IT in Versicherungen/Technisches Know-how wichtiger als Generalistentum

Versicherungen suchen Systemspezialisten

07.02.2003
MÜNCHEN (am) - Anwendungsentwickler und Systemspezialisten haben im Versicherungsumfeld noch die besten Chancen. Im vergangenen Jahr schrieben die Assekuranzen 528 IT-Jobs in Tageszeitungen aus und gehörten damit zu den Anwenderbranchen, die weiter einstellen.

2001 hatten die Versicherungen noch 1246 IT-Stellen in Tageszeitungen offeriert, ein Jahr später waren es 58 Prozent weniger, wie die Stellenmarktanalyse von Adecco ergab. Mit den Banken und Automobilherstellern zählen die Assekuranzen zu den Anwenderbranchen, die den größten Bedarf an IT-Profis haben. "Neben dem Vertrieb hat die IT eine wichtige Rolle für den Dienstleister "Versicherungen", sagt denn auch Alexander Leibold, Leiter Personalbetreuung der DBV-Winterthur in Wiesbaden. Ob Policierung, Vertragsverwaltung, Schadensabwicklung oder Kalkulation von neuen Produkten - fast alle Arbeitsprozesse laufen computergestützt ab.

Dass Versicherungen auch attraktive IT-Arbeitgeber sind, erkennen immer mehr Bewerber. Hier gibt es nicht nur interessante, sondern auch vergleichsweise sichere Jobs, die oft mit attraktiven Zusatzleistungen wie betrieblichen Rentenmodellen ausgestattet sind. Die Folge: Die großen Unternehmen bekommen viele Bewerbungen, zum Teil auch von der gesuchten Spezies der Informatiker.

Allerdings fahren auch die Versicherungen angesichts der aktuellen Marktlage einen restriktiveren Kurs in Sachen IT-Personal als in der Vergangenheit. Die DBV-Winterthur beispielsweise stockte ihre IT-Abteilung noch 2002 um 80 auf 320 Mitarbeiter auf, heuer wird sie statt der ursprünglich anvisierten 50 nur zehn zusätzliche IT-Jobs schaffen. "Wir behalten unsere strategischen Ziele in der IT bei - fokussieren uns aber aufgrund der Marktgegebenheiten auf die Dinge, wo direkter betriebswirtschaftlichen Nutzen zu realisieren ist", so Leibold. Gebraucht werden nicht mehr Berufseinsteiger, sondern in erster Linie Spezialisten, sei es für die Anwendungsentwicklung im Großrechnerbereich oder Systemingenieure für Sun Solaris.

Nach Mainframe-Experten müssen die Versicherungen aber nach wie vor länger suchen, bis sie einen geeigneten Kandidaten finden. Da die einst als veraltet verschriene Host-Technologie an den meisten Universitäten nicht mehr gelehrt wird, verfügen jüngere Bewerber kaum noch über die gefragten Kenntnisse. "Im Mainframe-Bereich können Sie es sich gar nicht erlauben, Mitarbeiter über 40 Jahren nicht mehr einzustellen", sagt Claudius Lierow, der bei der DBV-Winterthur die Personalbetreuung in München leitet. Darum haben Bewerber auch ohne spezifische Erfahrung im Mainframe-Umfeld eine Chance, wenn sie glaubhaft darstellen, warum sie in der Großrechnerwelt arbeiten wollen. "Wenn sie es nur als Notlösung sehen, weil es im Web-Design oder Client-Server-Umfeld wenige Jobs gibt, geht das meistens schief", so Lierow.

Auch die AOK Baden-Württemberg sucht für die Hauptverwaltung in Stuttgart, die 4,2 Millionen Versicherte betreut, noch erfahrene IT-Mitarbeiter - angefangen vom Host-Systemspezialisten über den SAP- und den Datenbankadministrator bis hin zum System-Manager für Client-Server.

Berufserfahrene bevorzugt

Letztere Position ist nach Angaben von Norbert Seyfried von der AOK schon länger vakant: "Während wir im First-Level-Bereich alle Stellen zügig besetzen konnten, gestaltet es sich auf der zweiten Ebene schwieriger. Der System-Manager für Client-Server soll unter anderem die bestehende Tivoli-Architektur weiterentwickeln, dafür braucht er mit dem Produkt unbedingt mehrjährige Erfahrung." Zusätzliches Wissen über Krankenversicherungen sei für den Systemspezialisten dagegen nicht erforderlich.

Ob Bewerber und Unternehmen zusammenpassen, lotet die AOK Baden-Württemberg schon frühzeitig aus. In einem unverbindlichen Informationsgespräch können sich Bewerber und Unternehmensvertreter gegenseitig kennen lernen, bevor es in die zweite Runde, das offizielle Vorstellungsgespräch, geht.

Mit ausgewiesenem IT-Know-how und soliden Produktkenntnissen können sich IT-Mitarbeiter derzeit bei Versicherungen gut behaupten. "Der Bedarf an Generalisten sowie an Spezialisten besteht weiterhin, auch wenn zurzeit der Schwerpunkt der Rekrutierung auf Fachkräften mit tiefem IT-Wissen liegt. Um eine Oracle-Datenbank zu betreiben, muss der Mitarbeiter keine Powerpoint-Präsentationen erstellen, sondern den Server am Laufen halten können", beschreibt Leibold von der DBV-Winterthur.

Allerdings sind Spezialisten oft nur schwer zu einem Wechsel zu bewegen. Diese Erfahrung macht auch Rolf Schwaneberg, Personalvorstand der FJA AG: "Zurzeit suchen wir Kandidaten, die über IT-Kenntnisse wie über Branchen-Know-how verfügen. Es ist aber schwieriger, Versicherungsfachleute zu finden als IT-Experten. Dazu kommt, dass viele potenzielle Kandidaten, die unseren Anforderungen gerecht werden, vor dem Hintergrund des Marktes zögern, den Job zu wechseln." Der Münchner IT-Dienstleister bietet eine Standdardsoftware an, mit der Versicherungen und Pensionskassen ihre Produkte und Bestände verwalten können.

In den vergangenen drei Jahren hat die FJA AG ihren Personalstand auf fast 1000 Beschäftigte verdreifacht und will auch in Zukunft weiter wachsen. Schwaneberg weiß, dass er die Idealkandidaten nicht immer bekommen kann, und setzt darum auf die Weiterentwicklung der neuen Mitarbeiter: Sie lernen nicht nur während der Projektarbeit kontinuierlich dazu, sondern auch in der firmeneigenen Akademie.

Die Jobchancen für IT-Profis im Versicherungsumfeld beurteilt der Personalvorstand als "qualitativ so gut wie vor zwei Jahren. Denn es gibt in diesem Umfeld interessante Aufgaben mit Entwicklungsperspektive. Rein quantitativ betrachtet haben sich die Chancen zwar verringert. Aber das ist nur eine temporäre Erscheinung."

Angeklickt

Versicherungen gehören zu den Anwenderbranchen, die noch in nennenswerter Zahl IT-Profis einstellen. Allerdings hat sich auch ihre Personalpolitik angesichts der veränderten Marktlage gewandelt: Jobofferten für Berufseinsteiger sind mittlerweile selten geworden, bevorzugt werden ausgewiesene Profis mit tiefem IT-Wissen, sei es im Mainframe-Bereich oder Spezialisten für Datenbanken und Unix.