Post kauft sich über US-Dienste-Anbieter Know-how und Weltmarkt-Präsenz:

Versicherer starten VAS-Netz in eigener Regie

29.07.1988

KÖLN/BONN (cmd) - Die anstehende Liberalisierung in puncto Value Added Services (VAS) sorgt weiter für neue Betreiberkonstellationen: Die Bundespost kauft sich bei dem international agierenden US-Anbieter Computer Sciences Corp. ein, und auf nationaler Ebene wollen vier Versichungsunternehmen in eigener Regie ein gemeinsames Netz aufbauen und betreiben.

Das Projekt "Vene" - so der vorläufige Arbeitstitel - steht für "Versicherungsnetz" und markiert ein neues Selbstbewußtsein bundesdeutscher Anwender. Vier konkurrierende Versicherungskonzerne, die in Hannover ansässige Magdeburger Feuerversicherung und die drei Kölner Gruppen Colonia, Gerling und Nordstern, schneidern sich, angefangen von der konzeptionellen Phase bis hin zum laufenden Netzbetrieb, ein gemeinsames Netz nach Maß und das, ohne sich spezialisierter VAS-Anbieter wie Geisco und EDS zu bedienen oder sich auf VAS-Netze großer Hersteller wie IBMs INS oder der Siemens-Tochter Vascom abzustützen. "Wir wollen das selber machen und haben uns mit der DAT, einer Tochter der Altana-Gruppe, zusammengetan", skizziert Reiner Pliefke vom "Vene"-Projekt-Team bei Gerling die Beweggründe.

Der Betrieb dieses ersten nationalen Corporate Network in der Versicherungswirtschaft liegt in den Händen einer noch zu gründenden Tochtergesellschaft, an der jedes der vier Gründungsmitglieder 25 Prozent halten wird. Die Hauptziele des Joint-venture für die erste Phase definiert Pliefke so: eine erhöhte Datensicherheit, nach Möglichkeit eine Senkung der Durchlaufzeiten, eine größere Verfügbarkeit, Erweiterungsmöglichkeiten sowie eine schnellere Bereitstellung der Leitungen. Als zusätzlichen Synergie-Effekt erwartet man zudem auch noch eine Reduzierung der bisherigen Leitungskosten.

Mit ihrem Projekt sehen sich die "Vene"-Betreiber selbst in einer Art Vorreiter-Rolle. "Wahrscheinlich gibt es noch eine Vielzahl von Unternehmen, die ähnliche Ideen haben, möglicherweise aber nicht das Know-how oder den nötigen Rückhalt bei ihren Geschäftsleitungen", meint Pliefke und liefert sogleich die Begründung dafür, warum der Gerling-Vorstand grünes Licht gegeben hat: "Wir brauchen überhaupt keinen neuen Rechner, wir müssen noch nicht einmal eine Leitung ummelden und von den Protokollen und den Anwendungen läuft alles genauso wie bisher."

Das Gesamtnetz besteht aus zwei Ebenen: Ein vermaschtes Overlay-Netz verknüpft über Festverbindungen mit 64KBit/s- oder, falls erforderlich, mit 2MBit/s-Strecken die vier Hauptknoten in Hannover, Köln, Frankfurt und München; von dort aus geht es über 16 weitere Knoten und unter Nutzung von Datex-P-, Datex-L- oder HfD-Anschlüssen mit 9600 Bit/s-Leitungen bis zu den Terminals in den einzelnen Geschäftsstellen der vier Gesellschaften.

Das Zusammenspiel zwischen Siemens-Anwender Gerling und den übrigen drei Unternehmen, die mit IBM-Equipment ausgestattet sind, erfolgt entweder protokolltransparent, oder, je nach Anwendung, über entsprechende IBM- beziehungsweise Siemens-Eingangsports. Ein zentrales Netzwerk-Management soll die Ausfallzeiten minimieren und Unabhängigkeit von der Bundespost gewährleisten.

Das Leistungsangebot von "Vene" umfaßt sowohl "Value Added Network Services" (VANS) als auch "Value Added Services" (VAS). Zur ersten Gruppe zählen zum Beispiel automatisches Routing und laufende Kapazitätsanpassung. Die VAS-Dienste beziehen sich dagegen auf den Anwendungsbereich im engeren Sinn; sie umfassen etwa Dialog-, Mailbox- und Edifact-Anwendungen, Zugriff auf externe Datenbanken und externe Rechenzentren als Backup, das Thema Clearing-Haus sowie - wenn auch vorerst noch eingeschränkt durch die Bundespost die Sprachkommunikation.

Die Marktchancen, die sich mit dem Thema "Value Added Services" auftun, will auch die Deutsche Bundespost nicht ungenutzt verstreichen lassen. Als Reaktion auf die Aktivitäten privater Anbieter, wie ein Sprecher des Hauses Schwarz-Schilling bestätigte, kaufte sie sich kurzerhand mit 15 Prozent bei der neu gegründeten International

Information Network Services Inc. (Infonet) ein, einer Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Computer Sciences Corp. (CSC), die ihren bisherigen Geschäftsbereich eigens zu dem Zweck ausgegliedert hat, potente Teilhaber anzulocken.

Infonet ist in bisher 31 Staaten vertreten und bietet auf der Basis eines paketvermittelten Netzes weltweit branchenübergreifende Kommunikationsdienste an. In der Bundesrepublik, wo das Unternehmen bereits tätig ist, wird die Post nach der mit CSC getroffenen Vereinbarung eine Marketing-Organisation aufbauen und die Infonet-Dienstleistungen als Abrundung ihrer bisherigen Palette anbieten. Unklar ist freilich bisher, wie die jetzige Bundespost-Beteiligung sich in die kürzlich bekanntgegebene Ankündigung der 18 Cept-Verwaltungen fügt, gemeinsam ein weltweites "Managed Data Network Services"-Netz auf X.25-Basis aufzubauen.

Von den 70 Prozent der Anteile an Infonet, die CSC insgesamt verkaufen will, hat neben der Bundespost auch die Transpac, eine Tochtergesellschaft von France Telecom, eine 15-prozentige Beteiligung erworben. Die belgische Telefon- und Telegrafverwaltung RTT, die spanische Fernmeldeverwaltung Telefonica sowie die schwedische Gesellschaft Teleinvest haben darüber hinaus Optionsverträge über jeweils fünf Prozent gezeichnet. Weitere Fernmeldeverwaltungen beziehungsweise deren Töchter verhandeln derzeit mit CSC um die Übernahme der noch käuflichen Infonet-Anteile.