits gewisse Daten redundant an verschiedenen Standorten vorliegen und andererseits die einzelnen dezentralen Rechner als Ausweichrechner bei Ausfällen oder gar Katastrophen dienen können. Der Personaleinsatz für die Dezentralisierung der Datenverarbeitung hält sich in einem begrenzten Rahmen, da alle Rechner von einem zentralen Standort aus gesteuert und überwacht werden. Die Sicherung geänderter Daten wird täglich an einem zentralen Standort vorgenommen. Lediglich zur Gesamtdatensicherung werden die Rechner in zweiwöchigem Turnus von einem Operateur aufgesucht, der dabei auch örtliche Betriebsbedingungen kontrolliert.

Qualitätssicherung folgt den Entwicklungsphasen

Die zentrale Software-Entwicklung und -Betreuung war ein wichtiges Anforderungskriterium bei dem vor zehn Jahren eingeleiteten schrittweisen Aufbau eines verteilten Datenverarbeitungskonzepts. Nur so kann eine einheitliche Unternehmens-Software mit reibungslosem funktionellem Zusammenspiel garantiert werden. Aber auch die Software-Qualitätssicherung läßt sich auf andere Weise nur schwer durchsetzen und überprüfen.

Der RWTÜV hat hierfür ein Software-Qualitätssicherungskonzept entwickelt, das sich an den Phasen der Software-Entwicklung orientiert: Die Anforderungsphase liefert den Anforderungskatalog und den Qualitätsplan; die Entwurfsphase hat Spezifikation und Testplan zum Ziel; in der Codierphase entstehen Programme und Dokumentation; die Testphase führt zu Testprotokollen und -ergebnissen.

In jeder Phase werden die vorhergehenden Schritte überprüft. Schließlich mündet die SW-Entwicklung in die Betriebsphase ein; daraus ergeben sich Fehlerprotokolle und Änderungswünsche, die wiederum den Neueintritt in die Anforderungs- und Entwurfsphase nach sich ziehen.

Die Prüfmethoden in den jeweiligen Entwicklungsphasen orientieren sich an der Risikoklasse der zu erstellenden Software, da auch Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen stets eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen. Diese Prüfschritte sind Bestandteil der Obergabe von der Software-Entwicklung zur Produktionsfreigabe durch den RWTÜV.

Das Software-Konzept für die verteilte Datenverarbeitung beruht auf den Betriebssystemstandards MVS für die zentrale Datenverarbeitung, VMS für die dezentrale Ebene und MS-DOS für die lokale DV. Die zentrale Softwareentwicklung erstreckt sich dabei überwiegend auf die oberen beiden Stufen der Datenverarbeitung. In der lokalen DV werden bevorzugt Standardprodukte verwendet, aber auch individuelle Programme am Ingenieurarbeitsplatz entwickelt.

Zugriffsberechtigungen auf Datenbestände und Programme sind unter MVS und unter VMS nach einheitlichen Kriterien erteilt. Die Passwords werden von den Anwendern jeden Monat systemgesteuert verändert so daß eine Weiterverbreitung entfällt. Eine einheitliche Handhabung der Schutzvorschriften auf zentralen und dezentralen Rechnern erleichtert auch hier den Anwendern das Verständnis für die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen und sichert deren Beachtung.

Wechsel zwischen IBM und DEC ist möglich

Das Zusammenspiel zentraler, dezentraler und lokaler Systeme hat sich bewährt und stößt auf breite Akzeptanz bei den Anwendern. Auch durch die wachsende Publizität einer dreistufigen Datenverarbeitung fühlt sich der RWTÜV in diesem Konzept bestätigt - nicht zuletzt auch deshalb, weil IBM mit dem SAA-Konzept jetzt einen ähnlichen Weg propagiert, um unternehmensübergreifende Systementwicklungen für die unterschiedlichen Hardwarestufen zu realisieren.

In der zentralen Systementwicklung werden die Programmiersprachen Fortran-77 für den technischwissenschaftlichen Bereich und PL/1 sowie in begrenztem Maße Cobol für kommerzielle Anwendungen eingesetzt. Auf diese Weise sind die Programmierer in der Lage, je nach Anforderung Systeme sowohl für IBM- als auch für DEC-Rechner zu entwickeln. Der Wechsel zwischen den Entwicklungsumgebungen ISPF/TSO einerseits und VAX/VMS andererseits bereitet keine Schwierigkeiten.

Einheitliche DB-Umgebung für alle Rechnerstufen

Zur weiteren Vereinfachung der Systementwicklung werden auch übergreifende Hochsprachen der vierten Generation eingeführt. Da der Ressourcenbedarf hier jedoch deutlich höher ist als bei Standard-PL/1-Systemen, hat sich dieser Trend nur auf dem Zentralrechner durchgesetzt.

Einen neuen Ansatz für eine übergreifende Hochsprache wird in SQL gesehen. Die einheitliche Datenbank-Umgebung für alle Rechnerstufen erleichtert die Systementwicklung wesentlich und erlaubt auch zu einem späteren Zeitpunkt den Übergang auf einen veränderten Anforderungen entsprechenden Zielrechner.

Die an das Netz angeschlossenen PCs können ebenfalls auf zentrale oder dezentrale Daten zugreifen. Und je nach Berechtigung werden die Daten auf den PC heruntergeladen. Der Upload-Vorgang ist allerdings nicht vorgesehen; in dieser Richtung dürfen Daten nur nach hierfür vorgesehenen Plausibilitätsprüfungen in die zentralen oder dezentralen Dateien übernommen werden.

Stromverbrauch gering

Neben den Servern stammt von 3Com die sogenannte 3Station als hochintegrierter Ein-Platinen-Computer mit 80286-Prozessor (acht Megahertz), einem Arbeitsspeicher von 1 MByte RAM, der auf vier MByte RAM erweitert werden kann. EGA-Funktion und Ethernet-Anschluß vervollständigen neben den nötigen I/O-Schnittstellen die neue Workstation. Dieser Rechner erfüllt fast alle Voraussetzungen, die an einen PC/AT im Netzwerk gestellt werden. Bei dieser Workstation

entfallen Einschübe für zusätzliche Platinen ebenso, wie Disketten-Laufwerk und Lüfter. Die Leistungsaufnahme liegt mit 25 Watt bei einem Viertel des Stromverbrauchs vom herkömmlichen PC. Die volle Grafik-Fähigkeit (EGA/CGA/Herkules), Maus-Schnittstelle, Modem- und Druckeranschluß sowie das Starten über den Server machen die 3Station zu einem nach Anbieterangaben leicht zu bedienenden Arbeitsplatz-Computer.

Ein Vergleich des erforderlichen Investitionsaufwandes zwischen einem mit 3Stations ausgestatteten Netzwerk und einem adäquaten mit adaptierten Personalcomputern wiese bereits bei sechs Arbeitsplätzen eine Einsparung von 25 bis 50 Prozent der Investitionssumme aus. Dabei seien die verringerten Wartungs- und Reparaturkosten durch den Wegfall der Disketten-Laufwerke und anderer mechanischer Teile nicht berücksichtigt.

Informationen: 3Com mbH, Bahnhofstraße 26, 8036 Herrsching, Telefon 0 81 52/49 36.